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Drohender Geldentzug EU-Kommission aktiviert Strafmechanismus gegen Ungarn

Die EU-Kommission macht ernst im Rechtsstaats-Streit mit Ungarn: Erstmals hat sie den Mechanismus zum Geldentzug ausgelöst. Strafen wird es allerdings wohl erst im nächsten Jahr geben – wenn überhaupt.
Ursula von der Leyen

Ursula von der Leyen

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Kenzo Tribouillard / AP

Der seit Jahren schwelende Streit zwischen der EU-Kommission und Ungarn über Rechtsstaats-Verstöße der Budapester Regierung eskaliert. Die Brüsseler Behörde hat erstmals den in ihrem Haushalt verankerten Rechtsstaatsmechanismus ausgelöst. Er könnte zu hohen Mittelkürzungen für Ungarn führen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Schritt kurz nach der Wiederwahl des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán Anfang April angekündigt. Zuvor hatte ihre Behörde monatelang gezögert, obwohl der Strafmechanismus bereits seit Januar 2021 existiert – weshalb das Europaparlament sogar eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof auf den Weg gebracht hat.

Nun hat die Kommission das Verfahren gestartet – und erhebt schwere Vorwürfe gegen Ungarn: Es gebe erhebliche Missstände bei der Kontrolle der Verwendung von EU-Geldern, bei den Rechenschafts- und Transparenzpflichten, im öffentlichen Beschaffungswesen, sagte ein Kommissionsbeamter. Zudem seien Betrug und Korruption verbreitet.

Ungarn aber weigere sich seit mehr als zehn Jahren, die Empfehlungen der Kommission zur Korrektur der »außergewöhnlich zahlreichen« Fehlentwicklungen umzusetzen. Erschwerend komme hinzu, dass eine effektive Verfolgung des Missbrauchs von EU-Mitteln und eine unabhängige Strafverfolgung nur eingeschränkt möglich seien.

Ungarn gehört zu den größten Nettoempfängern von EU-Geldern, allein im Jahr 2020 waren es fast fünf Milliarden Euro, was mehr als dreieinhalb Prozent der ungarischen Wirtschaftsleistung entsprach. Ein Entzug von Mitteln könnte Orbáns Regierung also hart treffen.

Allerdings ist noch unklar, wie hoch die Strafen ausfallen könnten – denn sie müssen sich streng am Schaden der Missstände für den EU-Haushalt orientieren. Zudem könnte sich der Prozess, bis es zum Geldentzug kommt, noch bis ins nächste Jahr ziehen, mit ungewissem Ausgang.

Die ungarische Regierung hat nun erst einmal zwei Monate Zeit, um auf den am Mittwoch abgeschickten Brief der Kommission zu reagieren und darzulegen, wie sie die Missstände zu beheben gedenkt. Die Brüsseler Behörde wird dann innerhalb eines Monats die Antwort aus Budapest prüfen. Sollte sie nicht zufriedenstellend sein, kann sie eine erneute Stellungnahme Ungarns verlangen.

Je nachdem, wie die Fristen ausgenutzt werden, könnte dieses Procedere nach Angaben eines Kommissionsbeamten fünf bis neun Monate dauern. Sollte am Ende keine Einigung möglich sein, kann die Kommission dem Rat der Mitgliedsländer empfehlen, Ungarn Fördergelder zu entziehen. Ob es das gelingen kann, ist allerdings keinesfalls sicher – denn dazu wäre die Zustimmung von mindestens 15 EU-Ländern mit 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung nötig. Diese Hürde gilt in Brüssel als ausgesprochen hoch.

als/mbe/dpa

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