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BN 48 (1989) DER HERR AUF DER ZINNMAUER ZUR DRrrrEN AMoS-VISIoN (AM. vII 7-8) von CHRISTOPH UEHLINGER Freibug Schweiz . Beyerlin dle opínio plurium der Exegeten gegriffen und dagegen eine in wesentlichen eboten.l) Diese opinio plurittn braucht hier nicht lange referiert zu werden, da sie e¡stens bekannt und zweitens nach Beyerlins Totaldemontage ohnehin nicht meh¡ wird aufrechte¡halten werden können. Ihr Kemstück war die Ùbe¡setzung des nur hier begegnenden Schlüsselterminus der Vision,'dn¿lk, mit "Blei" und die (schon von Rasi und Qiml¡i vertretene) Identifikation der mt'anãk gemeinten Sache als "Bleilot, Senkblei" o.ä. Davon ausgehend nahm man in der Regel an, dass die Vision das übe¡ Is¡ael mit Sicherheit hereinb¡echende Gericht (vii 8) im Bild eines die Lotrichtung einer Mauer prüfenden Handwe¡kers oder Bauinspektors zur Darstellung bringe.2¡ Gegen die Wiedergabe von'øna;t mit "Blei" hatten zwa¡ schon G. Brunet3) und inspruch erhoben, beide mit dem Hinweis darauf, dass das aku eben nicht "Blei", sonde¡n nur(!) "Zinn" bezeichne5), weder diese grundlegende semantische Einsicht6) noch die daraus abgeleitete Deutung von Am. vii 7-8 du¡chzusetzen. Der "Exegeten-Express" war 1ängst in dic falschc Richtung abgefahren und liess sich nicht mehr bremsen.T) So bedurfte es in der Tat eines solchen Totalangriffs, wie er in Beyerlins Studie mit kompromissloser Kiarheit geführt wild: Gegen die opíníò pluríum wird zuniichst die im Rahmen de¡ Semitistik einzig mögliche Bedeutung "Zinn" für das nur in Am. vii 7-8 belegte hebr. 'andk eingefords¡¡.8) Für die Deutung der Vision wird in V. 7, wie es an dieser 1) W. Beyerlin, .E leilot, Brecheisen oder was sonst? Revision einer Amos-Visìon, Orbis Biblicus ct Orientalis 8l (Freiburg Schweiz und Göttingen 1988). 2¡ Vgl. etwa S. Amsler,z4mas (Ncuchâtel 1965),2268 H.W. Wolff, Dodekapropheron 2' Joel und .Amos (Neukirchcn-Vluyn 1969), 346-348 ("in Sachparallcle zù n Púô und p in Jes 28 17"); S. NidiLch' The Symbolic Vision in BibÌical Lìterature (Chico/Cal. 1980),21'23i J.A. Soggin, The Prophct Amos (-ondon 198?), I 14-1 17. Dass auch Vr'. Rudolphs Deutung von 'dflak als Brc4hstange odcr Brcchciscn (,foel - Amos - Obadja - Jona [Gütersloh l97l),234f) noch immer im Bannc der opinio plur¡un stcht, untcrstreicht Beyerlin (aaO. l5Ð mit Rccht. 3¡ G. B^net, "La vision de l'étâin, réinterp¡étation d'Amos vä 7 -9",W 16 (1966), 388-395. 4¡ W.L. Holladay, "Once more, '¿aa,t = 'tin,' Amos viî 7 -8" , W 20 (19'10), 492-494. 5¡ B. landsbe.ge., "Tin and Lead: The Adventures of Two Vocables", Jl{ðS 24 (1965),285-296. CAD Af2 s,v, annoku verbucht im Anschluss an Landsberger nur "tin", nicht "lead", 6¡ Anw I $b s.v. onãku "'Zinn' u[nd] wohl auch 'Blei"' (ein nur wissenschafLsgeschichtlich zu erkläIII 1f3b) wird in ,11áI I 69b "Blei" (ohne einen Hinweis auf die Studie Landsbergers und obns dass auch nur die rendes Zugesülndnis an die fiberholte opinio rcceptai vgl. den Nachkag,4Ìlw s.v, ìl)¡ zu M ö glic hkei t "Z,iîî" erwogcn würde!). 7¡ Vgl. zum "Excgeten-Express" Beyerlins Bemerkungen aaO. (Anm. l) 13! Der m,W. einzige Kommen:Ar, d.et'andk mit "Zinn" wiedcrgibt, ist derjenige von Ch. Hauret, u4mos et Osée, Verbum Salutis. Ancien Testament 5 @aris 1969),9lf. 8¡ AaO. ¡Anm. l) 18-22. 89 Stelle textk¡itisch allein vertretbar is¡9), gegen,BiiS, Kommenrare und Bibelübersetzungen an der überlieferten hebräischen Textgrundlage festgehalten, wodurch das Ausgangsbild der Vision deutlich skizziert erscheint: 'adanaj nìs1eb 'al-hômat ffltejÃdf >anãk ,ancik "der Allherr, postiert auf der Mauer aus Zinn; in de¡ Hand Zinn!"lo) rùy'ie schon Brunet und Holladay verweist Beyerlin auf die hervor¡agende Bedeutung von Zinn für die Herstellung der Bronze, jenem auch noch in der Eisenzeit durchaus üblichen Mate¡ial für die Herstellung von Waffen.ll) Aus diesem Zusammenhang von Zinn, Bronze und Rüstungsprodukrion ergibt sich ihm zwingend, dass das Bild der dritten Amos-Vision nicht im Be¡eich eines mit dem [¡t hantierenden Maurers, sondern in dem von militü¡ischer Gewalt und kriegerischer Eroberung situiert werden muss. "Zinn" steht in der dritten Amos-Vision für militärische Macht und Waffengewalt. Die "Mauer", auf welche¡ der "Allhen" steht, ist nicht als gewöhnliche Hausmauer, vielmehr als mächtige Umfassungsmauer, als Festungs- bzw. Stadtmauer zu verstehen.l2) Amos sieht in Beyerlins Deutung den "Allherm" zunächst als bewaffnetenVerteidiger eine¡ Stadt auf deren schützender Mauer postiert.13) Das Eröffnungsbild (V. 7 ap) "zeigt. .. den Allher¡n auf zinne¡ne¡ Mauer auf Posten, wehrhaft-machtvoll sein Volk beschützend". Es "stellt so...das herkömmliche Gottesverständnis der Is¡aeliten vor Augen: die Gewissheit, in diesem Gott vor Feinden verlässlich geborgen zu sein".14) Das da¡an anschliessende Detail (V. 7b: Zinn in der Hand des "Allherrn") "¡elativiert das Ausgangsdatum im ersten Bilde noch nicht: Waffen und Wehr in Gottes Hand sind in diesem Stadium visionären Erlebens durchaus noch defensiv zu verstehen: als Verstlirkung des Schutzeffektes der Mauer".l5) Auch die Frage JFIWHs und die Antwort des Propheten (V. 8a) deuten noch keinen Umschwung an und enthalten "kein Moment der Diagnose oder Prognose".t6) Ein solches wird, überraschend und bestürzend zugleich, erst durch Goues Wort in V. 8bp mitgeteilt:"Nicht mehr länger gehe ich schonend an meinem Volk 9) Ebd. 18: vgl. auch denPrelímínory andlntcrimReporr onthe Hebrew OldTestamentTextProject. VoL 5: Prophetìcal Books II: Ezekiel, Daniel,Twelve Minor Prophets ${ew York 1980), 29lf. 10¡ So die Übcrscøung Beycrlins, aaO. (Anm. 1) 56. 1l) AaO. 24f u.ö. ]ùy'ichtigc LitcraLur zu alto¡ientalischen Mcøllurgie in Ergänzung zu dcr von Beycrlin genannten: J.D. Muhly, Copper andTín. The Dìstribution of Mineral Resources and the Nature of lhe Metals Trade in the Bronze Age (New Haven/Conn. 1973); ders., "Supplement to Coppcr and Tin..,", TCAAS 46 (197 6) 77 -136; J.C. Waldbaum, From Bronze to lron. The Transition from the Bronze Age to the lron Age ¡n the Eastern Mediterranean (GöLeborg 1978); T.A. ìMcrtime[.D. Mubly, Tlre Coning ol the Age of Iron (Ncw Haven/Conn.-London 1980); A.B. Knapp, Copper Produclion and Divine Protecrion. Archaeology, Ideology and Socíal Conplexity on Bronze Age Cyprzs (Göteborg 1986). 12) Beyerlin, aaO. (Anm. l) 12; vgl. auch rü.Th. In dcr Smitten, Art. ;rêìr, 1állÁI II 806-811. 13) Schon Holladay, aaO. (Anm. ding guard"'. 4) 494, mcinte, das Part. ni. nigsdb in V, 74p bedeute "almos! 