Zunehmende Energiearmut: Anmerkungen zu der im bestehenden System überaus komplexen Aufgabe der Sicherung des „Energie-Existenzminimums“

»Schon seit Monaten steigen die die Verbraucherpreise in Deutschland, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Entwicklung noch zusätzlich verstärkt. Im März stiegen die Verbraucherpreise auf über sieben Prozent. Besonders hoch ist der Preisanstieg von Energieprodukten, die Haushaltsenergie verteuerte sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast um 40 Prozent. Aber auch Lebensmittel sind über sieben Prozent teurer. Besonders für Menschen, die sowieso schon in Armut leben müssen, bedeutet der Preisanstieg reale, existenzielle Not. Sie können weder auf Erspartes zurückgreifen noch Ausgaben einsparen, da sie sowieso nur Geld für das Notwendigste haben«, so Lisa Ecke unter der Überschrift Grundsicherung schrumpft. Aber die Bundesregierung hat doch bereits gehandelt? Richtig, auch darauf wird hingewiesen: „Während Erwerbstätige einen Energiekostenzuschlag von 300 Euro erhalten, bekommen Leistungsberechtigte in der Grundsicherung gerade einmal 200 Euro. Das wird in den wenigsten Fällen ausreichen, die ansteigenden Stromkosten aufzufangen.“ Mit diesen Worten wird Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband zitiert. Man muss der Vollständigkeit halber anmerken, dass es sich bei den genannten Beträgen um Einmalzahlungen handelt.

Sebastian Dullien, Katja Rietzler und Silke Tober vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) haben sich die Entlastungspakete der Bundesregierung bereits genauer angeschaut und sind zu diesem Befund gekommen:

»Angesichts der massiv gestiegenen Energiepreise hat die Bundesregierung innerhalb weniger Wochen zwei Entlastungspakete mit einem Gesamtvolumen von etwa 30 Mrd. Euro vorgelegt. Die Pakete beinhalten eine Erhöhung der Steuerfreibeträge, die Auszahlung einer Energiepreispauschale für Erwerbstätige sowie einen Familienzuschuss für Eltern mit Kindern ebenso wie eine vorübergehende Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe und die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage. Eine Analyse der Entlastungen für eine Reihe von typisierten Privathaushalten zeigt, dass Haushalte mit erwerbstätigen Erwachsenen über alle Einkommensgruppen spürbar entlastet werden. Die Entlastung ist dabei insgesamt sozial ausgewogen in dem Sinne, dass bei den Erwerbstätigen-Haushalten besonders jene mit geringen und mittleren Einkommen entlastet werden. Insbesondere bei Geringverdiener-Familien mit zwei Erwerbstätigen wird der überwiegende Teil der Mehrbelastungen durch teurere Energie kompensiert. Alleinlebende mit höheren Einkommen werden dagegen relativ zu den Belastungen weniger entlastet. Eine soziale Schieflage ist bei der Behandlung von Nichterwerbstätigen wie Rentnerinnen und Rentnern zu beobachten: Hier fällt die Entlastung auch bei Haushalten mit sehr niedrigem Einkommen äußerst gering aus.« (Dullien et al. 2022: Die Entlastungspakete der Bundesregierung. Sozial weitgehend ausgewogen, aber verbesserungsfähig. IMK Policy Brief Nr. 120, Düsseldorf: Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), April 2022).

Ein großes Problem ist auch, dass die Stromkosten nicht wie die Wohnungsmiete und die Heizkosten separat übernommen werden, sondern Grundsicherungsbeziehende diese aus ihrem Regelsatz zahlen müssen. Es komme zu Deckungslücken, die durch realitätsferne Warmwasserpauschalen weiter verschärft würden.

Und schon sind wir mittendrin im Grundsicherungssystem, das ja die Aufgabe hat, das soziokulturelle Existenzminimum in unserem Land zu sichern.

Dauerhaft 100 Euro mehr? In der Grundsicherung?

