Kunst ohne Angst, ein Aufruf zur offenen Diskussion: Der Fall Candice Breitz

Kunst ohne Angst, ein Aufruf zur offenen Diskussion: Der Fall Candice Breitz

Startdatum
28. Januar 2024
442 Unterschriften:Nächstes Ziel: 500
Jetzt unterstützen

Warum ist diese Petition wichtig?

Offener Brief: Appell für einen dialogorientierten Umgang in der Angelegenheit Candice Breitz


Sehr geehrte Frau Kultusministerin Christine Streichert-Clivot,

in diesen herausfordernden Zeiten, in denen die Debatte um die Ausstellung der jüdischen Künstlerin, Candice Breitz, uns alle beschäftigt, möchten wir, eine Gruppe von Künstlerinnen,  Kulturschaffenden und Akademikerinnen, unsere Gedanken, Sorgen und Anregungen mit Ihnen teilen. 

Wir verstehen die komplexe Situation, in der Sie sich als Kultusministerin des Saarlandes und als Präsidentin der Kultusministerkonferenz befinden, die deutsche Kulturpolitik vertritt und die Staatsräson Deutschlands verteidigt, insbesondere in Bezug auf die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel nach dem Holocaust. Sie setzen diese Verantwortung in Beziehung zur Kunst- und Meinungsfreiheit sowie zur Kultur demokratischer Debatten. Die Kontroverse zeigt jedoch, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie diese Verantwortung umgesetzt und praktiziert werden sollte. 

Gleichzeitig betonen Sie, dass sich Kunstschaffende nicht bedroht fühlen sollten. Doch wir fühlen uns in unserer Meinungs- und Kunstfreiheit eingeschränkt, weil wir befürchten, aufgrund abweichender Meinungen marginalisiert, gecancelt und gar als “antisemitisch” kriminalisiert zu werden. Aktuell entwickelt sich ein Klima der Angst, in dem Künstler und Künstlerinnen zögern, sich zu sensiblen Themen wie dem Nahostkonflikt zu äußern. Selbst Hochschullehrende neigen eher zum Schweigen statt zum offenen Diskurs. Dies widerspricht fundamental den Werten einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Warum also nicht einen offenen Austausch fördern, ganz im Sinne von Candice Breitz: "we still still still still still need to talk". Wir könnten miteinander reden, diskutieren, sogar streiten und unsere Emotionen zeigen, aber ohne Angst. Jede Form der Kommunikation ist besser als Schweigen aus Furcht.

Gemäß dem Gesetz über die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (SSKG) vom 24. April 2013 steht die Stiftung unter der Aufsicht des für Kultur zuständigen Ministeriums. In Ihrer Funktion als Leiterin dieses Ministeriums bitten wir Sie, den Weg für einen offenen Dialog zu ebnen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. 

Ihr Interview vom 16.01.2024  mit dem SR zu der abgesagten Ausstellung war ein erster Schritt, um einen Dialog anzustoßen. Wir hoffen, dass sich dieser Austausch fortsetzt und vertieft. Im Sinne des Stiftungszwecks, wie in § 2 festgehalten, halten wir Vorträge, Workshops, begleitende museumspädagogische Projekte oder Symposien für weitaus geeigneter, um einerseits einen offenen Kulturbegriff zu vermitteln und andererseits die damit verbundenen Kontroversen auszuhalten. Es wäre förderlich, wenn die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz eine Plattform für einen offenen Austausch bieten könnte, um unterschiedliche Perspektiven zu würdigen und so einen konstruktiven Dialog zu fördern.

Wir danken Ihnen im Voraus für Ihre Offenheit und Ihr Engagement in dieser Angelegenheit und bieten unsere Bereitschaft für weiterführende Gespräche an.

Mit freundlichen Grüßen,

Sung-Hyung Cho & Georg Winter


Initiatorinnen:

Sung-Hyung Cho, Leslie Huppert, Armin Rohr und Georg Winter

—------------------------------------------------------------------------

Open Letter: Appeal for a Dialogue-Oriented Approach in the Matter of Candice Breitz

Dear Minister of Culture Christine Streichert-Clivot,

In these challenging times, where the debate surrounding the exhibition of the Jewish artist Candice Breitz concerns us all, we, a group of artists, cultural workers, and academics, would like to share our thoughts, concerns, and suggestions with you.

We understand the complex situation in which you find yourself as the Minister of Culture of Saarland and as the President of the Standing Conference of the Ministers of Education and Cultural Affairs, representing German cultural policy and defending the raison d'état of Germany, particularly about Germany's special responsibility towards Israel after the Holocaust. You relate this responsibility to artistic freedom of expression and the culture of democratic debates. However, the controversy shows that there are different views on how this responsibility should be implemented and practiced.

At the same time, you emphasize that artists should not feel threatened. Yet, we feel constrained in our freedom of opinion and artistic expression, fearing marginalization, cancellation, and even criminalization as "anti-Semitic" due to diverging views. Currently, a climate of fear is developing, in which artists hesitate to address sensitive issues like the Middle East conflict. Even university teachers tend to remain silent rather than engage in open discourse. This fundamentally contradicts the values of an open and democratic society. Why not promote open exchange, in the spirit of Candice Breitz: "We still still still still still need to talk". We could talk to each other, discuss, even argue, and show our emotions, but without fear. Any form of communication is better than silence out of fear.