'stan- ta¡ AaO. (Anm. l) 46. Sollte diese Deutung zureffen, so könnte man auf eine Analogie in einer prophetischen Zeichenhandlung Ezechiels @2. iv-v) verweisen, wo m.E. die zunächst isoliert gezeichnete "Sladt" ebenfalls an Hoffnungcn und Übezeugungen der Hörcr des Propheten anknüpft, welche dicse (idc+ logisch) mit der Zionstradition und (im politischen Kontext) mit den Aufstandbeskcbungen Zidkijas in den Jahren vor 587 vcrbanden, Vgl. dazu Ch, Uehlinger, "Zeichne eine Stadt,.,und bolagere sie!' Bild und Wort in einer Zeichcnhandlung Ezechiels gegen Jerusalem @z 4f1", in: M. KüchlerÆh. Uehlinger, Hg., Jerusalem. Texte - Steíne - Bilder (FS H. und O. Keel-læu), Novum Teslamentum et Orbis Antiquus 6 @reiburg Schweiz und Göttingen 198?), I I 1-200. 15) Beyerlin, aaO. 16) 90 Ebd.46f. (A¡m. f) 46. Israel vorüber." Das anfängliche Schutzbild verkehrt sich so unvermittelt in ein AngryJßbild, das nunmeh¡ keine Schonung kennt.l?) Ich zögere, diese¡ so eind¡ücklichen Re-Vision, de¡ man viele Leserlnnen wünscht und angesichts derer die opínio pluríum nur noch als recht schäbiges Konsrukt exegetischer Beliebigkeit e¡scheinen kann, nun dennoch verschiedene Einwände entgegenzustellen, welche im Ve¡hältnis zu der grundlegenden von Beyerlin geleisteten Neuorientierung manchem wie nebensächliche Quiscluilien erscheinen könnten. Eine nicht zu unterschäÞ zende Bedeutung von Beyerlins Studie mag aber ge¡ade darin liegen, zu kritischem Gegen- und'Weiterfragen angeregt zu haben. Hierin liegt m.E. das grösste Verdienst der Revision: dass sie de¡Text der dritten Amos-Vision wieder in die Lage gebracht hat, Exegetlnnen vor (offene!) Fragen zu stellen. 1. Das Bíldelement "Mauer aus Zínn" Die Wo¡tverbindung þômat 'anãk "lu4'a:uer aus Zinn" stellt zwei nicht gerade kommensurable Grössen nebeneinander. Beyerlin distanziert sich zu Recht von der Deutung Brunets, der die Mauer im Sinne einer Rohstoffreserve als Anhäufung von Kassiteritbrocken verstehen wollte.ls) Er vergleicht die Wo¡tverbindung wie schon Holladay mit de¡ metaphorischen hômatnehoSät"MauerausBronze"inJer.i18;xv20.19)Dieserkönnennoch die Verbindungen þômat barzdl in Ez. iv 3 sowìe oL6r7pâ. T€tXn iî 2 Mâkk. i 9 zur Seite gestellt werden.20) Alle diese Nüherbestimmungen zielen in ihren jewciligen Kontextcn nicht auf die konk¡ete Materialität der so bezeiõhneten Mauernzl), sondern, in Übereinstimmung mit dem 'Ruf und der symbolischen Bedeutung der genannten Metalle22), allein auf ihre/u nktionale Qualittit, auf ih¡e Härte, Festigkeit, Widerstandsfähigkeit, ja Unbezwingbarkeit.23) Mit de¡ "Maue¡ aus Zinn" von Arh, vii 7 dürfte deshalb wie mit 17¡ In bezug auf dcn litcra¡kitischen Sratus von V. 9 ist die Forschung uncinig: Für Ursprünglichkcit pllidieren etwa Rudolph und Niditch; dagegen Amsler, Wolff, Beyerlin u.v.a. Da V. 9 in jcdcm Falle V. 8 nur cxplizicrt und konkrctisicrt, aber für dic Deutung der Vision gcgenübcr V. 8 keino grunds¿ltzlich andc- rcn Gcsichlspunklc bciú¿lgt, bcschränken sich die folgenden Ausfilhrungen auf vii 7-8. lr¡ AaO. (Anm. 3) 394f; vgl. allcrdings ebd. die w¡chtige Einschränkung "qu'une vision ne soit astreinl.e à aucun róalisme". 19¡ Hoiladay, aaO. (Anm. 4) 494; Beyerlin, aaO. (Anm. l) 42-45i zur "Malcr aus B¡onzc" vgl. A. Alt, "IIic murus ahcncùs esto",ZDMG 86 (1933) 33-48; weitere Belege bei B. Couroyer, "L'a¡c d'airain", RB 72 11965) 508-514, bcs. 510-512; ergänzend jilngst S. Henmann, ''Die Herkunft dcr 'ehcmcn Mauc¡'. Eine Miszelle zu Jercmia 1,18 und 15,20", in: M. Oeming/A, Graupner, Hg,,Altes Teslamenl und christlìche V e rkíln di gu n g (S tuttgart u.a. 1987 ), 344 -352. 20¡ Vgl. dazu Uehlinger, aaO. (Anm. 14) 178-180. 21) Selbst in Ez. iv 3: wenn die "eiseme Backplatte" zu¡ "eisemen Mauer" (qîr borzti[) *erden soll, dann impliziert dies filr dieYokabel barzöl einen semantischen Transfer von der Materialität zur (symbolischen) Funktionalitllt. 22¡ Y gl. daro auch K.H. Singer, Die Metatte Gold, Silber, Bronze, Kupfer und Eisen im Alten Testoment und ihre Symbolik (Würzburg 1980), dcr allerdingsúndk nicht berÍlcksichtigt (zu nehoíätbes,4548.1M-120.176-184:, zu barzdl bes. 49-50.120-132.185-190). 23¡Vgl.auchdieVr'o¡tverbindungq(ßðt nehosöttneåri.l¿''BogenausBronze"inPs.xviii35 ll2Sarn. 20,24 (vgl. B. Couroyer, aaO. [Anm. 19] 508-514; H. Vr'eippert, Art. "Bogen", BR¿2 49-50; "Bogen aus B¡onze" sind als Beutestilcke Sargons II. aus dem HaldiTempel von Musæir belegt: Vr'. Mayer, "Die Finanzierung einer Kampagne (TCL 3,346410)", UF ll Í1979) 571-595, hier 579 Z. xxii 35 und Ijob 394; vgl. den Kommentar ebd. 590). Die Näherbestimmung zielt hier, sofem sie meuphorisch zu verste- q'l anderen "eisernen", "ehemen" bzw. "bronzenen" Mauern zunächst eine nach menschlichem Ermessen undurchdringliche, uneinnehmbare Festungs- bzw. Stadtmauer gemeint sein.2a) Beyerlin will jedoch nicht nur diese metaphorische Interpretation gelten lassen, sondem hält an de¡ Materialität der "Maue¡ aus Zinn" insofern fest, als er davon ausgeht, dass das visionär geschaute Bild auch auf das Auss¿å¿n der Maue¡ abziele: "Da das Zinn ausd¡ücklich erschaut wird, ist nicht zu bezweifeln, dass sein Aussehen eine Rolle spiclt. Das kann dann nur heissen: sein silbriges Weiss, sein schimmemder Glanz!"ã) 'Was nicht bezweifelt werden kann oder soll, ist nun aber häufig gerade besonders zweifelhaft. Dass die Metapher "Mauer aus Zinn" auf Aussehen, Fa¡be und Glanz der Maue¡ hinweisen wolle, kann Beyerlin m.E. nur unte¡stellen. Denn in Wirklichkeit kommt dem Aussehen de¡ Mauer (über den elementa¡en Sachverhalt hinaus, dass sie als Mauer identifizie¡t werden kann26) weder in de¡ Antwort des Propheten noch in den Deutungen der Vision in V. 8 und 9 irgendeine Bedeutung zu. Dass die "Mauer aus Zinn" weiss gewesen und schimmernd geglänzt habe, wird nirgends gesagt und sollte darum auch nicht in den Text hineingelesen werden. Mustert man einmal die in den Wörterbüchern2?) angegebenen Belegstellen für akk. an(n)aku durch, so stellt man fest, dass Farbe und Glanz des Zinns in diesen Texten keine besonde¡e Rolle spielen. Was prim?ir interessiert, sind P¡eis und Qualität28) des für die Bronzeproduktion so bedeutsamen Metalls. Zwa¡ wi¡d in einzelnen Texten eine offenbar besonde¡s we¡wolle Qualitat des Metalls ausdrücklich als annakupeSû29) "weisser (bzw. hell[grau]er) Zinn" bezeichnet3o); doch zeigt die Norwendigkeit der Näherbestimmung gerade e contrario, dass an(n)aku allein wede¡ weisse Fa¡be noch schimmernden Glanz konnotiert. Dasselbe wird auch für das hebr. ,anãk gelren. Man zögert dann, Beyerlin in de¡ noch weiter führenden Meinung zu