»Peter Renzel bedrückt die Teuerung bei Lebensmitteln und Energie. Empfänger von Grundsicherung und Bezieher kleiner Renten gehe die Luft aus.« Peter Renzel ist der Sozialdezernent der Ruhrgebietsstadt Essen. Aber er bleibt nicht stehen bei einer Diagnose und Beschreibung der Probleme, sondern er macht einen konkreten Lösungsvorschlag:

»Angesichts der Teuerung von Nahrungsmitteln, Strom und Heizenergie fordert der Essener Sozialdezernent Peter Renzel eine drastische und dauerhafte Erhöhung der Grundsicherung für Hartz IV-Empfänger, Bezieher niedriger Renten und Aufstocker. Auch eine Zahl schwebt Renzel vor: Rund 100 Euro mehr seien pro Monat nötig, um je zur Hälfte die höheren Preise bei Lebenshaltung und Energie zu kompensieren.«

Und er differenziert auch richtigerweise die auch hier genannte generelle Zweiteilung, dass Wohnungsmiete und Heizkosten separat übernommen werden, dies aber nicht für die Stromkosten gilt:

»Derzeit liegt der Regelsatz für Hartz IV-Empfänger bei 449 Euro pro Person und Monat. Während auch Haushaltsstrom davon bezahlt werden muss, trägt Miete und Heizenergie pauschal die Stadt. Letzteres trifft aber nicht automatisch auf die Bezieher kleiner Renten zu, die deshalb doppelt betroffen sind. „Die Rentnerinnen und Rentner, die knapp über dem Satz der Grundsicherung oder dem Wohngeldanspruch liegen, werden von den beschlossenen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung nicht sehr viel haben“, so Renzel.«

Das ganze Ausmaß der Energiekosten werde wohl erst bei der Nebenkostennachzahlung offengelegt. „Ich habe die Sorge, dass viele dann nicht mehr können und wir in den Beratungsstellen Tragödien erleben“, so der Essener Sozialdezernent. „Hier droht sozialer Sprengstoff, deshalb komme ich früh mit diesem Thema.“ Mit den angedachten Einmalzahlungen sei es auf keinen Fall getan.

»Essens Sozialdezernent, der der CDU angehört, versteht seinen Appell dann auch vor allem als Aufforderung an den Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten, die Erhöhung der Grundsicherung erstens zu beschließen und sie zweitens auch zu finanzieren.« Und er verdeutlicht an einigen Zahlen, um welche Größenordnungen es hier geht:

»In Essen gibt es rund 42.700 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften mit rund 100.000 Menschen, schätzt Renzel. Würde die Stadt fiktiv jedem 100 Euro mehr Unterstützung bezahlen müssen, wären das pro Jahr um die 120 Millionen Euro, eine gewaltige Summe für den städtischen Etat.« Und Renzel ruft einen weiteren Punkt auf: »Ihn bedrücke auch, dass viele Senioren vor lauter Scham bei den Behörden nicht prüfen lassen, ob sie eine Unterstützung bekommen können, und schon sehr bald mit ihren Einkommen nur schlecht über dem Monat kommen. 7400 Haushalte mit Bewohnern über 65 erhielten derzeit in Essen Leistungen der Grundsicherung. Die durchschnittliche monatliche Rentenhöhe in dieser Gruppe betrage 433 Euro.«

Und ergänzend weist Renzel darauf hin, allein »der Mehraufwand der Stadt für die Heizenergie von Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften dürfte bei erwartbar steigenden Gas-Preisen in die Millionen Euro gehen.«

Die Nationale Armutskonferenz (nak) hat sich gemeinsam mit dem Bündnis „AufRecht bestehen“ ebenfalls zu Wort gemeldet

Zum einen mit dem Positionspapier Energieversorgung ist ein elementarer Bestandteil menschlicher Existenzsicherung. Den immensen Kosten des Schutzes vor Corona wurde seitens der Regierung mit der Einmalzahlung von 150 Euro im Jahr 2021 nur völlig unzureichend begegnet, kritisiert das Bündnis. Es wird begrüßt, dass das Sozialschutzpaket bis Ende 2022 verlängert worden ist. Dadurch sind die meisten Bezieher von Grundsicherungen vor den steigenden Heizkosten geschützt, da es die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten (Miete und Heizung) regelt. Das Bündnis ergänzt: »Dies muss jedoch auch für Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen gesichert werden.«

Besondere Sorgen macht man sich um die Stromkosten: »Der immense Kostenanstieg im Jahr 2022, verstärkt durch den Krieg in der Ukraine, macht einmal mehr deutlich, dass die vom Bundesverfassungsgericht bereits am 23.07.2014 geforderte verfassungskonforme Anpassung des Regelsatzes u.a. für Strom seit langem überfällig ist. Zumal die von Einkommensarmut betroffenen Haushalte nicht in der Lage sind, z.B. einen stromfressenden Kühlschrank mal eben gegen ein energieeffizientes neues Gerät auszutauschen.«