According to the law on the Saarländischer Kulturbesitz Foundation (SSKG) of 24 April 2013, the foundation is under the supervision of the Ministry responsible for Cultural Affairs. In your capacity as the head of this ministry, we ask you to pave the way for open dialogue and seek solutions together.

Your interview with SR on 16 January 2024 about the canceled exhibition was a first step towards initiating a dialogue. We hope that this exchange will continue and deepen. In the spirit of the foundation's purpose, as stated in § 2, we believe that lectures, workshops, accompanying educational museum projects, or symposia are far more suitable for conveying an open concept of culture and enduring the associated controversies. It would be beneficial if the Saarländischer Kulturbesitz Foundation could provide a platform for open exchange, to appreciate different perspectives, and to foster constructive dialogue.

We thank you in advance for your openness and commitment and offer our readiness for further discussions.

Sincerely,
Sung-Hyung Cho & Georg Winter

 

Initiators:
Sung-Hyung Cho, Leslie Huppert, Armin Rohr, and Georg Winter

 

Erstunterzeichnerinnen / initial signatories: 

1. Mert Akbal, Künstler, Berlin
2. Aline Barre, Designerin, Frankreich
3. Dominik Barre, Filmemacher, Frankreich
4. Ulrich Behr, Künstler, Saarbrücken
5. Hendrik Becker, Founder & CEO internett GmbH, Saarbrücken
6. Camilo Berstecher Barrero, Filmemacher, Saarbrücken
7. Claudia Brieske, Künstlerin, Berlin
8. Élodie Brochier, Schauspielerin, Musikerin, Sarreguemines
9. Jörn Peter Budesheim, Zeichner, Kassel
10. Thomas Carlé, Professor a.D., Darmstadt
11. Sung-Hyung Cho, Filmemacherin, Usingen
12. Marion Cziba, Künstlerin, Saarbrücken
13. Werner Deller, Informatiker, Saarbrücken
14. Tom Duscher, Kommunikationsdesigner, Hamburg
15. Roman Eich, Autor, Saarbrücken
16. Gudrun Emmert, Künstlerin, Saarbrücken
17. Karen Fritz, Künstlerin, Köln
18. Stefan Gross, Künstler, Rotterdam
19. Julian Gruber, Marketing Manager, Saarbrücken
20. Ned Hamson, Autor, Cincinnati, Ohio USA
21. Klaus Harth, Zeichner, Wemmetsweiler
22. Daniel Hausig, Künstler, Hamburg
23. Mane Hellenthal, Künstlerin, Saarbrücken
24. Albert Herbig, Künstler, Saarbrücken
25. Barbara Herold, Künstlerin, München
26. Mark Heydrich, Autor, Saarbrücken
27. Halona Hilbertz, Künstlerin, New York
28. Astrid Hilt, Bildhauerin, Neunkirchen
29. Leslie Huppert, Künstlerin, Riegelsberg, Berlin
30. Petra Jung, Künstlerin, Saarbrücken
31. Bengü Karaduman, Künstlerin, Instanbul
32. Alexander Karle, Künstler, Saarbrücken
33. Sarah Kempf, Researcherin, Saarbrücken
34. Leonard Koch, Videodesigner, Saarbrücken
35. Mike Mathes, Künstler, Saarbrücken
36. Jörn Michaely, Künstlerischer Leiter Bundesfestival Junger Film, St. Ingbert
37. Christophe Ndabananiye, Künstler, Berlin
38. Bernd Nixdorf, Schriftsteller, Saarbrücken
39. Sigrun Olafsdottir, Künstlerin, Island, Saarbrücken
40. Tim Ohler, Fotograf, Berlin
41. Karen Ostrom, Künstlerin, Brooklyn NY, USA 
42. Natascha Pötz, Künstlerin, Berlin
43. Heike Puderbach, Künstlerin, Saarbrücken
44. sabel Reichert, Künstlerin, Professorin, San Francisco 
45. Armin Rohr, Maler und Zeichner, Saarbrücken
46. Sebastian Rupp, Creative Director, Bamberg
47. Inder Salim, Künstler, Schriftsteller, New Delhi
48. Dr. Ralph Schock, Journalist a.D., Saarbrücken
49. Klaudia Stoll, Künstlerin, Berlin
50. Marko Waschke, Designer, London
51. Jacqueline Wachall, Künstlerin, Berlin
52. Bernd Wegener, Musiker, Saarbrücken
53. Christiane Wien, Künstlerin, Saarbrücken
54. Georg Winter, Künstler, Praktikant des Roma-Büro Freiburg e.V., Stuttgart
55. Efrat Zehavi, Künstler, Israel, Niederlande
56. Frederik Zenner, Medientechniker, Saarbrücken

 

 

 

 

Jetzt unterstützen
442 Unterschriften:Nächstes Ziel: 500
Jetzt unterstützen
Teilen Sie diese Petition persönlich oder fügen Sie den QR-Code in Ihre eigenen Materialien ein.QR-Code herunterladen