folgen, das Bildelement "Mauer aus Zinn" greife, zumal die Mauer als visionä¡ Geschaute erscheint, eo ipso geradezu in die T¡anszendenz hinübe¡: ".. .ein Bauwcrk aus kösüichem, wertvollem, fil¡ normale Sterbliche - zumal im antikcn Pal¿lstina so gu! wie uncrschwinglichen Stoff! (...) Just dieses Metall, hieniedcn schwer zu erlangen wird hicr, bei Go(t, i¿ unþsslicher Meng¿ erschaut. So massíerl, wie dies nur im Jenseils Gottes möglich ist. Eine Maue¡ aus Zinn - ztdem der Farbe und dem Aussehen nach die Transzendenz anzeigend: lt silbrigem Wciss und in schimmemdem Glanz! (...) Leuchl.et da nicht schon das gleissende Licåt, von dem dann alchTheophanieschilderungen im Alten (und Neuen) Testament immcr wicder zu künden wisscn?"31) Wiederum werden hier dem Begrrff anãkKonnotationen unterschoben, welche im einzelnen aufgrund semantischer Untersuchungen erhoben werden müssten. Denn im Text der d¡itten Amos-Vision steht nichts von unfasslicher Menge32), von Glanz und höchster Reinheit des geschauten Zinns. Und nichts weist darauf hin, dass das Zinn (über den elementaren Sachverhalt hinaus, dass es u.a. in der Hand des auf der Maue¡ stehenden Henn e¡scheint) in einer besonde¡en Beziehung zu Gott stehe bzw. als Auslöser etwa einer visionli¡en Lichterfahrung in die T¡anszendenz hinübergreife.33) Soweit ich sehe, werden in akkadischen Texten mit dem Begriff an(n)aku keinerlei Vorstellungen von göttlicher Sphü¡e oder T¡anszendenz ve¡bunden. Auffülligerweise wird Zinn im Zusammenhang von Götter- und Himmelsschilderungen im Gegensatz zu den Metallen Silber, Gold oder Elektron und im Gegensatz zu verschiedenen Edelgesteinen (bes. Lapislazuii) nie als einesjener kostbaren Materialien genannt, aus denen Götter(statuen), Tempel(ausrüstung und -dekoration) oder Himmel gemacht sind - obwohl Zinn, wie etwa seine Stellung in Beutelisten unmittelba¡ nach Silber und Gold3a) deutlich macht, unzweifelhaft zu den ökonomisch kostbarstcn Metallen gehörte.35) So wird man von dei "Mauer aus Zinn" nicht vorschnell auf Theophanie und Transzendenz schliessen dürfen und gut daran tun, die Wortverbindung allein als Hinweis auf die ti¡lktionale Qullität der Mauer zu verstehen. Die visionär geschaute hômat >ana-k stellt eine widerstandsfähige, mächtíge, nach menschlichem Ermessen geradezu utleínnehmbare Festupgs- oder Stadtmauer dar. Von einer Theophanie könnte man höchstens insofem sp¡echen', als auf dieser mächtigen Mauer stehend eben de¡ "IJer^" ç'a¿onut geschaut wird. In welchem Verhältnis zur Mauer er dargestellt ist und was sich da¡aus für das Verständnis des Ausgangsbildes der Vision ergibt, muss im folgenden gefragt werden. hen ist, auf dic funktionale Qualitåt der Offensivwaffe, wogegen sie im Fallc dc¡ Maue¡ zunächst dc¡en defensive Funktion vcrst2lrkend qualilìzicrt. 2a¡V4. für ¡ôna 25) Aao. (Anm. "befestigte Mauer eincr SradC' bei Amos auch i 7.10.14! l) 33. 26) Nur hinsichttich dieser elementa¡sæn Identifikation der Bildelemente auf der Sachebene t¡iffr Bcyerlins Argument zu, das Aussehen von visionä¡ Geschautem sei filr die Vision ¿/l¿i¡ schon aufgrund der Tatsache, doss es geschaut v)erde,von Bedcutung. Darüber hinaus ist die Frage, wie visionär geschaute Gegenstllnde konkre! und im Delail ausgesehen haben, filr das Verståndnis der Visionen meist ganz unerheblich. Visioncn a¡beiten mit ikonischen Stereotypen, welche man exegetisch am besten aufgrund ikonographischen Vcrgleichsmaterials zu erhebcn suchL Weitergehende Konnotationen sind dann anhand semantisch-syntaktischcr Untersuchungen zu erheben. VlI. dazu die fi.l¡ methodische Fragen der Intsrprelâtion von Visionen und Metaphern grundlegenden Studien von O.Keel, Jahwe-Visionen und Síegelkunst (SatJßgul 1977)i Deine Blicke sínd Tauben (SLuLtgart 1984). 27¡ Vgl. obcn Anm. 5-6. 28¡ Vgt. die Qualifikationen anukum zakûm "gercinigtes Zinn",anukum Saþuþum "konodiertes Zinn", anuku mossuþwn "schlechtes Zinn". 29¡ Vgl. LanOsberger, aaO. (Anm. 5) 295 t13.el. 30¡ Die Worrverbindung wird häulig logographisch AN.NA BABBAR geschrieben; sie könnte dann u,U. awh an(n)aku ebbu"reinerZnn" gelesen werden, wæ darauf hinweist, dass die Betonung der hellen Fa¡be auf die Reinheit dcs Metalls hinweisen will. 92 31¡ AaO. lAnm. 1) 27f (Hervorhebungen von mir). 32¡ W"nn Holladay, aaO, (Anm.4) 494, schreibt, dass ''Yahweh is able to commandecr such an immonse amount of that stIategic mclâl for manufactuing bronze weaponry", dann schcint er noch im Bânne von Bruncts In [crprctation dcr "Mauc¡ aus Zinn" als Rohstoffresc¡ve (vgl. obcn Anm. l 8) zu slchcn. 33) Beycrlin ist zwcifellos im Rccht, wcnn er im Anschluss an Alt darauf hinwcist, dass in ãgyptischcn und kanaanäischcn Texten sowohl Cöttcr âls âuch der König mil dcm mctaphorischcn Epithct "Maucr aus Bronze" bctitclt wc¡dcn und insofern die Wcndung "Mauer aus Er¿" mittclbar odcr unmittclbar gottbezogcn gebräuchlich gcwcscn isL Doch weist das hymnische Epithct Götter und König cbcn in dcrcn Rollc als Schutzmacht aus und greift die Mcapher allein, wie Jer. i 18 und xv 20 eindcutig zcigcn, nicht in die Sphäre der Göttcr übcr. 34) vgl. dic in CAD N2129 tb.1' und 2'l zirierren Belege. 35¡ Auffzttig ist, dass in ökonomisch interessierten Texten die Reihenfolge "Silber, Gold, Zinn, Bronze, Eisen" o.ä. dominiert, während in den sttuker an der symbolischen Bedeutung intcressierten magischen Texten und Omina (CAD N2129f [c und d]) Zinn stets ñacr¡ Bronze und Kupfer genannt wird. 93 2. Die Bildkonstellation: der Herr auf der Mauer Beyerlin interpretiert das visionär geschaute Bild von V. 7 insgesamt in defensivem Sinne: Die Mauer sei Schutz- und Verteidigungsmauer einer Festung oder Stadt, die zusätzliche Qualifikation als "Mauer aus Zinn" verst¿irke noch den Defensivcharakter, und der auf der Mauer stehende Herr, "Zinn" und d.h. Vy'affenmacht in seiner Hand haltend, sei geradezu als ein die Stadt bzw. ihre Bewohne¡ schütz€nder Verteidigungsposten zu verstehen. Begründet wird diese Deutung durch Hinweise auf Semantik und Etymologie von.hômð6), durch die traditionsgeschichtliche Verknüpfung der "Mauer aus Zinn" mit dem metaphorischen Epithet "Mauer aus Bronze"37) sowie durch die Interpretation des Part. ni. nisfib inY.7aBals "postiert sein"38). "Was jahrhundcrtelang geprägtes Elcmcnt der Goßesr{lhmung gewesen ist, das gerät...im Visionserlebcn dcs Amos zu cinem szenischcn Bild. Die Schutz gewährende Gotthcit...erscheint nun selbst auf der Szcnc, visionä¡-tlbersinnlich wahzunchmen. Die Mauer, Prädikat der Rühmung, tritt, in dcrsclbcn Art sinncnfìlllig, mit in Erschcinung. Sozusagcn als