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Ungewöhnliche Gerichtsverhandlung YouTuber »Drachenlord« räumt Körperverletzung ein

Im Netz streitet der Streamer »Drachenlord« seit Jahren mit Trollen und Hatern, die ihn auch an seinem Wohnort belästigen und bedrohen. Nun hat in Nürnberg ein Prozess begonnen – gegen ihn.
Versammlung von »Drachenlord-Hatern« im August 2018: »So was wie ein Wallfahrtsort«

Versammlung von »Drachenlord-Hatern« im August 2018: »So was wie ein Wallfahrtsort«

Foto: DPA/ NEWS5

Von Altschauerberg dürften die meisten noch nie gehört haben, dabei ist der kleine fränkische Ortsteil seit mehr als fünf Jahren Schauplatz eines so absurden wie unangenehmen deutschlandweiten Konflikts. In Altschauerberg zeigt sich, wie aus digitalem Mobbing Gewalt in der realen Welt werden kann. Denn in dem rund eine Autostunde von Nürnberg entfernten Örtchen lebt der YouTuber und Streamer Rainer Winkler, im Netz bekannt unter dem Pseudonym »Drachenlord«.

Der 32-Jährige ist schon lange das Ziel von Anfeindungen – und zwar nicht nur im Netz, sondern auch vor seinem Wohnhaus. Im Internet hat sich in speziellen Foren eine Community gebildet, die alle Aktivitäten des Drachenlords verfolgt und ihn immer wieder auch zu Hause aufsucht und provoziert, sei es mit lautem Feuerwerk, mit beleidigenden Rufen oder Schmierereien und Beschädigungen an seinem Grundstück.

Winkler ist zuallererst Betroffener, doch auch er selbst trägt mit dazu bei, dass der Streit nicht aufhört. Begonnen hatte der Konflikt 2014, als der Blogger selbst seine Adresse in einem seiner Videos nannte und seine Gegner aufforderte, zu ihm zu kommen. Seitdem reisen Menschen von überall her zum Haus des »Drachenlords«. »Für die ist sein Wohnhaus schon so was wie ein Wallfahrtsort«, sagt Michael Petzold vom Polizeipräsidium Mittelfranken.

Bis heute dauern die Besuche vor Winklers Haus an, wie Anwohner berichten. Auch während der Coronapandemie kämen teils mehrmals pro Woche Gegner von Winkler, die sich selbst als »Hater« bezeichnen, in den Ort. Nicht zuletzt die rund 40 Bewohner von Altschauerberg leiden darunter, teilweise richten sich die Beleidigungen der Angereisten auch gegen die Nachbarn.

Gerichtsprozess unter hohen Sicherheitsauflagen

Nun steht Winkler in Nürnberg vor Gericht. Der YouTuber ist wegen gefährlicher Körperverletzung und anderer Delikte angeklagt. Er soll unter anderem einen Mann mit einer Taschenlampe geschlagen und verletzt haben. Einen anderen soll er mit einem Backstein beworfen haben. Winkler räumte die Vorwürfe vor Gericht weitgehend ein. Er habe einen Mann vor seinem Haus mit einer Taschenlampe geschlagen und an der Stirn verletzt. Einen anderen habe er in den Schwitzkasten genommen und geschlagen, sagte der 32-Jährige am Donnerstag im Prozess in Nürnberg.

Sein Verteidiger kündigte im Prozess an, dass der YouTuber aus Altschauerberg wegziehen werde, sein Haus habe er inzwischen verkauft. Er plane außerdem, künftig anders im Internet aufzutreten. Die Staatsanwältin lehnte es trotzdem ab, sich bei Prozessauftakt mit der Verteidigung auf eine Bewährungsstrafe im Fall eines Geständnisses zu einigen.

Das Gericht dürfte in dem Prozess auch der Frage nachgehen, ob Winkler die beiden als ungebetene Besucher identifiziert hatte und was der mutmaßlichen Körperverletzung vorausging. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm auch Verleumdung und Beleidigung von Polizisten vor.

Aus Sicherheitsgründen hat das zuständige Amtsgericht Neustadt an der Aisch die Hauptverhandlung gegen den »Drachenlord« ins Strafjustizzentrum in Nürnberg verlegt. Der Prozess begann am Donnerstagmorgen unter strengen Sicherheitsauflagen, auf Bildern war zu sehen, wie Polizisten vor dem Gebäude Stellung bezogen hatten.

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Im Vorfeld war ein größerer Andrang befürchtet worden, der zunächst jedoch auszubleiben schien. Bei der bislang größten Versammlung in Altschauerberg kamen im August 2018 mehrere Hundert Menschen, die nach Angaben der Polizei zum Teil sogar aus europäischen Nachbarländern angereist waren.

Der Nürnberger Gerichtssprecher Friedrich Weitner befürchtet auch, dass Inhalte aus dem Prozess direkt ins Internet gelangen könnten. Das war bei vergangenen Prozessen im Zusammenhang mit dem Drachenlord tatsächlich geschehen. Es gebe ein sehr großes Interesse an dem Prozess, sagte Weitner, er habe Anrufe aus ganz Deutschland erhalten. Am ersten Verhandlungstag will das Gericht mehrere Zeugen befragen.

Hater stellen Polizei vor Ort vor Probleme

Für die örtliche Polizeiinspektion seien die Hassdemos und Krawalle in Altschauerberg eine enorme Belastung, sagt Polizeisprecher Petzold. Immer wieder müsse sie wegen Ruhestörung, Hausfriedensbruchs, Körperverletzung und anderer Delikte ausrücken. Bis zu 15 Einsätze seien es am Tag. Die zuständige Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth spricht von unzähligen Verfahren in dem Zusammenhang. Langjährig mit dem Fall betraute Polizisten berichten, dass die Vorgänge rund um Winkler viele Ressourcen binden.

Die Gemeinde Emskirchen, zu der Altschauerberg gehört, hat im Sommer eine Allgemeinverfügung für den Ortsteil erlassen, die unter anderem Menschenansammlungen untersagt und eine Geldstrafe von bis zu 1000 Euro vorsieht.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Gerichte mit dem Phänomen »Drachenlord« beschäftigen. Der Blogger selbst stand schon einmal wegen einer Pfefferspray-Attacke auf einen seiner Gegner vor dem Amtsgericht. Dafür wurde er im September 2019 zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Im Frühjahr hatte das Gericht in dem aktuellen Fall Winkler eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt, wenn er im Gegenzug nicht mehr weiter im Netz den Hass gegen sich mit Videos befeuern würde. Das habe Winkler damals abgelehnt, berichtet das Onlinemedium »T-online «.

Das Landgericht Nürnberg hatte 2016 bereits einen damals 24-Jährigen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Er hatte unter anderem einen falschen Notruf abgesetzt und damit einen großen Polizei- und Feuerwehreinsatz bei dem YouTuber ausgelöst.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes war der Vorname von Rainer Winkler falsch geschrieben, wir haben den Fehler inzwischen korrigiert.

hpp/dpa

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