Es erfordert keine therapeutische Kunst, um Widerstand zu erkennen. Jeder, der mit Menschen über den Klimawandel gesprochen hat, die vom Klimawandel nichts hören wollen, kennt das: "Ja, aber ich kann diesen Kult um Greta Thunberg nicht leiden." – "Ja, aber die großen Konzerne lieben den Klimawandel. In jedem Werbespot kommt der Klimawandel vor, und ich bin gegen die großen Konzerne." – "Ja, aber die Klimabewegung wird uns am Ende in eine ökosozialistische Diktatur führen." – "Ja, aber die Menschheit ist sowieso dem Untergang geweiht." – "Ja, aber wir haben so viele andere Probleme. Einwanderung, Plastikmüll, Gesundheitsvorsorge." (Irgendwann war es dann die Pandemie, jetzt ist es der Krieg.) – "Ja, aber die Menschen sind einfach keine moralischen und rationalen Wesen, sie sind immer nur an ihren momentanen Bedürfnissen interessiert." – "Ja, aber die Wissenschaft hat sich schon häufig geirrt." – "Ja, aber die Natur reguliert sich selbst, irgendeine Katastrophe wird sowieso einen Großteil der Menschheit auslöschen." – "Ja, aber die Dinge werden meistens übertrieben. Ist der Wald gestorben?" – "Ja, aber die Chinesen stoßen noch viel mehr CO₂ aus." – "Ja, aber in Wahrheit steuern Gretas Eltern alles, sie machen mit Greta jede Menge Geld." 

Die Frage ist: Warum löst der Kampf gegen den Klimawandel derartige Widerstände aus, wie ich sie als Klimaaktivist seit drei Jahren in vielen Gesprächen mit klugen und politisch denkenden Menschen gehört habe und wie ich sie hier aus nur einem einstündigen Gespräch mitgeschrieben habe? Und: Wie können wir diese Widerstände überwinden?  

Noch immer ist unter Klimaaktivisten und Klimaforschern verbreitet, was ich die Aufklärungsillusion nennen möchte. Viele scheinen zu glauben, der Kampf gegen den Klimawandel werde in der Debatte um den Klimawandel gewonnen. Mit Klimafakten und Klimaargumenten. Ein Klima-Tweet reiht sich an den nächsten. Ein nicht endender Strom von Artikeln und Studien, Schaubildern und Memes, Videos und Podcasts fließt von den Überzeugten – zu den Überzeugten. 

Klimakrise - Wie extrem wird das Wetter noch? Hitzewellen, Dürre und Fluten nach Starkregen – was wir in den letzten Jahren erlebt haben, ist erst der Anfang der Klimakrise. Dieses Video erklärt, was uns bevorsteht. © Foto: ZEIT ONLINE

Doch wer bis heute taub ist für die Ergebnisse der Forschung, hat seine Gründe. Es macht ihn nicht hellhörig, wenn man ständig dasselbe sagt. 

Die amerikanische Soziologin Zeynep Tüfekçi schreibt: "Zugehörigkeit ist stärker als Fakten." Man könnte auch sagen: Nichtzugehörigkeit ist stärker als Fakten. Löst eine politische Gruppe in uns Gefühle der Fremdheit und Distanz, der Angst und Abwehr aus, sind wir nicht empfänglich für ihre Anliegen und Botschaften. 

Was wir uns am heutigen 25. März, dem Tag des weltweiten Klimastreiks, eingestehen müssen: Viele Menschen sind offensichtlich nicht empfänglich für die Botschaft von uns Engagierten und Protestierenden. Nicht empfänglich für die Botschaft der ökologisch ausgerichteten Parteien. Nicht empfänglich für die gesellschaftliche Linke überhaupt, aus der bisher eine große Mehrheit aller Klima- und Umweltinitiativen hervorgehen. Das zunehmende Katastrophenbewusstsein setzt sich in der Regel kaum um in Unterstützung für die politischen Akteure, die den Ernst der Lage erkennen. 

Als ich mich vor drei Jahren der Klimabewegung in Stockholm anschloss, blieb ich zugleich Beobachtender. Vor langer Zeit war ich Teil der radikalen Linken; dann hatte ich mich von Ideologie und Methoden meiner Mitstreiter entfernt, hatte alle Gruppen verlassen und war – als Redakteur des Forschungsjournals Neue Soziale Bewegungen – auf die Seite der Wissenschaft, der Beobachtung und Analyse gewechselt. 

Auf den Straßen von Stockholm, nach fast fünfundzwanzig Jahren politischer Abstinenz, blieb ich skeptisch, ob die neue Bewegung Abstand zu den alten Bewegungen wahren würde. Zu den alten (und neuen) ideologischen Fallen der radikalen Linken. Würde die Bewegung sich weiterhin allein auf die Wissenschaft berufen? Oder würde sie sich ideologisieren und so ihre Reichweite – und ihre Aussicht, auf die Politik einzuwirken – stark reduzieren? 

Ich war auch deshalb in Sorge, weil ich wusste, dass jede neue Bewegung mit der Versuchung der Low Hanging Fruits konfrontiert ist. 

Welcher Bevölkerungsteil ist am leichtesten zu erreichen, nimmt am ehesten an Demonstrationen und spektakulären Aktionen teil, reagiert in sozialen Medien am stärksten mit Likes, Shares, Kommentaren? Im Fall einer Umweltbewegung, die immer auch gegen industrielle und damit "kapitalistische" Interessen gerichtet ist und "alternative" Lebensentwürfe nahelegt, ist die Low Hanging Fruit die radikale Linke. Dort ist schnell viel Unterstützung zu haben. Jedoch zu dem Preis, dass die Bewegung sich verwandelt, die höher hängenden Früchte – also die demokratischen Mehrheiten – schwerer und schwerer zu erreichen sind. 

Genau das ist eingetreten. 

Beginnen wir mit Slogans, die bei fast jeder Klimaaktion zu hören und zu lesen sind. "Uproot the System" und "System Change Not Climate Change".

Was ist mit Systemwechsel gemeint? Es wird zu oft nicht gesagt. Was wird ausgetauscht? Die parlamentarische Demokratie? Der Rechtsstaat? Soll die Marktwirtschaft durch Planwirtschaft ersetzt werden?

Man weiß es nicht.

Wie so oft sagt die radikale Phrase eher zu wenig als zu viel. Man drückt sich um gedankliche Arbeit. Menschen aus dem radikalen Spektrum hören es gern, wenn von Systemwechsel die Rede ist. Sie verlangen – fälschlicherweise – selten eine nähere Erklärung. Die meisten Menschen aber fürchten das – möglicherweise – Gemeinte.

Man stelle sich vor, SPD oder Grüne hätten vor der Bundestagswahl die Parole "Systemwechsel jetzt!" plakatiert. Natürlich wären die Stimmenverluste erheblich gewesen. Auch wenn gefordert wird, der "Kapitalismus" müsse weg, wird eher zu wenig gesagt als zu viel. Niemand kann ignorieren, dass bisher ausschließlich Diktaturen die unternehmerische und die Konsumentenfreiheit ersetzt haben. Ist das gemeint? Nein? Was dann?