Postament, das dcn auf ihr postiertcn Gott explizicrt. Nicht viel andcrs, als das Postament dcs Jungstierbilds...die auf ihm erschcinende Cotthcit in ihrcr Bcdeul.ung erläu(ert. Die Mauer, gcnaucr, die Umfassungsmauer aus Zinn, symbolisie¡t dcn Schuø, expliziert...die Schuømacht, die unilbcrtrefflichc, des auf ihr stchcndcn Gottcs. Die Schutzmacht, w.ie sich von selbst versteht, zugunsten seines Volks, Dieses ist, unausgesprochencmassen, durch die Sødt hintcr dcr Mauer verkörpert Die Bedeutung des erstcn Bilds in unserer Vision ist klar, könnte klarer überhaupt nicht sein."39¡ Wiederum wird man stutzig, wo Wesentliches (und damit in jedem Fall Fragliches) sich einfach "von selbst versteht" und als völlig klar dargestellt \ilird. Zweifellos symbolisiert eine Mauer, zumal eine Festungs- oder Stadtmauer, in erster Linie Schutz, Sicherhcit, Vcrtcidigungsbereitschaft. Darauf weisen in der Tat Etymologie und Semântik von hômdaÙ), und dies liesse sich durch einen Hinweis auf die symbolische Bedeutung isolie¡ter Stadtdarstellungenal) noch zusätzlich untermauern. Zudem ist es ja, wie eben dargelegt, du¡chaus wahrscheinlich, dass die Qualifikation der þômã als "Mauer aus Zinn" deren Mächtigkeit und Verteidigungsst¿irke geradezu bis zur (nach menschlichem Ermessen) Uneinnehmbarkeit zusätzlich betonen dürfte. Doch bietet das Ausgangsbild ja nicht nur dieses eine Bildelement, sondern ei¡eBildkonstellation,weshalb man nicht isoliert von der Mauer her argumentieren darf, sondern ebendiese Bildkonstellationbzw. die durch sie konsrituie¡te Bildsyntax interpretieren muss.42) Und dass der auf de¡ Mauer stehende Herr mit de¡ wehrhaften Maue¡ solidarisch vorgestellt sei, kann doch nicht einfach vorausgesetzt werden, sonde¡n ist durchaus fraglich. 36) Aao. (Anm. 1) 45. 40) Ganz parallcl dazu auch Etymologie und Semantik von hebr. 171f; E. Otto, Art. ¡,v,ThWAT YI43-60. fr: vgl. Uehlinger, aaO. (Anm, 14) 41) Vgl. dazu Uehlinger, aaO. (Anm. 14) 153-I70. 42¡ Es ist dics nicht der Ort, methodologische Fragen von Ikonographie, lkonologie, der interpretâtorischen Eigengesctzlichkciten von Bild und Text usw. im Einzelnen zu diskuticren. Es sei nur duauf hingewiesen, dass dcn hier vorgeleglen Beobachtungen ein Kor¡elationsmodell zugrundeliegt, das mit eincr gtundsålzlichen Pa¡allelitåt von Analyseebcnen und -schritten im Be¡eich von Bildcm und Texten rcchnet. Den Ausdruck "Bildsynlax" Ílbemehme ich von M. Imdahl; er mag dem an den Umgang mit Texten gewohnl.en Exegclcn andcutcn, auf welcher Ebene die gleich zu verhandelnden Probleme Iiegen. 94 "Auf xxi 8 anzubicten, wo dcr Schcr der Vy'arLc ('al-miipöh),Hcn,stehe ich (anokî'ome@ stllndig am Tag, ('olmilnortí) slche ichbeteit (tnokî ¡ç¡dá) in jedcr Nacht'" und auf meincm Wachposten il dicscr Stcllc kciHier ist in dcr Tat ausd¡ücklich von Wachestchen die Rede. Doch hat das Vr'achestehen nen militllrischcn Sinn und bezieht sich schon gar nicht auf Verteidigung, sondem es ist als tcrminus.tcchnicus für die Schcrl.¿iLigkcit eines Nabi zu verstchen (vgl. die ganz ähnliche Formulierung Hab' ii l).46) Für unse¡en Zusammenhang ist nicht uninteressant, dass das Part. ni. ¡isçdå mit'¿, mehrfach als Autofit¿ltstitcl bclcgt is(: In Rut ii 5f bczcichnct dic Wortvcrbindun g hanniç5tb 'al-haqqôfrîm dcn übcr dic Schnitter "eingcsctztcn" Vorstehcr, der scinerseìts ein Untorgebencr (na'ar) des Boas ist. Vcrmutlich ist auch Doëg in I Sam. xxii 9 als ní¡çãb'al-'abedê-sãü¡ ein solchcr Vorsteher.4T) In 1 Sam. xix 20 wi¡d von Samucl in bczug auf die ckstatischen Nebiim von Rama gesagt, er sci'omed nisiãb 'alêhöm gcsehcn' d.h. als ihr Vo¡gcsetztcr erkannt worden. "Vorsteher" (d.h. Autoritåtspersonen, die per Dclegation königliche Herrschaftãusüben, also vögte oder strtthalter) werden in I Kön. iv 5.7; v 7 als niçsãbîm, derjcnige von Edom in I Kön. xxii 48 als ni¡p¿ó m¿il¿ìk4&), die "Oberuögte" in I Kön' v 30; ix 23; 2 Chr. viii l0Q aIs sãrê hanniisãbîrzbezcichnct.49) Gcradcbci letztcrem Titel wird deutlich, dass sich das Pa¡t. ni. ¡isç¿å hicr zun¿lchst rìuf dic rclativc SLcllung dicscr Bcamten als vom König (odcr ciner andcrcn höhcrcn InsLanz) "Eingcsetztc" bcziehcn. Imme¡hin drückt die Verbindung des Part. ni. nissab mit '¿l in I Sam. xix 20; xxii 9 und Rut ii 5l cindeutig hìcra¡chische Überordnung und Autorifät (und nicht ctwa, wic aufgrund dcr These Beycrlins zum Ausgmgsbild dcr drittcn Amos-Vision zu cruüton wårc, Solidar¡tilt) âus. Ansons(en findc¡ sich IVSB ni. mit .¿l vcrbundcn noch in Ex. xvii 9 (Mose stclÌt sich mit dcm Gottcsstab in dcr Hand auf dcn Hügcl, um von dort. dic Schlachr gegen die Amalekiter positiv zu bccinflusscn), Ex. xxxiii 21 (Mose soll sich auf¡echt auf einen Felsen stellen, an dem JHVy'H vorübcrgchcn wird), Ex. xxxiv 2 (Mosc soll sich auf dcr Spiøe des Bcrges Sinai vor JHIVH stcllen), Gen' xxviii 13 (JHWH erschcintdcm Jakob "aufdem sall¿m lganz obcn!] stehend"). An all diescn Stcllen bcdculc! dicrücndung sich (auf eincr Höhe odcr Bcrgspiøe) "aufrccht hinstellen" bzw. dorl "aùfrechßtchen". Gcgcnübcr cinlachem Stchcn konnoLicrtNSE ni.festes Aulrechtslehenvîd, bewusstes Sich-Hìnstellen. In Num. xxii 23.31 implizierttY$8 ni. (hicr mit áe-), dass der "mitten auf dem Weg stchcndc" Engel mi! dem gezücktcn Schwcrt diesen Weg kontrolliert, den Durchgang verspcnt und von don nicht wegzu- 447 38¡ Wobci dic Intcrprctation zwischen dcm Posrjert-Sein dcs Wachpostens und Vcrtcidigcrs eincr Sødt (so schon a¡deutungswcise Holladay, aaO. [Anm. 4] 494) und demjenigen eincs Gottes auf scinem Postâment schwânkt. eao. (Anm. 1) n¡ssdb als "Wachcstehen, Postcn stehen"45) schcint sich dagcgen Jes. sagt: 43¡ Vgl. 40. 3\Ebd.42-45. 3e¡ Für dic Bcstimmung des Verhältnisscs von Mauer und Hcr ist cntscheidend. was das Part. ni. ¿iss¿á in gesagr uetstchen Holladay und Beyerlin dcn Ausd¡uck als Hinweis auf cine Art "Vy'ache stchen, postiert sein", und Beyerlin vermutct als ergänzendc Konnotâtion "(wie ein Gott oder Götterbild) auf eincm Postament stehen". Fragcn wir, in welchen Kontexl.en ein Par¡. ni. niS¡db sonst im AT begegnet, so muss zunächst festgestellt werden, dass Beyerlins Verueis auf die Stierbildcr von Bet-El und Dan (l Kön. xii 26ff) sich aufkeinerlci terminologische Argumente stülzen kann, da bei der Beschreibung jener Bildcr44) cin Wort der'Wuzel NgB gar nicht verwendet wird. Als Kronzeuge für die Dcutung von V. ?ap bcdeutct.a3) Wic Ygl. zu. Folgcndcn auch J. Rcindl, Art. lv)/:$, T|WAT Y 555'565. zt SLic¡bildcrn in Israel und im AT zuleøt S. Schrocr, In Israel gab es Bilder (Frciburg Schweiz und Göttingcn 1987), 81-104. 