Bereits vor dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich die Landesarbeitsgemeinschaft der Jobcenter in Nordrhein-Westfalen mit einem Brief vom 16. Februar 2022 an den zuständigen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gewandt. Die Leitungen der nordrhein-westfälischen Jobcenter plädieren für eine entsprechende Anhebung der Regelleistungen, denn daraus müssen ja die Kosten für den Haushaltsstrom gedeckt werden. Sie konkretisieren das nicht, in dem sie einen in Euro-Beträgen bezifferten Anhebungsbedarf nennen oder zur Diskussion stellen. Sie verweisen gleichsam indirekt auf diesen Schritt, in dem sie dem Bundesarbeitsminister aus einem der Hartz IV-Urteile des Bundesverfassungsgericht zitieren. Konkret: BVerfG, 23.07.2014 – 1 BvL 10/12. Vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Energiearmut: Wenn sogar Jobcenter in Berlin Alarm schlagen und dringenden Handlungsbedarf sehen, der hier am 14. März 2022 veröffentlicht wurde.

Das Bündnis „AufRecht bestehen“ mit Unterstützung der Nationalen Armutskonferenz hat in dem Positionspapier die folgenden Forderungen aufgestellt:

➞ für alle Einkommensarmen die bedingungslose Übernahme der Energiekosten bis zu
einem Verbrauch, der alle existenziellen Bedürfnisse sichert
➞ unbürokratische Übernahme der absehbar erhöhten Abschläge und Nachzahlungen
bei den Heizkosten durch alle Jobcenter und Sozialämter
➞ die Herausnahme der Stromkosten aus dem Regelsatz und die Übernahme der
tatsächlichen Stromkosten bis zu einem am Stromspiegel orientierten Verbrauch. In
allen Fällen zusätzlich die Berücksichtigung individueller Umstände
➞ ein gesetzliches Verbot von Strom- und Gassperrungen, wenn Privathaushalte
betroffen sind!

Und dann tauchen sie wieder auf, die 100 Euro mehr:

»Unabhängig davon fordern wir die Erhöhung des Regelsatzes auf ein Niveau, das die Existenz wirklich sichert. Als ersten Schritt fordern wir eine monatliche Erhöhung des Regelsatzes um 100 Euro sowie eine einmalige Zahlung von 500 Euro als Ausgleich für die stark gestiegenen Preise und die coronabedingten Mehrausgaben.«

Und weitere konkrete Forderungen zur Sicherstellung des Energie-Existenzminimums

Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles, der sich als Interessenvertretung für Einkommensschwache versteht, hat am 11. April 2022 einen offenen Brief an den Bundesarbeitsminister geschickt:

➔ Tacheles (2022): Offener Brief an Herrn Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil und das BMAS. Maßnahmen zur Abwendung von Energiearmut bisher unbekannten Ausmaßes, Wuppertal, 11.04.2022

Auch Tacheles bezieht sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.07.2014 und fordert: »Die Regelbedarfe müssen außerplanmäßig angepasst werden.« Allerdings geht man davon aus, dass kurzfristig eine solche notwendige Anpassung der Regelbedarfe nicht zu erwarten ist, also werden ersatzweise andere Vorschläge vorgetragen, die den Vorteil haben, dass sie weitgehend ohne Gesetzesänderungen, nur durch ministerielle Weisungen umgesetzt werden können. Die Vorschläge verdeutlichen zudem, wie tief man in die Untiefen des bestehenden Leistungsrechts im SGB II und XII einsteigen muss, um die Herausforderungen für die Betroffenen lösen bzw. abmildern zu können:

1.) Drastische Erhöhung der monatlichen Abschlagszahlungen für Haushaltsenergie

1.1) Erhöhte Stromabschläge für Haushaltsenergie als Mehrbedarfe, abweichende Bedarfe bzw. sonstige Bedarfe: »Hier wird vorgeschlagen, die erhöhten Kosten als Mehrbedarf, besonderen bzw. sonstigen Bedarf in den jeweiligen Leistungssystemen abzufedern. Grundsätzlich sollten die in den Regelbedarfen enthaltenen Beträge für Haushaltsenergie als Referenz dienen und die darüberliegenden Beträge zusätzlich übernommen werden. Im SGB II sollten die darüberliegenden laufenden Kosten als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II übernommen werden, im SGB XII als besonderer Bedarf nach § 27a Abs. 4 SGB XII und im AsylbLG bei Unterbringung außerhalb von Gemeinschafts- unterkünften, wenn die Berechtigten selbst für die Haushaltsenergie aufkommen müssen, als sonstigen Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG.«

