Jinok wollte diesen Newsletter canceln. In Anbetracht der Kriegssituation passe er nicht. Ich nehme es auf meine Kappe, dass er trotzdem erscheint. Verzeiht. 70 Siebzig Jahre brennen für eine Sache. Als Kind morgens um 6 den Hausmeister der Schule aus dem Bett klingeln und vor Schulbeginn am Flügel üben (für ein eigenes Instrument reichte es bei der alleinerziehende Mutter nicht). Als erste Gesangstudentin in Korea es schaffen, das begehrte DAAD-Stipendium zu erlangen. Dann, angekommen in Europa, allen Gesangskoryphäen ein Loch in den Bauch fragen. Jahrelang selber forschen, wie die Stimme mit dem Körper und der Seele in Einklang zu bringen ist. Als dann diese Frage beantwortet war, unterstützte sie mit einem eigenen Förderstipendium besonders begabte Nachwuchssängerinnen und -sänger. Dann drohte irgendwann Unterforderung. Wo waren neue Anreize? - Das Gefühl, nicht mehr an die eigenen Grenzen zu gehen, mündete in die Keramik. Bergeweise Bücher wurden studiert und Keramikkurse belegt. Weil die Kurse in ihren Augen zu angstbefangen waren, begann im eigenen Atelier ein hemmungsloses Experimentieren. Brennen für die Sache, mit einer unerschütterlichen Gewissheit für das Gute im Leben, die positive Energie.
* Alles das reichte nicht, nein, es wurde noch ein weiteres Abenteuer oben draufgesetzt (sie behauptet, es sei wohl das letzte): Vor 44 Jahren aus Seoul nach Berlin gekommen, um tief in die westliche klassische Musik einzudringen, sie verstehen und fühlen zu lernen - jetzt umgekehrt, Traditionen aus Korea hierher bringen, Techniken, die einen Beitrag leisten können, westliche Esskultur umzukrempeln. Damit nicht genug, koreanisches Essen weiterentwickeln, erneut hemmungslos experimentierend ein Repertoire zu entfalten, das viel zu schade wäre, wenn es irgendwo in einer verschlafenen historischen Ecke verkümmerte. Statt folkloristisch einsortiert, soll es Begeisterung, Freude, Anregung und Perspektive schenken. * Für alle diese Ideen zu brennen, ist keine Stunde nutzlos verschenkt. Die Kraft des Machens, die Lust zu geben, „zurückzugeben“, wie Jinok immer sagt, wird die Welt zum Besseren führen. Olala, das sind große Worte, ja ich weiß, aber vor allem bringen sie die riesengroße Motivation, weiter zu gehen, mit siebzig sich nicht zur Ruhe zu setzen. Jeder Tag ist ein Anfang. Solange es die Gesundtheit zulässt. Dankbar sein. Das ist wunderbar, ist kostbar, ist imgrunde viel zu kurze Zeit. Soweit die Eloge zu Jinok's 70. Geburtstag.
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