45) Bcycrlin crspart sich dic Mühc, scin Vcrständnis von nigp¿ó 'al aufgrund scmantisch-syntakLischcr übcrlcgungcn zu bcgründcn, sondern vcrweist kurzcrhand auf "Rcliefs" und "Realicn": Stndtmaucm scicn oben b¡eir gcnug gewcsen ftir die Aufstellung von Postcn (aaO. [Anm. 1] 4tÐ, Dics trifft zwcifcllos zu, ka¡n aber doch dieFrage nach dcrSLellung und Funktion des Henn aufderMauer in Am vii 7-8 nicht cntscheiden. 46¡ Vgl. J. Jcremias, Kultprophetie und Gerichtsverkünd¡BunB in der späten Königszeit Israels $lcrlù.irchen-Vluyn 1970), 104-107. a7¡ Vgl. Reindl, aao. (Anm.43) 558f. 48) Die SL"lle isr problematisch: besagc sie, dass in Edom "ein ¡i¡¡¿á König wa¡", oder dass dcr fü¡ Edom zustÌlndige "/ritJãb dcs Königs Jehoschafat'' ein Tarschisch-Schiff gcbaut hattc? 49) Vgl. T.N.D. Mcil.inger, Solomoníc Stote Ofrtciats (Lund 19?l), bes. 111-127; A. Caquot, Art. "Iléfcrs".D8s VrrI/43273-286. 95 ú¿lngcn ist (vgl. V. 22lV$8 hitp.). Vr'cnn Gott nach Ps. lxxxii I in der Göttcwcrsammlung aufsreh! und sich zur Klagc gcgcn die ilbrigcn Göttcr hinstellt, unterstreicht N.sB ni. bewusstes, energlsches Aufrre- t"n.5o) methodologischer G¡undsatz r.¡n.55) Zur Deutung der d¡itten Amos-Vision könnte nun m.E. eine in La¡sa gefundene altbabylonische Terrakottaplakette56), die heute im Louwe aufbewahrt wird, einen wichtigen ikonographischen Fingerzeig geben.sT¡ Die in einer Fonn gepresste, teilweise stark abgegriffene Reliefdeko¡ation der Plakette 1sa¡ zeigt eine nach rechts ausschreitende lciegerische Göttin, mit Schlitzrock, Schal und gedrehtem Gürtel sowie offenbar einer Breit¡ândkappe bekleidet, über eine¡ du¡ch zinnenbewehrte Türme und Maue¡n mit einem Torbogen dargestellten Stadt. Die Göttin hält in der gewinkelt nach vorn gestreckten Linken sowie in der herabhängenden Rechten je einen "Stab, Bekrönungen nicht mehr vorhanden"59), m.E. eher'Waffen, von denen die vorn erhobene allerdings nicht meh¡ mit Sicherheit identifiziert werden kann60), während es sich bei der hinten herabhängenden um das K¡ummschwert handeln dürfte, das für diese kriegerische Göttin so typisch ist.61) Die Göttin tritt mit dem rechten Fuss auf einen auf dem Rücken liegenden, nackten(?) Feind, der mit einem Arm sein Cesicht zu schützen sucht; rechts davon ist vielleicht ein allerdings auch auf dem Original kaum mehr sichtba¡e¡ zweiter fliehender oder fallender Feind dargestellt62), gegen den die Cöttin dann mit dem e¡hobenen linken Fuss treten würde. Hinter ihr, ebenfalls über der Stadt dargestellt, ein nach rechts sch¡eitender Mann, der mit beiden Händen ein Göttersymbol63) oder eine weitere Waffe (Doppelstab mit zwei Kugeln, vielleicht eine Art Doppelaxt) trägt. ØbA. Manchmal kann /V$8 (aJlerdings hitp.) in militå¡isch-kriegerischem Sinne verwendct werden und dann verstehen und jeweils mit "standhaltcn vor', ilbersetzen (vgl. Ijob von/VgB ni. mit .¿/ in Am, vii 7 schon weit entfemt. xlti2i 2 Chr, xx 6); doch sind wir hier So wird man nþdå in Am. ehesten als "energisch herren und das Ausgangsbild der ". ..der Herr, (herrscherlich aufgerichtet) stehend auf eìner (Stadt- bzw. Festungs-)Mauer aus Zinn, (und) in seine¡ Hand Zinn." Die These, dass der Herr als Verteidiger auf der Mauer stehe, kann sich jedenfalls nicht auf philologisch-syntaktische Argumente berufen. Dagegen eröffnet sich als alte¡native Interpretation, dass schon das Ausgangsbild Bedrohung, Angriff bzw. Eroberung implizie¡t, den Her¡n herrscherlich-machtvoll übe¡ de¡ Mauei stehènd und damit diesJals s¿i- Die Darstellung zeigt eine Variante des Motivs der lciegerischen Göttin, die bisher ohne Pa¡allele geblieben ist. Würde die Stadtdarstellung, für sich allein genommen, Schutz und Sicherheit ausdrücken64), so potenziert sie hier als bezwungene Festung in der Unterordnung nnter die kriegerische Göttin deren offensive, aggressive, siegreiche Müchtigkeit. Man könnte hic¡zu cincn Text hcranziehen, der in gewisscr Weise mit der dritten Amos-Vision vc¡wandt ist, insofcrn auch er eine Gotthsit die Solidarität mit dcm eigenr:n Vt.rlk au[ì<,tlruJurr urul kriegcrisclr gegen dic eigene Stadt handeln lässt. DieZ.60-65 der Komposition "Fluch gegen Alkade" schildem, wie die Görün Inanna gcgcn ihre Stâdt Akkadc wic "gegen einen, der ihr zum Feind geworden war", kriegeri- 55¡ Vgl. obcn Anm.26 unrl 42. 56) A. Pa¡rot, Sarrer (Münchcn 2tgøz),zgt Abb. 358 C; Beschreibung auch bci R. Opificius, Das altbabylonische Terrakottarelief (Bcrlin 1961), 68f Nr. 19.2á; zur Daticrung ebd. 71. Das Stück fchlt bci M,-Th. Barclct, F Ì.gurìnes el reliefs en terre cuíte de la Mésopotamie antique @aris 1968); vgl. aber dcn Ieast - Kommcntâr zur "dócssc gucrriòre'' ebd. 314f. de¡ in V. 8b gebotenen Deutung des Visionsbildes. a. "Bei der Bilder als Au sollte dem Ex rfahrungen bleten sich, weit inehr als Begriffe, sformen an."54) Was für den Visionär gii, das ch re¡schriftete) Vision zu verstehen suiht, ein 50¡ Ausser Bctrach¡ blciben hier Stellen, an denen /V58 ni. "verehrendes Sich-Hinstellcn" als Kultakt meint; vgl. dazu D.R. Ap-Thomas, "Notes on some Terms Relating to prayer", 6 (lgs6) 225-241, bes.227Í. w 51) AaO. (Anm.43) 557f. 52) zur damitbczeichneten Sache vgl. A.H. hyard, .4 second series of rhe Monuments of Nineveh... From Drawings Mad.e on the Spot..., London 1853, pl. 50 = Uehlinger, aaO. (Anm. 14) 174 Abb. l5l 53¡ Vgl. dazu Reindl, aaO. (Anm.43) 562f. 54) Beyerlin, aao. (Anm. l) 32, im Anschluss an E. Benz, Die visíon. Erfahrungsformen und BilderÌ¿1, (Stuttgart 1969), 3 ßfn.41 5ff . 96 57) Dass zwischcn dcm Bildbclcg und unserem Text ein auch nur einigermassen gcradlinigcr traditionsgeschichLlichcr Zusammcnhang besteht, ist allo¡dings kaum anzunchmcni daIür ist dic zcitliche wie geographischc DisLanz, wclchc dic bcidcn Dokumcntc voncinandcr trcnnt, doch bclrächdich. Ausscrdcm ist die Dckorat.ion dcr Plakctte, was dic gesamte Bildkonstellation bckifft, m.Vr', ohnc Pa¡allclc (also wie auch die dritte Amos-Vision eine Art hapax), wenngleich die einzelnen Bildclemente, isolicrt bet¡achLct, aufgrund von Parallclcn idcnLifizicrba¡ sind. 58¡ Fi.lr dic Anfc.tigung dcr Umzeichnung nach der bei PaÍot (Anm. 56) vcröffenLlichten Photographie danke ich meìner Kollegin H, Keel-Leu. 59¡ So Opificius, aaO. (Anm. 56) 68. 60¡ Vgl. die kriegerische cöuin mit Ax(?) bei Banelet, aâO. (Anm. 56) Nr. 5't5,791,'192. 61¡ vgt. ebo. Nr. 623, 650, 791,792; Opifìcius, aaO. (Anm. 56) 69 Nr. 194, 195,197; E.D. van Buren, Clay Figurines of Babylonia and Assyria (New Haven/Conn. 1930), Nr. 462 (Fi g. 129),46 Fis. l3l). Vgl. zur kriegerischen Göttin auch U. Winter, F¡¿r¡ und Göltin (Freiburg Schweiz und Göttingen 1983), bes. 217-221. ' 62¡ yon Opificius, aaO. (Anm. 56) 69 offenbar übersehen. 