1.2) Berücksichtigung erhöhter Stromabschläge für Haushaltsenergie bei der Ermittlung des sozialrechtlichen Bedarfs von Personen im Bezug von Kinderzuschlag und Wohngeld: »Für Menschen, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, sollte durch ministerielle Weisung klargestellt werden, dass Abschlagszahlungen für Haushaltsenergie oberhalb der in den Regelbedarfen enthaltenen Beträgen als gesonderte Bedarfsposition zu berücksichtigen und bei der Bedarfsberechnung zu addieren ist. Wegen des hierdurch entstehenden erhöhten Bedarfs darf nicht auf den Kinderzuschlag und das Wohngeld als vorrangige Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB II, § 12a SGB II und § 2 SGB XII verwiesen werden. Den Leistungsberechtigten sollte wegen des erhöhten Haushaltsenergiebedarfs ein Wunsch- und Wahlrecht in Bezug auf die infrage kommenden Leistungen eingeräumt werden.«

1.3) Erhöhte Stromabschläge für Haushaltsenergie als sozialrechtlicher Bedarf für nichtleistungsbeziehende Personen

1.4) Erhöhte Stromabschläge für Haushaltsenergie als sozialrechtlicher Bedarf bei Auszubildenden: »Durch ministerielle Weisung sollte geregelt werden, dass für Auszubildende, deren SGB-II- Anspruch nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen ist, eine nachgewiesene Energieabschlagszahlung oberhalb der in den Regelbedarfen enthaltenen Beträge als sozialrechtlicher Bedarf nach § 27 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt wird, wenn der Fehlbetrag nicht aus deren Einkommen gedeckt werden kann.«

2.) Jahresabrechnungen und Nachforderungen für Haushaltsenergie
Hier geht es um das bereits angesprochene Problem, dass davon auszugehen ist, »dass es am Ende eines Abrechnungszeitraums zu erheblichen Nachforderungen für Haushaltsenergie kommen wird. Diese Forderungen können von vielen leistungsbeziehenden Menschen, Rentner*innen und Menschen mit geringen Erwerbseinkommen trotz Entlastungspaket nicht aus den verfügbaren Mitteln getragen werden.«

2.1) Erhöhte Nachforderungen für Haushaltsenergie für Berechtigte von Leistungen nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG. Hier werden zwei Lösungsansätze gesehen: Nachforderung für Haushaltsenergie als einmaliger Bedarf im SGB II (Die Nachforderung für Haushaltsenergie kann als einmaliger besonderer Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II übernommen werden, da wegen der Unterdeckung der Energiekosten im Regelbedarf ein Darlegen nach § 24 Abs. 1 SGB II ausnahmsweise nicht zumutbar ist) sowie als zweiter Ansatz: „Nulldarlehensvariante“ im SGB II und SGB XII: Im SGB II: »Die Nachforderung für Haushaltsenergie wird als ein vom Regelbedarf umfasster Bedarf nach § 24 Abs. 1 SGB II auf Darlehensbasis erbracht und dieses Darlehen wird nach § 44 SGB II erlassen. Die Regelbedarfsleistungen sind so niedrig bemessen, dass Lebenshaltungs-, Pandemie- und Energiekosten nicht gedeckt sind. Daher ist das Darlehen wegen der Unterdeckung im Regelsatz nach § 44 SGB II zu erlassen. Eine Unbilligkeit im Sinne des § 44 SGB II dürfte wegen unzureichender Regelbedarfsleistungen vorliegen.« Im SGB XII »kann die Nachforderung für Haushaltsenergie durch die Gewährung eines ergänzenden Darlehens nach § 37 Abs. 1 SGB XII bei gleichzeitigem dauerhaftem Verzicht auf die Einbehaltung nach § 37 Abs. 4 SGB XII gewährt werden (entsprechender der Weisung des BMAS zu digitalen Endgeräten vom 09.02.2021 – Az.: Vb1-50114).

