Öko-Aktivistin Jutta Ditfurth bittet auf Twitter um Geld

Besonders Solo-Selbstständige sind sehr stark auf den direkten Kontakt mit Menschen angewiesen. Peter Klotzki vom Bundesverband der Freien Berufe beschreibt die dramatischen Auswirkungen des Virus auf den Arbeitsmarkt.
Die Corona-Krise trifft auch die prominente Ex-Grüne. Weil ihr die Autorenaufträge ausgehen, hofft die Frankfurter Stadtverordnete auf Spenden ihrer Fans. Dafür haben nicht alle Verständnis – auch weil sie monatlich 1000 Euro Abgeordnetenentschädigung erhält.
„Ich schaff’s nicht ohne eure Hilfe“, schreibt Jutta Ditfurth, Aktivistin und Autorin, auf Twitter. Wie vielen anderen Selbstständigen macht die Corona-Krise auch Ditfurth zu schaffen, Aufträge und damit Einnahmen brechen weg.
Aufmerksamkeit erregt dieser Fall in den sozialen Medien vor allem deshalb, weil Ditfurth bekannt ist: Sie ist Politikerin, gehörte bis zu ihrem Austritt kurz nach der Wiedervereinigung zum linken Flügel der Grünen. Heute sitzt sie für die lokale Partei ÖkoLinX-Antirassistische Liste als Stadtverordnete im Frankfurter Römer.
In der Notlage hofft Ditfurth jetzt ganz konkret auf Zuwendungen ihrer Follower. In ihrem Tweet vom Montag liefert sie direkt ihre Zahlungsverbindung gleich mit – über Ditfurths Kontonummer oder per Paypal können Unterstützer nun Geld senden, um der Aktivistin über die Runden zu helfen. Denn Ditfurth trifft die Krise doppelt: Sie verliert nicht nur Aufträge wie andere auch, sondern ist auch selbst an dem neuartigen Coronavirus erkrankt.
Zunächst habe sie Ende Januar sechs Wochen lang mit Grippe zu kämpfen gehabt und habe deshalb bereits einige Aufträge absagen müssen, sagt Ditfurth zu WELT. Nun sei sie durch die Infizierung mit Covid-19 in Quarantäne und daher nicht in der Lage, neue Autorenaufträge heranzuholen.
Für gewöhnlich verdiene sie ihr Geld mit Vorträgen und Lesungen aus ihren Büchern. „Ich hatte bis Juni 15 solcher Jobs geplant, damit wäre ich gut über die Runden gekommen. Doch jetzt sind alle Engagements ersatzlos und ohne Honorarausfall abgesagt worden.“ Derzeit würden von den Veranstaltern auch keine neuen Termine geplant. Niemand weiß, wie lange die Pandemie und die absehbare Wirtschaftskrise dauern.

Die Reaktionen der Nutzer sind ambivalent. Sie reichen von hämischen Antworten bis hin zu Genesungswünschen und Zustimmung. Innerhalb eines Tages wurde der Tweet mehr als 2100mal kommentiert, mehr als 600mal geteilt und erhielt beinahe 1700 „Gefällt-mir“-Angaben.
Kritiker werfen Ditfurth auf Twitter vor, sie befinde sich in einer bequemen Lage: Denn während zahlreiche Selbstständige in Deutschland komplett ohne Einnahmen dastehen und auf staatliche Hilfen angewiesen sind, erhält Jutta Ditfurth weiterhin die Entschädigung für ihre Abgeordnetentätigkeit, monatlich rund 1000 Euro brutto. Diese Zahlungen werden auch jetzt während der Ausgangsbeschränkungen nicht ausgesetzt – denn der Aufwand der Stadtverordneten geht weiter.
Ein Twitternutzer wirft der Aktivistin vor, er wette, ihr stehe monatlich mehr Geld zur Verfügung als ihm als Hartz-IV-Empfänger im Jahr. Gegen diese Vorwürfe wehrt sich Ditfurth. Sie sei keine reiche Erbin, sagt die Tochter von Hoimar von Ditfurth (1921-1989), der erst Pharmamanager war und später TV-Moderator und Bestsellerautor. „Viele Leute denken, weil ich bekannt bin, habe ich automatisch auch Geld. Das stimmt nicht. Ich erinnere mich an Zeiten jahrelanger Recherchen für Bücher, in denen ich mir Geld leihen musste, nur um mir etwas zu essen zu kaufen.“
Außerdem erklärt sie, dass sie ihre Entschädigung gar nicht für sich selbst nutze. Denn seit einigen Jahren gibt es in Frankfurt die Regelung, dass eine Partei mindestens drei Abgeordnete stellen muss, um als Fraktion anerkennt zu werden. „ÖkoLinX ist nur mit zwei Personen vertreten. Folglich erhalten wir keinen Cent, um die Kosten für unsere Geschäftsstelle zu decken. Deshalb verwenden wir dafür unsere Aufwandsentschädigungen, nach Abzug von Steuern, um den laufenden Betrieb zu finanzieren.“
Bevor sie sich an die Öffentlichkeit gewandt habe, habe sie lange überlegt, sagt Ditfurth. Doch letztlich sei sie von einer Welle der Solidarität überrollt worden. „Ich habe so viel positive Rückmeldungen erhalten, das stellt alles andere in den Schatten.“ Die Spenden hätten unterschiedliche Höhen, die meisten gäben zwischen zehn und 15 Euro, Einzelne spendeten 100 Euro.
Es fühlten sich Ditfurth zufolge auch einige Nutzer angesprochen, die nicht zu ihren Bewunderern zählen und deshalb helfen wollen: Offenbar hätten sich AfD-Anhänger abgesprochen, ebenfalls auf ihren Spendenaufruf zu reagieren und ihr jeweils Kleinstbeträge zu überweisen. Die Verwendungszwecke enthielten Nazi-Codes und Verweise zur AfD und zu den Identitären.