63¡ so opificius, ebd. 64¡ Uehlingcr, aaO. (Anm. 14) 153-170. 97 schc Gewalt ausflbt.65) Das Poslskripr dcr Komposition (2,Zï3.'Dafilr, dass Akkâde vemichret wordcn ist, sci Inanna P¡cis!") zeigt, dass dieses Einschreiten Inannas gegen die eigene SLadt Gegcnst-crnd hymnisch formulicrter Frömmigkeit geworden ist, was die Entstchung des ikonographischen Motivs dcr gcgen einc Stâdt kämpfendcn kicgerischen Göttin mitb€einflusst haben dürfte und seine Verwendung im Bereich der 'pcrsönlichen Frömmigkeif (terrakottaplakette) erklåren kânn.66) In dcn Bcrcich dcr'persönlichen Frömmigkeit'dÍlrfle neben der Bildträgergattung auch dcr Standanenodcr 'Vy'affenfJgcr auf dcr Darsællung selbst weisen, mit dem sich dcr Besitzer der Plakette und Vc¡ch¡cr der kriegerischen Göttin identifizicren konnte. Nur am Rande sei da¡auf hingewiesen, dass das hicr zu beobachtendc solida¡ische Ncbeneinandcr von kriegerischer Gottheit und menschlichcm Adjutanten auch der Formulicrung von Ps. xviii 30 zugrundeliegt ("Mit dir erstürme ich \¡r'älle, mir meinem Gott übcrspringe ich Maucm!"). Für den Vergleich der Reliefda¡stellung auf der TeÍakottaplakette mit dem Ausgangsbild de¡ Vision Am vii 7 ist entscheidend, dass hie¡ (wie m.E. dort) eine Gotrheir auf einer Stadtmauer, mit Waffen in de¡ Hand vnd gegen diese Stadt mit Waffengewalt handelnd dargestellt ist. Die Göttin aufder Plakette schreitet zwar, während der Herr aufder Zinnmauer stehend erschaut wird. lætzteres dürfte jedoch gattungsbedingt sein:.immerhin handelt es sich bei Am. vii 7 um eine Vision, und Visionen haben eine Tendenz zu statischer Darstellung des Geschauten (vgl. das gattungstypische Srruktursignal v,Éhínnêh mit folgendem Partizip und die Tendenz zu Nominalsätzen!). Desgleichen kann eine weitere Diffe¡enz in der Da¡stellung, nämlich dass die lciegerische Göttin gleichzeitig als Herrin über der Stadt und im Kampf gegen menschliche Feinde gezeigt ist, \pogegen der in der Vision geschâute Herr nur über der Stadt(mauer) steht, aufgrund der verschiedenen Gattung der Dokumente erklä¡t werden. Geraffte Darstellung ist typisch für Visione4, zumal für diejenigen des Amos. Wo ein Relief detaillierter auch Einzelheiten ins Bild zu setzen verrnag, konzentriert sich eine Vision auf die Darstellung nur eines oder weniger Biidelemente bzw. auf die Skizzierung der wesentlichen Konstellation.6T) 'Wir können hier einen Gedanken Beyerlins noch einmal aufnehmen, wonach die Mauer in de¡ dritten Amos-Vision geradezu als Postament Cottes erscheine.6S) Wie wir gesehen haben, lässt sich diese Deutung philologisch nicht rechtfertigen, da nipçdb .a/ nie in bezug auf das Stehen eine¡ Gottheit auf einem Postament verwendet wi¡d. Auch auf der altbabylonischen Terrakottaplakette lässt sich die Stadtmauer kaum als eigentliches Postament de¡ kriegerischen Göttin deuten: dagegen spricht insbesondere die Tatsache, dass der'Waffenträger (und Verehrer?) hinter der Göttin ebenfalls über der Mauer dargestellt ist. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass eine Interpretation der Maue¡ als Postament Gottes unsere Deutung, wonach die þômat'andk schon im Ausgangsbild der Vision als in der Gewalt des Her¡n stehend geschaut \ryird, nur bestätigen würde, handelt es sich doch bei dieser 65¡ A. Falkenstein, "Fluch flber Akk ade", ZA 57 (1965) 43-t24,bcs. 53.67.88; J.S. Coopcr, The Curse of Agade (Baltimore-London 1983), bes. 52f.241 (die Behauptung, dass hier "no quesrion of Inanna Iighting Agadc" sei, entbehrtjeder Begründung); vgl. P, Attinger, "Remarques à propos dc la malédiction d'Accqd"', ÀA 78 (1984) 99-121, bcs. l0l und I 12; leicht greitbar die Überserzung von S.N. K¡amer in ANET3 646-65t, hier 648. 66¡ Vgl. zur Überlieferungsgeschichte der Komposition "Fluch über Akkade'J,-J. Glassner,La chute d'Agadé. L'événenent et sa ménoire @crlin 1986). 67) Von Beyerlin, aaO. (Anm. 1) 33, dahingchend formuliet, "dass einem Menschcn in dcr Vision dæ visuelle Unte¡schcidungsvermögcn verloren gehen kann" (im Anschluss an BENZ, aao. tAnm.54l 315). Ich ziche dem eine Erklärung dcr Bildralfung als Gattungsmerkmal vor, Dcnn immerhin wi¡d unscre Vision wie vicle andercmit hir)anî engcleiæt und gehört zur Semantik von hebr. R,H die Zeugnisfunktion: wasdieProphctcn gesehenhaben,dasbczeugensieimYisionsbericht-unddakommtcsdochwcscntlich darauf an, genau und richtig geschen zu habcn. Siche auch unten Abschnitt 4l 68¡ Vgl. das ZiLat am Anfang dieses Abschnirs! 98 Mauer nicht etvr'a um ein Attribut wie im Falle der Stierbilder, sondern um das unter den Füssen des_Her¡¡69) dargestellte Objekt seiner Herrschaft.T0) b. Der Visionsbericht Am. vii 7-8 scheint in gewissen Details bewusst doppeldeutig zu formnlieren: ein Beispiel dafü¡ ist m.E. die Mehrdeutigkeit von ûbeiãdô'anãk in Y . 7b. Sie wird zunâchst einmal, wie Brunet, Holladay und Beyerlin vorschlagen, dahingehend zu deuten sein, dass der auf der Mauer stehende Herr "in seiner Hand Zinn", und d.h. 'Waffen hält. Zinn in Gottes Hand ist "Andeutung enormer Waffengewalt, der Menschen nicht standhalten können".71) Daneben bleibtjedoch eine zweite Deutung durchaus offen, wenn nicht gleich naheliegend, so doch damit einher gehend und nicht zu übersehen: Eben jenes Material, woraus die Mauer besteht und das metaphorisch die besondere Ståirke der Mauer bezeichnet, findet sich in der Hand, und d.h. der Gewalt, des Herrn. ûbeiddô betont vorangesetzt: die Mauerfestung steht trotz all der ihr eigenen Mächtigkeit ii seiner Hand! V. 7b erweitert also nicht nur das Ausgangsbild der Vision um ein (wichtiges) Detail, sondern interpretiert offenbar zugleich die Bildkonstellation des "Herm über der Mauer": Eben dieses Zinn, aus dem die mtichtige Maue¡ besteht, ist in der Hand des Henn. Will man die Metaphorìk auf die gemeinte Sache reduzieren: die Macht der Mauer ist der Gewalt des Her¡n unterworfen. Nicht erst die Deutungen im Wort von V. 8 und 9, schon die Fo¡mulierung des Ausgangsbildes de¡ Vision in V. 7 bringt dies unmissverständlich zum Ausd¡uck, c. In einem besonde¡s anregenden Kapitel seiner Studie versucht Beyerlin seine Interpretation der dritten Amos-Vision an deren litera¡ischem Kontext zu überprüfen bzw. zu bewährén. E¡ erkennt die von ihm in Am. vii 7-8 angenommene dramatische Umkehrung von tradir.ionelle¡ Glaubenshoffnung und bestürzender Elnsicht in Gottes Gericht auch in de¡ vierten Vision (viii 1-2), aber auch in der "Konversion des Konzepts vom JahweTag" in v 