Offener Brief an die Mitglieder des Akademischen Senats

Sehr geehrte Mitglieder des Akademischen Senats der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,

wir schreiben Ihnen als Mitglieder, Angehörige und Freund:innen der Martin-Luther-Universität im Vorfeld der Diskussion des “Grobkonzeptes” zur Profilierung am Donnerstag, den 3. Februar 2022. Wir sind mehr als besorgt hinsichtlich der wissenschaftlichen und strukturellen Folgen einer Ausrichtung der Universität nach einem rein monetären Konzept, aber auch hinsichtlich der gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen. Das liegt daran, dass die vorgesehenen Streichungen von Lehrstühlen, die Reduzierung von Stellen und Studienplätzen einen immensen Schaden für Sachsen-Anhalt, unsere Stadt Halle (Saale) und vor allem für die Universität als Ganzes anrichten werden.

Der Verzicht auf bis zu 30 Professuren, der Abbau von 250 Mitarbeiterstellen und die Reduktion um mindestens 3.000 Studienplätze bedeuten keine Profilierung, sondern einen massiven Einschnitt, um nicht zu sagen Kahlschlag. Die 3.000 Studienplätze werden in Sachsen-Anhalt ohne Zweifel unmittelbar spürbar: Die Kaufkraft der Studierenden wird dem gebeutelten Einzelhandel, der Gastronomie und den Kultureinrichtungen fehlen. Ihr Engagement wird Sportvereinen, dem künstlerischen Bereich und dem demokratischen Diskurs fehlen. Sachsen-Anhalt schrumpft weiterhin, weil junge Menschen abwandern, neue nicht hinzukommen oder nicht bleiben wollen. Wollen wir diese Schrumpfung aktiv vorantreiben oder aufhalten, indem wir möglichst vielen eine Ausbildung an einem attraktiven Studienort bieten?

Und der Verzicht auf diese Studienplätze bedeutet nicht, dass damit die Belastung für die
Dozierenden geringer wird. Vielmehr sorgt der Abbau der Professuren und Stellen dafür, dass die Belastung für die Einzelnen zunehmen wird. Darüber hinaus ist das “Grobkonzept” nicht nachhaltig, denn es spekuliert lediglich auf eine zusätzliche Finanzierung für die Realisierung des Abbaus. Im schlimmsten Fall kürzt die Universität wichtige Fachbereiche in der puren (und unberechtigten) Hoffnung auf Besserung, aber bleibt die nächsten Jahrzehnte bei dem Finanzproblem, was uns heute schon quält.

Wir wissen um die schlechte finanzielle Lage der Martin-Luther-Universität. Und wir wissen, dass es eine strukturelle Unterfinanzierung gibt, die seit Jahren immer wieder zu Kürzungsdiskussionen führt. Aber die vorgenommenen Kürzungen haben zu keinem Zeitpunkt zu einer materiellen Besserstellung der Institute geführt! Eine aufgabengerechte Finanzierung der MLU gab es seit 1990 noch nie. Einige Professuren tragen bereits einen “kw“-Vermerk und werden uns in den nächsten Jahren ohnehin fehlen. Das Experiment, durch den Abbau von Lehrstühlen die verbleibenden Strukturen zu stärken, hat leider in allen Abbaurunden nicht funktioniert.

Wir stehen – und vor allem Sie als Senator:innen stehen – vor der gigantischen Herausforderung, unsere jahrhundertelang gewachsenen wissenschaftlichen Strukturen zu erhalten. Ständige Veränderungen und die Anpassung an moderne Entwicklungen sind wichtig. Aber hier geht es um die Streichung von Bereichen, die in Sachsen-Anhalt einzigartig sind, nicht, weil sie schlechte Leistungen erbringen würden, sondern einfach nur, weil Professuren zum Streichen gesucht wurden – und diese jetzt zufällig vakant sind oder demnächst vakant werden. Wir sagen klar: Kürzungen haben nichts mit Profilierung zu tun. Es gibt in diesem Prozess keine eindeutigen inhaltlichen Gründe für oder gegen die eine oder die andere Stelle. Wir fordern deshalb den Akademische Senat
dazu auf, gemeinsam mit dem Rektorat, den Beschäftigten und Studierenden einen klaren
Kurswechsel zu vollziehen. Die Ursachen liegen in der unzureichenden Grundfinanzierung, der fehlenden Aufgabenkritik und letztlich der seit Jahren nicht erfolgten Weiterentwicklung des Hochschulentwicklungsplanes durch die Landespolitik.
Aber das müssen wir als Universität auch klar benennen und gemeinsam für unsere Interessen einstehen. Mit einem Senatsbeschluss für das vorliegende Grobkonzept werden sich die landespolitisch Zuständigen weiterhin aus der Verantwortung stehlen. Wir bitten Sie also darum, diesen Prozess am Donnerstag nicht fortzuführen, sondern ein klares Stopp-Signal zu setzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Aktionsbündnis #MLUnterfinanziert – Perspektiven schaffen!

Unterzeichner:innen:

Personalrat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
GEW-Hochschulgruppe Halle
Verdi-Hochschulgruppe Halle
Sprecher*innenkollegium des Studierendenrates der MLU
Studierendenrätekonferenz Sachsen-Anhalt (SRK St)
Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät I
Fachschaftsrat Jura
Fachschaftsrat Mathematik / Informatik
Fachschaftsrat der Wirtschaftswissenschaften
Fachschaftsrat Geowissenschaften und Geographie
Fachschaftsrat der Neuphilologien
Fachschaftsrat Pädagogik
Fachschaftsrat Musik Sport Medien Sprechwissenschaft
Institutsgruppe Altertum
Institutsgruppe Psychologie
Institutsgruppe Ethnologie
Institutsgruppe Orient
Institutsgruppe Geschichte
Institutsgruppe Soziologie
Institutsgruppe Kunstgeschichte und Archäologie
Arbeitskreis Zivilklausel im StuRa der MLU
Arbeitskreis Studieren mit Kind im StuRa der MLU
Arbeitskreis Uni im Kontext im StuRa der MLU
Arbeitskreis que(e)r_einsteigen im StuRa der MLU
Arbeitskreis Inklusion im StuRa der MLU
Arbeitskreis Protest im StuRa der MLU
Kommission zur Verbesserung der Studienbedingungen des StuRa der MLU
Students For Future Halle
SDS – Linke Hochschulgruppe Halle
EULi – Eure Liste
Juso-Hochschulgruppe Halle
Grüne Hochschulgruppe Halle
Offene Linke Liste MLU
Kritische Politikwissenschaft Halle
Fridays for Future Halle

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