2.2) Die Anerkennung einer Nachforderung für Haushaltsenergie als einmaliger Bedarf im SGB II kann SGB-II-Ansprüche für Kinderzuschlags- und Wohngeldberechtigte auslösen

2.3) Die Anerkennung einer Nachforderung für Haushaltsenergie als einmaliger Bedarf für nichtleistungsbeziehende Personen im SGB II

2.4) Die Anerkennung einer Nachforderung für Haushaltsenergie als Bedarf für die Gewährung eines ergänzenden Darlehen für nichtleistungsbeziehende Personen im SGB XII: »Durch die Berücksichtigung einer Nachforderung für Haushaltsenergie als Bedarf für die Gewährung eines ergänzendes Darlehen im Sinne des § 37 Abs. 1 SGB XII, wäre eine Kostenübernahme für nichtleistungsbeziehende Personen eröffnet, insbesondere für Rentner*innen mit Einkünften oberhalb des SGB-XII- und Wohngeld-Bedarfes, die durch die Erwerbsminderungs- oder Altersrente dem System des SGB XII zuzuordnen sind … In dem Bescheid über das Darlehen ist ein dauerhafter Verzicht auf eine Rückzahlung nach § 37 Absatz 4 SGB XII zu regeln. Für diese Personengruppe, die wegen solcher Energienachforderungen einen monatsweisen SGB-XII- Anspruch geltend macht, sollte zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung ein praxistauglicher Kurzantrag entwickelt und eingesetzt werden.«

2.5) Anerkennung einer Nachforderung für Haushaltsenergie als einmaliger Bedarf bei nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossenen Auszubildenden

3.) Heizkostennachforderungen infolge der Jahresendabrechnungen
Aufgrund drastischer Preissteigerungen der Heizenergieträger ist mittelfristig am Endes des Abrechnungszeitraums mit erheblichen Heizkostennachforderungen der Energieversorger bzw. der Vermieter zu rechnen.

3.1) Heizkostennachforderungen für SGB II/SGB XII/AsylbLG: »Heizkostennachforderungen sind für Leistungsbeziehende zunächst immer in tatsächlicher Höhe zu übernehmen (§ 22 Abs.1 SGB II, § 35 Abs. SGB XII). Bei der Begrenzung der zu berücksichtigenden Heizkosten auf angemessenen Aufwendungen ist immer auf die Energiemenge und niemals auf den aktuellen Preis der Heizenergie abzustellen. Die als angemessen anzuerkennende Energiemenge muss mithin immer unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles sowie des der Rechnung zugrundeliegenden tatsächlichen Preises des jeweiligen Energieträgers übernommen werden.
Zudem bestimmen die zweite Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für das vereinfachte Verfahren für den Zugang zu den Grundsicherungssystemen , dass die Regelungen der sogenannten Angemessenheitsfiktion nach § 67 Abs 3 Satz 1 SGB II und § 141 Abs. 3 Satz 1 SGB XII bis zum 31.12.2022 anzuwenden ist. Zweck dieser Angemessenheitsfiktion war und ist es, dass sich Berechtigte auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII in der Zeit der „Pandemie nicht auch noch um ihren Wohnraum sorgen müssen“ (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/18107, S. 25). Dieser Intention des Gesetzgebers muss Nachdruck verleihen werden, da sie durch die Praxis der Sozialbehörden vielerorts konterkariert wird.

3.2) Heizkostennachforderungen bei Beziehenden von Kinderzuschlag: »Für Familien, die Kinderzuschlag beziehen, sollte durch ministerielle Weisung klargestellt werden, dass Heizkostennachforderungen nach der Jahresendabrechnung im Fälligkeitsmonat als Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II anzuerkennen sind und einen vorübergehenden Anspruch auf SGB-II-Leistungen auslösen können (bei Fortsetzung des Bezugs eines bewilligten Kinderzuschlags). Für Familien, die wegen solcher Heizkostennachforderungen einen monatsweisen SGB-II-Anspruch geltend machen, sollte zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung ein praxistauglicher Kurzantrag entwickelt und eingesetzt werden.«

3.3) Heizkostennachforderung bei Bezug von Wohngeld

3.4) Heizkostennachforderungen für Nichtleistungsbeziehende Personen

3.5) Heizkostennachforderungen bei nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossenen Auszubildenden in der “Nulldarlehensvariante“

4.) Weisung zur niedrigschwelligen Anwendung der Leistungen zur Wohnraumsicherung