18-20, im Pa¡adox der Restvorstellung iii 12, in der Dialektik von Erwählung und Heimsuchung in iii 2 wie in der nach den F¡emdvölkersprüchen plötzlich gegen Israel gerichteten Bedrohung ii 6ff wieder. Immer vollzieht sich nach Beyerlin dieselbe Kehrtwendung von der Solidarität JtIWHs mit Israel zur unmissverständlichen Angriffsund VernichtungserklZirung,T2) Demgegenüber muSs jedoch betont werden, dass, wenn vom Kontext der dritten Amos-Vision die Rede sein soll, sich zunächst ein Blick auf die beiden vorangehenden, 69¡ Vgl. ,ur damit verbundenen Herrschaftssymbolik O. Keel, "symbolik des Fusses im Alten Tcstrment und sciner Umwclt", Orthopödische Praxis (Uelzen/BRD) l8|/ (1982) 530-538. ?0¡ Vgl. daru schon in frilher Zeit die St¿tuenbasis Mani5tusus von Akkade (ca. 2274'2260), wclche auf dcm Rücken liegende, nackte, bezwungene Feinde zeigt @, Amict, "Les slàtuês de Manishtusu, roi d'Agadó", R,4 66 U9'12) 97-109, bes. 105 Fig. 7), sowie die Slâtuenbasis Ur-Ningirsus von Ur (ca. 2lZ2119), auf wclchcr kniende Gabenträger dem König in Körbcn die Früchte des Landcs zutragcn (PaÍot, aaO. [Anm. 56] 2 l8f Abb. 268f), Worauf der König stehr oder th¡ont, da¡übcr hcnscht er. Dicsclbe räumlichc Logik licgr noch den Darstcllungen aufder Thronbasis Salmanassars III. (858-824) aus dcm étal mãlari voî Kâlb u/Nimrüd (M.E.L. Mallowan , Nimrud ond its Remaíns, Vol. II lLondon 2ß75), 444' 450 mit Figs. 369-371; dazu zuletzt M.I. Marcus, "Gcography æ an Organizing Principle in thc Impcrial tur of Shalmancser III", Iraq 49 u9871 ?7-90, bcs. 84-87) und den achaimenidischen Königsdarstcllungcn (dazu zusammenfassend M.C. Root,The King and Kingship ín Achoemenid Arl ltæidcn 1979], bcs. l3ll6l {"HierarchicaI Ordcr: The King on High"]) zugrunde. 71) Beyerlin, aaO. (Anm. 't\Ebd.49_s3. l) 35. gg und beide auf die zwei vorhergegangenen Visionen verweisenTs), für eine relative Korrespondenz de¡ beiden Elemente. "Her¡ JFIWH iden vorangeh ig die unauflö Dann abe¡ muss doch auffallen, dass die Bilder der beiden ersten Visionen unmissve¡st¿indlich als D¡ohbilder zu erkennen sind, denen stereotype Fluchzeiworstellungen (Heuschreckenplage und Ernteb¡and?s) zugrundeliegen. Und es legt sich von daher nahe, das Ausgangsbild der dritten Vision auf derselben Linie ebenfalls ats Drohbild zu versrehen. Natü¡lich gibt es, vergleicht man die ersten beiden mit der d¡itten Vision, eine "úefeZâsur"76. Diese liegt jedoch nicht auf der Ebene des visionÈir geschauten Bildes. Die Zäsur liegt ganz am Ende des dritten Visionsberichts und wird dadu¡ch ausd¡ücklich gemacht, dass JHWH dieses d¡ine D¡ohbiid nun nicht mehr zurückzunehmen bereit ist, sonde¡n dass er es, im Gegenteil, mit de¡ vierten Vision viii 1-3 ausd¡ücklich besr¿itigen wird. Daraus folgt, dass die beiden Deutungssätze von V. 8b st¡ukturell nicht auf derselben Ebene liegen: 8ba interpretiert das visionåi¡ geschaute Bild, 8bB erläutert den Sinn der ganzen Vision im weiteren Kontext der D¡ei-Visionen-Reihe. Damit bestätigt sich aber unsere Deutung des Ausgangsbildes als eines Drohbildes: "Siehe, ich gebe Zinn mitten in Israel hinein..." ist als Schilderung eines kriegerischen Angrilfs, Sottgewolher Invasion gegen Israel nichts anderes als die (nun sttirker handlungsorientierte) Erlöuterung dessen, was Amos zuvor als "Herr auf eíner Zinnmauer, in seíner Hand Zinn" statisch-ikonisch als B íld wahr g e nommen hatte, Die vorstehenden Ùberlegungen suchten nachzuweisen, dass die Bildkonstellation "Hen auf einer Zinnmauer" in der d¡itten Amos-Vision nicht als Darstellung eines Wachpostens oder Verteidigers, sondern als bildtypische Darstellung von göttlich-feindlicher Übermaöht versranden we¡den sollte.?9) Trifft diese Deutung die in Am. vii 7 gemeinte Sache, dânn handelt es sich beim visionär geschauten Bild des Gottes auf der Maue¡ von allem Anfang um ein Drohbild. Hier ist kein Platz für falsche Sicherheit! Der Herr steht auf der mäch-tigen Mauer und demonstriert gerade dadurch seine Üáermacht. Die Mauer und mit ihr die von ihr geschützten Menschen sind de¡ Gewalt JFIWHs ausgeliefert. d. Ve¡sucht man, aufgrund von Snuktursignalen den Aufbau des Visionsberichtes zu erheben, so ergibt sich folgendes Schema: A. 'rn¡¡ ¡> B. ...')'tN ¡'i)¡l Ç. ,,,ilìi'l' lDñ'ì C'. ...ìÞrìì B'. ...'))il r)lN ìtitl,1 A'. ...11¡, 1'orx trÞ Einleitung des Visionsberichtes Ausgangsbild 7aa Frage nach dem Gesehenen Antwort des Sehers Deutung des Bildes Bedeutung der ganzen Vision 8aa 7aîb \aP 8ba 8bp Der Visionsbericht ist konzentrisch aufgebaut; je zwei Strukturelemente sind aufeinander bezogen. Dies ist im Falle von C/C'evident. Im Falle von BÆ' sind die beiden Suukturelemente durch die chiastische Seqrcnz (ttÊ)hínneh'adondj.. .(wajjomòr) >adandj hinnenî aufeinander bezogen; beim Sprechenden von V. 8b¿ handelt es sich, genau besehen, um den Herrn auf der Zinnmauer, der das Ausgangsbild der Vision bzw. seine Funktion auf der Maue¡ selbst deutet.7?) Für A/A'ist ein expliziter Bezug nicht gegeben, doch spricht die Tatsache, dass die beiden Elemente die einzigen ausserhalb der Vision situierten sind 73) Das MoLiv kann hier nicht weiter vcrfolgt werden; vgl. J. Jercmias, D ie Reue Goues (Neukirchen- Vluyn 1975), zu Am vii bes. 4048. ?4) Von eincr glcichen Einleirung wie in vii 1.4 kann deshalb keine Rede sein (gegen Beyerlin, aaO. [Anm. l] 49)! Es versæht sich, dass dic hicr vorgeschlagene Deutung am llberlieferten Text festhält und die EinlciLung nicht mit derjcn¡gcn in vii I und 4 harmonisiert, 75¡ Vgl. Wotff, aaO. (Anm. 2) 342-3461H. rfr'cippert, 'Amos. Seine Bildcr und ihr Milicu" , Beirrdge zur prophelischen Bildsprache in Israel und Assyrien, Freiburg Schwciz und GÖttingen 1985, l-29, bcs. 23f. 76) Beycrlin, aaO. (Anm. l) 49. 