Die USA und weitere Länder haben Russland bei der Dringlichkeitsdebatte des UN-Sicherheitsrats für die Entsendung ihrer Truppen in die Separatistengebiete in der Ostukraine kritisiert. Keines der Mitglieder des Gremiums verteidigte den Entsendungsbefehl. Die USA sehen die Handlungen als ersten Schritt zu einem vollständigen Einmarsch. Russland gab unterdessen der Ukraine die Schuld und drohte mit "äußerst gefährlichen Folgen". Russlands Partner China hielt sich zurück.

US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield verurteilte die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine durch Russland sowie die Entsendung von Truppen in die Regionen. "Darüber hinaus ist dieser Schritt von Präsident Putin eindeutig die Grundlage für den Versuch Russlands, einen Vorwand für eine weitere Invasion der Ukraine zu schaffen", sagte sie. "Präsident Putin hat das Minsker Abkommen in Stücke gerissen." Die Botschafterin kündigte Konsequenzen für die russische Regierung an.

Putin habe "die Welt vor eine Wahl gestellt", sagte Thomas-Greenfield. Und die Welt dürfe nicht wegschauen, weil die "Geschichte uns lehrt, dass Wegsehen im Angesicht solcher Feindseligkeit ein viel kostspieligerer Pfad sein" werde. Putin teste, wie "weit er uns alle treiben" könne. Die "Konsequenzen der Aktionen Russlands werden verheerend sein – in der gesamten Ukraine, in ganz Europa und auf dem ganzen Planeten", sagte Thomas-Greenfield.

Die US-Botschafterin warf dem russischen Präsidenten zudem vor, er träume von einem russischen Großreich. "Putin möchte, dass die Welt in der Zeit zurückreist, in die Zeit vor den Vereinten Nationen, in eine Zeit, als Imperien die Welt beherrschten – aber der Rest der Welt hat sich vorwärtsbewegt. Es ist nicht 1919, sondern 2022."

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sprach von "emotionalen Stellungnahmen". In seiner Rede nahm er die Ukraine ins Visier. Diese habe "militärische Pläne" und beschieße und provoziere Luhansk und Donezk. Nach Anerkennung der "Volksrepubliken" durch Moskau könne dies "äußerst gefährliche Folgen haben". Kiew habe das Minsker Abkommen nicht erfüllen wollen. Um einen Krieg zu vermeiden, müsse die Ukraine nun zu einem Ende ihrer Provokationen gezwungen werden.

UN: Bruch der Charta der Vereinten Nationen

Die Maßnahmen für einen Einmarsch in die Ukraine, vor dem westliche Länder wochenlang gewarnt hatten, waren von UN-Generalsekretär António Guterres als Bruch der Charta der Vereinten Nationen bezeichnet worden – ein seltener Vorwurf gegen eine Vetomacht. Russlands engster Partner im Sicherheitsrat kam ihm nicht zu Hilfe: Nur 1:16 Minuten dauerte das Statement von Chinas Gesandtem Zhang Jun, in dem er sagte, dass alle internationalen Streitigkeiten "mit friedlichen Mitteln im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der UN-Charta" gelöst werden müssten.

Der deutschen UN-Botschafterin Antje Leendertse zufolge offenbarte Russland mit seinem Vorgehen seine wahren Absichten. "Russland hat wiederholt darauf bestanden, nicht an dem (Ukraine-)Konflikt beteiligt zu sein. Heute hat es sich entlarvt und zeigt, dass es das schon immer war", sagte sie.

Die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward sprach von einem drohenden humanitären Desaster. "Eine Invasion in der Ukraine entfesselt die Kräfte des Krieges, des Todes und der Zerstörung gegen die Menschen in der Ukraine. Die humanitären Auswirkungen werden für Zivilisten, die vor den Kämpfen fliehen, schrecklich sein."

Sanktionen angekündigt

Frankreich kündigte entschiedene Maßnahmen an. "Mit unseren europäischen Partnern bereiten wir gezielte Sanktionen gegen diejenigen vor, die an dieser rechtswidrigen Entscheidung beteiligt waren", sagte der französische UN-Botschafter Nicolas de Rivière. Russland müsse nun von allen weiteren Schritten der Eskalation absehen.

Ein offizieller Beschluss über die EU-Sanktionen solle noch am heutigen Dienstag auf den Weg gebracht werden. Um 9.30 Uhr soll es ein Treffen der ständigen Vertreter der EU-Staaten in Brüssel geben. Im Anschluss könnten sie vom Ministerrat beschlossen werden.

Ukraine bekräftigt Widerstand

Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja sagte: "Wir werden standfest sein. Wir befinden uns auf unserem Grund und Boden. Wir haben vor nichts und niemandem Angst. Wir schulden niemandem etwas und wir geben niemandem etwas." Es sei "nicht Februar 2014. Es ist Februar 2022", sagte er in Anspielung auf die Annexion der Krim durch Russland. "Die internationalen Grenzen der Ukraine sind und bleiben unveränderlich."

Unter dem Eindruck der amerikanischen Aussage, dass ein Angriff auf die Ukraine ein Angriff auf die territoriale Integrität aller Staaten sei, entschieden sich auch eine Reihe weiterer Länder – darunter Kenia, Gabun, Ghana und mit Abstrichen auch Brasilien – zu Kritik an Russland. Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate nahmen neutralere Rollen ein.  Nach 90 Minuten ist die Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu Ende gegangen.