5.) Erhöhung des Absetzbetrages für Fahrtkosten und Weisung zur pauschalierten Berücksichtigung von Fahrtkosten: »Die Kraftstoffpreise steigen massiv. SGB-II-Leistungsberechtigten, die auf ein Kfz angewiesen sind, wird nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 ALG II-V noch immer ein Absetzbetrag in Höhe von 20 Cent pro Entfernungskilometer zwischen Wohnort und Arbeitsstätte anerkannt. Dieser 20-Cent-Absetzbetrag gilt unverändert seit Oktober 2005. Damals lag der Preis jedoch noch für einen Liter Diesel bei 110,3 Cent, für einen Liter Normalbenzin bei 120,9 Cent und für einen Liter Super bei 123,0 Cent (ADAC). Heute liegen diese Preise bei rund 220 bis 230 Cent pro Liter. Der aktuelle Absetzbetrag war bereits vor der jüngsten Preissteigerungswelle völlig unzureichend. Wir regen daher an, die ALG II-V kurzfristig anzupassen und den Absetzbetrag pro Entfernungskilometer von 20 auf 50 Cent anzuheben. Diese Anpassung ist schon lange überfällig und mit Blick auf die aktuelle Entwicklung der Kraftstoffpreise unabdingbar. Rund 40 Cent reale Kraftstoffkosten pro Entfernungskilometer (bei 9 Liter x 2,25 EUR/l.) und 10 Cent sonstige Betriebskosten des Kfz, sind hier ein realistischer, bedarfsdeckender Ansatz. Für sonstige Fahrtkosten, z.B. Umgangswahrnehmungskosten oder Fahrtkosten aus medizinischen Anlässen nach § 21, 6 SGB II werden gefahrene Kilometer gerechnet. Hier wird vorgeschlagen, diese durch ministerielle Weisung mit 25 Cent/km anzusetzen.«

6.) Vorschläge zur Wohnraumversorgung benachteiligter Gruppen und strikte Anwendung der Angemessenheitsfiktion im SGB II/SGBB XII

Da wird vielen Lesern der Kopf rauchen – aber so ist das mit den Tiefen und vor allem Untiefen des Leistungsrechts, aus denen dann zwangsläufig resultiert, dass man an zahlreichen Schrauben drehen muss, um eine Entlastung der Betroffenen hinzubekommen. Wenn man denn will.

Nachtrag am 19. April 2022:

Das Problem mit den steigenden Energiekosten nimmt weiter zu: »Etliche Grundversorger haben für die Monate April, Mai und Juni Preiserhöhungen angekündigt. Im Schnitt verteuern sich die Tarife um fast 20 Prozent«, so diese Meldung: Strom und Gas werden noch teurer, die sich auf eine Auswertung des Vergleichsportals Verivox bezieht. »Für die Monate April, Mai und Juni hätten Grundversorger, in deren Gebiet 13 Millionen Haushalte liegen, beim Strom 166 Preiserhöhungen angekündigt – im Schnitt verteuern sich die Tarife hierbei um 19,5 Prozent … Beim Gas zählt Verivox im zweiten Quartal 118 Preiserhöhungen von Grundversorgern, in deren Gebiet sieben Millionen Haushalte liegen. Im Schnitt verteuern sich die Tarife hierbei um 42,3 Prozent. „Alle Gasanbieter in Deutschland haben mit historisch hohen Einkaufspreisen zu kämpfen“, sagt Verivox-Experte Storck. „Der Krieg in der Ukraine und ein möglicher Gas-Lieferstopp verschärfen die Situation noch zusätzlich.“ Daher müssten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auch in den kommenden Monaten auf steigende Preise einstellen, so Storck.
Auch der Blick zurück ist ernüchternd: »Nach Berechnung von Verivox haben sich die Strompreise in Deutschland binnen eines Jahres um etwa die Hälfte erhöht. Zahlte ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden noch 1171 Euro per annum für Strom, so sind es nun 1737 Euro. Die durchschnittlichen Jahrespreise sind brutto, also inklusive Mehrwertsteuer. Beim Gas zeigte die Preiskurve noch deutlicher nach oben: Musste eine beispielhafte Familie mit einem Gasverbrauch von 20 000 Kilowattstunden im April 2021 noch 1184 Euro pro Jahr ausgeben, so sind es derzeit 2787 Euro – das ist ein Anstieg von 135 Prozent.«