77¡ Dic Kommentatorgn i¡bcrsehcn in dcr Regel diese Korrespondenz, wcil sic entwedcr den,ado^dj schon im Rahmcn der Textkritik überhaupt ausgeschieden oder ihn im Anschluss an LXX zu einem einfachcn "Mann" degradiert haben. Nur so können sie dann auch behaupten, JII}VH wf.lrde in der Vision nicht selbst erscheinen, sondern diese nur von aussen deuten. Dass mit dem údond¡ JHWH gemeint ist, geht aus der Redeseguanz wajjomör JHWH...wd'omar.,.wajjomlir fldonaj hervor: der Titel "Hen" uitt an die Stelle des Gottesnamens JHWH, die Rede schliesst unmittelba¡ an den vorangehenden Dialog an, 1æ D ie Ambivalenz von 3 . "Zinn" Wir sind bisher im Anschluss an Brunet, Holladay und Beyerlin immer davon ausgegangel, dass die metaphorisch-symbolische Bedeutung von "Zinn" aufgrund der Unerlässlichkeit dieses Metalls für die P¡oduktion von Vy'affen aus Bronze im Bereich von Härte, militärischer'Waffengewait und Rüstungsmacht liege. Diese Bedeutung wird zum einen durch die de¡ Worwerbindung "Mauer aus Zinn" parallelen Wendungen "Mauer aus B¡onze" uhd "Mauer aus Eisen" gestützt8o), zum andern durch den belegbaren'Ruf des Zinns, als dasjenige Metall, dem bei der Legierung der Bronze die eigentlich härte¡de Vy'irkung zukommi, geradezu der Sitz der Maòht, Kraft und H?i¡te von Vy'affen zu seinsl). Dass in metaphorisch-symbolischem Kontext dieser 'Ruf und nicht die physikalisch genau entgegengesetzte Tatsache, dass Zinn ein besonders weiches Metall ist, den Ausschlag geben muss, liegt auf de¡ Hand. Dennoch will ich es nicht unterlassen, hier auf einen neuassyrischen Text hinweisen, der gerade die Weichheit und Unbestãndigkeit des Zinns zum Gegenstand symbolischer Assoziation nimmt. Es handelt sich um eine Fluchpassage aus einem Vasallit¿itsverFag Esarhaddonss2): 78¡ Siehe obcn Abschnitt 2c. ?9¡ Vgl. auch die Darslellungcn auf ncuassyrischen Palaskclicfs, wclche crobcmdc assyrlschc Soldatcn mit ih¡en Walfcn bereits auf den Mauern eincr erstürmten feindlichen Stadt zeigcn. Dicse Darsl.cllungcn bleiben hier ausser Betracht, da die Bildkonstellation gegenüber derjcnigcn von Am. vii 7-8 wcscntlich komplcxer ist. Auch ihr liegtjedoch der Gedanke unlibcrwindlicher Sicgcrmacht zugrunde. 80¡ Siche obcn Abschnitt 8l) Vgl. Beycrlin, l. aaO. (Anm. 1) 28-31. 82) VTE 534-536: D.J. \üiscman, The Vassal-Treaties oJ Esarhaddon (London 1958), 69f; K. Watana- Die adê-Vereidigung anlösslich der Thronfolgeregelung Asarhaddons (Bcrlin 198?), 123,168î,199, Vgl. die Ûbersctzungcn von E. Reincr in ANETa 539b und R. Borgcr íTTUAT If2 l73.Die Ergänzung ba, 101 534 kt Sa annaku (AN.NA) ína pãn(e) íÍãti lã ízzazzúní "Wie Zinn sich dem Feuer nicht entgegenzustellen vermag, 535 attunuínapãn(ë)lúnak(i)rlkunu\3 flãtlazzazzdmar'êkunu 536 mar'ãte-kunuqãtekunuflã?tlasabbatA 4.ZumVerhtiltnis von Bild undWort so sollt ihr vo¡ eu¡em Feind nicht bestehen. Eu¡e Söhne (und) eure Törchter we¡der ihr (nicht?) in eure Hände nehmen (um zu fliehen?)!" Soweit ich sehe, ist ein Zusammenhang zwischen dieser Fluchfolgeschilderung und der d¡itten Amos-Vision noch nie erwogen worden. Der Text ist m.E. jedoch in mehrfacher Hinsicht für das Verständnis vori Am. vii 7-8 interessant: Erstens gehört er unte¡ den vielen Belegen für akk. an(n)aku zu denjenigen, die dem Amostext zeitlich am nächsten stehen. Zweitens spricht er wie de¡ Amostext von Zinn in Verbindung mit kriegerischer Cewalt. Drittens spricht er von Feuer und erinnert damit an die Drohung de¡ zweiten Amos-Vision, wenngleich dort vom Versengen der Felde¡ die Rede ist; der Parallelisierung von Feuer und Feind im assyrischen Text entspricht der Pa¡allelismus der zweiren und dritten Amos-Vision. Viertens verwendet er für "sich entgegenstellen, aufrichten" das Verbum izuzzu, das als semantisches Äquivalent von hebr. N$B anzusprechen ist (ízuzzu bezeichnet im Vertragstext allerdings Verteidigung und Vy'iderstand, wäh¡end wir oben diese Bedeutungfür niç1ãb.¿/ in Am. vii 7 gerade ausgeschlossen haben). Und schliesslich geht es bei der von Amos geschauten Kriegsgefahrja gerade um eine Israel seitens der Assyrer drohende Invasion. "Zinn" steht in VTE 534-536 für die hilflosen Verteidiger: Stellt man den Texr neben Am vii 7-8, muss man sich fragen, ob die "Mauer aus Zinn" wirklich so unbezwingbar sein kann, wie sie aufden ersten Blick e¡scheint. Die assyrische Fluchdrohung zeigtjedenfalls, dass damals mit "Zinn" nicht nur H?ine, Kraft und Stä¡ke assoliie¡t wurden, sonde¡n gerade auch Schwäche, aussichtslose Verteidigung. Die Metapher "Zinn" ist, für sich allein genommen, also du¡chaus ambivalent, und erst der Konteit entscheidet jeweils, ob sie für Hârte, Waffengewalt und Macht oder im Gegenteil für besonde¡e Schwäche und WiderstandsunfÌihigkeit steht. Im Ausgangsbild der dritten Amos-Vision scheint mir mit der Verbindung von Zinn und Mauer zunächst die e¡stere Bedeutung vorausgesetzt zu sein. Doch macht sich eine gewisse Ambivalenz bereits in derFormulierunEûbejddôtondk bemerkbarsa), und sie ist dort nahezu unausweichlich gegeben, wo Amos auf die Frage JFIWHs ("Was siehst du?") nnr gerade "Zinn" zu antworten, aber - im Gegensatz zur ersten und zwei[en Vision JFIWH nicht mehr um Mitleid und Gnade zu bitten vermag. In der Tat: Sieht Amos nu¡ Zinn, so vereinigen sich ín diesem eínen BildMacht und Stä¡ke der selbstsiche¡en Oberschicht Israels mit der d¡ohenden Perspektive, der übermächtigen Gewalt, die JFIWH gegen Israel in Gang bringen und mit der e¡ Israel unterwerfen wird, machtlos ausgeliefert zu sern85¡ Vgl. obcn bci Anm. 14-15, Dics erinncrt natürlich an verglcichbarc, mit dcr Unbczwingbarkcit dcs Dass cs cine solchc TradiLion Zions vcrbunricnc Vorstollungcn im Rahmcn dcr Je¡usalcmcr Kultt¡adition' ailerdingsauchimNordrcichgegcbcnhat,istnichtausgcschlosscn'darfabcrm.E.nichtcinfachvorausgesclzt wcrdon. 86) Beyerlin, aaO. (Ànm. l) 47' ld in Z. 536 wird nu¡ von \Vaønabe konjiziert (aaO. 199: "d.h. dic [klcincn] Kinder blcibcn bci dcr übc¡stü¡zten Flucht ihrcr VäterÆltcm schutzlos zurück"). 83) Vgl. schon R. Borger, "Zu den Asarhaddon-Vcrträgen aus Nimrud", 7A 54 (t961) 173-196, hier r92. 84¡ Siehc obcn Abschnitt 2b. 1c'2 88¡ Uehlinger, aaO. (Anm. 14) bcs. 188-190. 1O3 Die alttestamentlichen prophetischen Visionen nehmen im Gesamt der prophetischen Verkündigung eine zu wichtige Rolle ein, als dass man ih¡e Inhalte gegenüber dem 'Eigentlichen'prophetischer Wortbotschaft einfach als "herkömmliche Glaubensgewiss- heit" oder "traditionell Geglaubtes" abheben und theologisch - etwa aufgrund des Voru¡teils, dass der Glaube nurvom Hören komme (vgl. Röm. 10,17; anders Ijob 42,5) - disqualifizieren dü¡fte. "Das Ohr zum Hören, das Auþe zum Sehen: beíde hat I[{WH gemacht" (Spr. xx 12)! Wer etwas "sieht", ist Zeuges9), und etwas "gesehen" zu haben, ist dem alttestamentlichen Menschen ein K¡iterium von Realitlit und Glaubwürdigkei¡ro). Visionäre sind Zeugen (vgl. Jes. xiv 9), und ihre Visionen enthalten Erfahnrngen, welche die Wortbotschaft authentifizieren und ein lcitisches Argument einsichtig (vgl. Spr. xxiv 32) machen können. 89; Vgt. Gcn. xxxi 12; xlv 12f; Ex. xix Ps. xxxv 22i Spr. xxv 7f u.ö. bis zu Joh iii 4i xx22; Drn. iii 2l; iv 3; v 1 l; xix 35; I 90¡ Vgl, Gcn. xxvi 28; xxxix 3; Num. xxiv l; Joh. i 241 xxi ?; xxix 2; l-31 2 Chr. xxiv 22iler. xxxií24 u.ö. o ) (-/ I \ Abb. I : Kiegeische Göftin auf ei¡er Stadtmauer; altbabylonische Tonplakene aus 1c4 ìi \ rl nl¡rl [1i Jos. xxiv 7i