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Gastbeitrag von Rainer Zitelmann: Für Luxus-Karossen oder Radwege: Wie wir 12 Milliarden Euro in aller Welt verpulvern
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Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze im Gespräch mit Arbeiterinnen in Abuja, Nigeria
Leon Kuegeler/photothek.de/IMAGO Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze im Gespräch mit Arbeiterinnen in Abuja, Nigeria
  • FOCUS-online-Gastautor

Angesichts der Haushaltslage fordert Finanzminister Christian Lindner (FDP) Einsparungen bei der Entwicklungshilfe. Deutschland gibt etwa 12 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe aus, davon in den letzten Jahren fast 200 Millionen Euro Zuschüsse bzw. Kredite für Busse und Radwege in Peru. Hat das überhaupt eine Wirkung?

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Frank Bremer hat sein Leben dem Kampf gegen Armut verschrieben und war in 30 Ländern in Afrika, Zentralasien, der Karibik und dem Indischen Ozean mit Entwicklungshilfe beschäftigt. Er war an Projekten im Bereich ländliche Entwicklung und Umwelt beteiligt.

Nach mehr als 50 Jahren Engagement in der Entwicklungshilfe zieht Bremer eine bittere Bilanz: „Die vermeintlich begünstigten armen Bauern, die von den Projekten erreicht werden sollten, sind am Ende nicht weniger arm und wieder sich selbst überlassen. Dafür wurden aber viele Arbeitsplätze für entsandte Fachkräfte und ihre Betreuer in den Zentralen geschaffen.“

„Wir retten die Welt zu Tode“

William Easterly, ein weltweit renommierter Professor für Ökonomie und Afrikastudien an der New York University, hält Entwicklungshilfe ebenfalls für weitgehend nutzlos, oft sogar für kontraproduktiv. Eines der Beispiele aus seinem Buch „Wir retten die Welt zu Tode“: In zwei Jahrzehnten wurden in Tansania zwei Milliarden Dollar an Entwicklungshilfemitteln für den Straßenbau ausgegeben. Aber das Straßennetz ist nicht besser geworden.

Über den Gastautor:

Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe und Autor. Er schrieb bereits über das Thema Vorurteile über Reiche: „Die Gesellschaft und ihre Reichen“.

Weil die Straßen nicht instandgehalten wurden, verfielen sie schneller, als die Geldgeber neue bauen konnten, berichtet Easterly. Was sich hingegen in Tansania wirkungsvoll entwickelte, war eine gigantische Bürokratie. „Für seine Geldgeber, die das Empfängerland mit tausend Missionen von Entwicklungshilfevertretern im Jahr überfluten, produzierte Tansania jedes Jahr 2.400 Berichte.“ Die Entwicklungshilfe hat also nicht geliefert, was die Armen benötigten (Straßen), sondern stattdessen vieles, was den Armen wenig nützt.

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Dambisa Moyo stammt aus Sambia und lebt seit Anfang der 1990er-Jahre in den USA, wo sie zunächst mit einem Stipendium ihr Studium fortsetzte. In ihrem Buch „Dead Aid“ rechnet Moyo mit der Entwicklungshilfe ab: Eine Studie der Weltbank belege, dass mehr als 85 Prozent der Fördergelder für andere Zwecke verwendet wurden als ursprünglich vorgesehen, oft umgeleitet in unproduktive Projekte.

Selbst dort, wo die Mittel in an sich sinnvolle Projekte fließen, werden die kurzfristig positiven Folgen von negativen Langzeitfolgen konterkariert, zum Beispiel, weil durch Hilfsprojekte lokale Firmen in den Ländern zerstört werden.

„Projekte“ sind oft nur Strohfeuer

Oft sind es dem Zeitgeist angepasste Themen, die gefördert werden, wie zum Beispiel Ökofarmen. Sie blieben, so Bremer, „zwölf Jahre lang eine folgenlose Spielwiese für entsandte Experten und ihre Fachgutachter für die in diesen Jahren in Mode gekommene ökologische bzw. standortgerechte Landwirtschaft. Insgesamt wurden mit diesen Projekten ca. 20 Millionen Euro in den Savannensand gesetzt.“

Die Öffentlichkeit in den Geberländern interessiert sich nicht dafür. Die Projekte sind weit weg - und ob sie etwas bewirken, wird höchstens in der Wissenschaft hinterfragt. Die Politiker und die Medien befassen sich verständlicherweise eher mit den Themen, die die Wähler und Leser in den Geberländern beschäftigen und interessieren – und nicht mit der Frage, ob die Milliardensummen für die Entwicklungshilfe sinnvoll verwendet werden.

Allenfalls fragen Politiker oder Medien manchmal kritisch nach, ob es zum Beispiel sinnvoll ist, dass Deutschland China hohe Zahlungen für Entwicklungshilfe gibt (von 2017 bis 2021 fast drei Milliarden Dollar).

Auch Easterly weist auf das Problem hin, dass die Ergebnisse von Projekten nur selten mit einem Abstand nach ihrer Beendigung geprüft werden würden. Die Weltbank überprüft nur fünf Prozent ihrer Darlehen drei bis zehn Jahre nach der letzten Auszahlung darauf, ob sie Auswirkungen auf die Entwicklung hatten. Letztendlich bedeutet dies, dass man sich für die Auswirkungen der Entwicklungshilfe nicht interessiert oder dass man in Anbetracht der Ergebnisse bewusst nicht näher hinschaut.

„War Entwicklungshilfe ein Fehler?“

Easterly veröffentlichte einen weiteren Beitrag zum Thema: „War Entwicklungshilfe ein Fehler?“ In den vergangenen 42 Jahren sind 568 Milliarden Dollar (im Dollarwert des Jahres 2007) nach Afrika geflossen, aber das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner war nicht messbar. Das oberste Viertel aller Empfängerländer von Entwicklungshilfe hat in diesen 42 Jahren 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Hilfe empfangen, aber das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf lag nahe Null.

Die Länder, die hohes Wachstum verzeichneten, insbesondere Indien, China und Vietnam, haben im Vergleich wenig Entwicklungshilfe erhalten. Die Gesamtbilanz der Entwicklungshilfe fällt vernichtend aus. „eine Fokussierung auf die Kreditvergabe und nicht auf die Ergebnisse dieser Kredite; eine Überfülle an Berichten, die niemand liest; ein Hang zu protzigen Rahmenplänen und Weltgipfeln; moralische Ermahnungen an alle, anstatt dass eine Agentur die Verantwortung für irgendetwas übernimmt; ausländische technische Experten, denen niemand zuhört; Krankenhäuser ohne Medikamente und Schulen ohne Schulbücher; Straßen und Wassersysteme, die gebaut, aber nicht instand gehalten werden, durch Entwicklungshilfe finanzierte Regierungen, die trotz Korruption und Misswirtschaft an der Macht bleiben, und so weiter.“

Entwicklungshilfe hilft nicht

Die deutschen Ökonomen Axel Dreher und Sarah Langlotz von der Universität Heidelberg haben 2017 die Auswirkungen von Entwicklungshilfe auf 96 Empfängerländer in dem Zeitraum von 1974 bis 2009 untersucht. Ihr Ergebnis war, dass die bilaterale Hilfe das Wirtschaftswachstum nicht steigern kann. "Wir untersuchten auch die Auswirkungen der Entwicklungshilfe auf Ersparnisse, Konsum und Investitionen und können weder in der Gesamtstichprobe noch in unseren Unterstichproben eine Auswirkung der Entwicklungshilfe feststellen.

Entwicklungshilfe hilft offenbar nicht dauerhaft bei der Bekämpfung der Armut. Damit ist nicht humanitäre Unterstützung gemeint, etwa bei Naturkatastrophen oder Hungersnöten. Solche Hilfen sind richtig und wichtig. Aber das ist nicht das, was mit Entwicklungshilfe oder Entwicklungszusammenarbeit gemeint ist.

Leider ist nicht abzusehen, dass diese verfehlte Politik beendet wird. Im Gegenteil: Unter der Überschrift „Hilfen für die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels“ wird die Politik fortgesetzt. Auf der Klimakonferenz in Dubai haben Deutschland und die Gastgebernation, die Vereinigten Arabischen Emirate, verkündet, den „Katastrophenfonds für arme Länder“ ankurbeln zu wollen. Dafür sollen insgesamt 200 Millionen Dollar bereitgestellt werden. Deutschland wird die Hälfte der Summe finanzieren.

Es ist zu befürchten, dass – wie bei der Entwicklungshilfe – hohe Summen in die Taschen von korrupten Politikern fließen. Nigeria ist ein wichtiges Empfängerland für Entwicklungshilfe und der Präsident genehmigte sich kürzlich eine neue Jacht für über sechs Millionen Dollar. Und erst vor kurzem bestätigte die 460 Mitglieder zählende Nationalversammlung des Landes einen Antrag, dass alle Abgeordneten jeweils einen neuen Geländewagen im Wert von etwa 150.000 Dollar erhalten sollen. Die Fahrzeuge würden ihnen helfen, ihre Arbeit besser zu erledigen, hieß es.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass etwa 315 Millionen Euro für Radwege in Peru ausgegeben werden. Diese Angabe wurde nachträglich angepasst.

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