TIMSS10 12 2020Vorstellung der TIMSS-Studie 2019 auf einer Online-Pressekonferenz am 8.12.2020. Staatssekretär Christian Luft (re.) und zugeschaltet: Kultusministerin Dr. Stefanie Hubig (li.) und der Leiter der Studie Prof. Knut Schwippert (mitte). Foto: BMBF/Hans-Joachim Rickel.
In Mathematik erreichen die Grundschüler*innen der vierten Klassen in Deutschland einen Leistungsmittelwert von 521 Punkten. Sie befinden sich mit Platz 25 im Mittelfeld aller weltweit teilnehmenden 58 Staaten. Die Leistungen in den Naturwissenschaften befinden sich ebenfalls im Mittelfeld, sie sind in den vergangenen Jahren sogar leicht zurückgegangen. 19 Staaten erzielen signifikant bessere Mathematikleistungen. Darunter befinden sich die EU-Länder Nordirland, Irland, Lettland, England, Litauen, Österreich, die Niederlande, die Tschechische Republik, Belgien, Zypern und Finnland.

Diese Ergebnisse der TIMSS-Studie stellten am Dienstag, den 8. Dezember 2020, Dr. Stefanie Hubig (Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin), Christian Luft (Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung) und der wissenschaftliche Leiter der Studie in Deutschland, Prof. Dr. Knut Schwippert (Erziehungswissenschaftler an der Universität Hamburg), auf einer Online-Pressekonferenz vor.

Die internationale Bildungsvergleichsstudie „Trends in International Mathematics and Science Study“ (TIMSS) dokumentiert alle vier Jahre die Leistungen von Viertklässler*innen in Mathematik und Naturwissenschaften. Ihre aktuellen Ergebnisse in nationaler und internationaler Perspektive geben insbesondere einen Blick auf die Entwicklungen im Grundschulbereich in den letzten 13 Jahren. Deutschland beteiligt sich seit 2007 an der Studie, die neuesten Daten aus dem Jahr 2019 stellen die Entwicklungen vor der Corona-Pandemie dar. Die Ergebnisse in Kürze:

Mathematikkompetenz

Die Mathematikkompetenz von Grundschüler*innen liegt seit 13 Jahren im internationalen Vergleich fast unverändert auf demselben mittleren Niveau. Im Vergleich zu den TIMSS-Studien der Jahren 2011 und 2015 zeigt sich keine signifikante Leistungssteigerung in Mathematik. Bildungsministerin Hubig sagte: „Offen gestanden haben uns die Ergebnisse nicht überrascht.“ Sie bewertete positiv, dass die Leistungen in Mathematik bei den schwierigeren Rahmenbedingungen an Schulen stabil geblieben sind: „Dass Schülerinnen und Schüler in Grundschulen seit 2007 stabile Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften zeigen ist ordentlich. Das ist ein gutes Ergebnis, insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmend heterogener werdenden Schülerschaft und der Umbrüche, vor denen die Schulen stehen.“ Sie betonte: „Das zeigt, welch wichtige Arbeit unsere Grundschullehrkräfte leisten. Und dafür gebührt ihnen unser Dank.“ 
Hubig bewertete die TIMSS-Studie insgesamt als sehr wertvoll, da an ihr zentrale Handlungsfelder und Konsequenzen deutlich würden - Grundlage für weitere Entscheidungen in der Bildungspolitik.

Christian Luft betonte bezüglich des mittleren Leistungsniveaus Deutschlands: „Damit liegen wir signifikant unter dem EU- und OECD-Durchschnitt der beteiligten Länder an diese Studie. Es gibt einen großen Abstand zur Leistungsspitze international. Aber insgesamt liegt Deutschland hier über dem internationalen Durchschnitt. Was uns ein bisschen beunruhigt, ist ein relativ hoher Anteil von Schülerinnen und Schülern die nur elementares mathematisches Wissen haben. Die Schülerinnen und Schüler liegen unter der Kompetenzstufe drei. Das sind rund 25%, die wahrscheinlich, so die Einschätzung der beteiligten Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker, erhebliche Schwierigkeiten haben werden an weiterführenden Schulen mitzuhalten oder den Anschluss zu gewinnen.“ Österreich, mit ähnlich schwierigen Rahmenbedingungen wie Deutschland in Bezug auf eine „bildungsschwache Schülerschaft“, hat hier im Gegensatz zu Deutschland in den letzten Jahren bessere Noten erzielt. 
Luft ergänzte: „Die Leistungsspitze in Deutschland, das sind die Schüler und Schülerinnen auf der höchsten Stufe, ist ziemlich schmal mit 6 % in Mathematik ausgeprägt, da ist noch deutlich Luft nach oben.“ Spitzenreiter der mathematischen Leistungserfolge bei Viertklässler*innen sind fast ausschließlich Staaten aus Ostasien: Singapur, Hongkong und Südkorea, Taiwan und Japan, die die internationale Rangliste anführen. Deutschland liegt hier auf Platz 25 (von 58), ganz am Ende stehen Südafrika, Pakistan und die Philippinen. Christian Luft sagt „Länder mit mehr Drill beim Lernen haben ein höheres Leistungsniveau. Disziplin ist notwendig – aber auch Freude am Lernen.“

Differenziert man nach mathematischen Inhaltsbereichen zeigen die Grundschüler*innen in Deutschland relative Stärken im Bereich Messen und Geometrie (531) sowie relative Schwächen in den Bereichen Arithmetik (517) und Daten (515). Bei den kognitiven Anforderungsbereichen zeigen sich in Deutschland relative Stärken im Themenbereich Problemlösen (531) und durchschnittliche (das heißt auf dem Niveau des deutschen Gesamtmittelwertes liegende) Leistungen im Bereich Reproduzieren (523). Etwas weniger gute Leistungen sind bei Viertklässlern im Bereich Anwenden (514) zu finden.

Einstellung der Schülerschaft

Hervorzuheben ist die positive Einstellung der Schülerschaft zum Mathematikunterricht und zu ihren Mathematiklehrkräften. Knut Schwippert sagte: „Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler sind gegenüber der Mathematik positiv eingestellt, sogar drei Viertel gegenüber den Naturwissenschaften. Nicht ganz so erfreulich: Seit 2007 sinken diese Werte systematisch.“ Christian Luft betonte: „Lust auf lebenslanges Lernen kann man schon früh in der frühkindlichen Bildung fördern, hier liegt der Hebel mit dem man sehr viele Schätze heben kann.“ Außerdem betont Luft die Wichtigkeit der außerschulischen Lernorte, die seiner Aussage nach „stärker ins Gewicht fallen mögen“. Geschlechtsunterschiede konnte man 2019 keine Feststellen.

Herkunft und Bildungserfolg

Christian Luft betonte, es sei positiv zu bewerten, dass der Anteil von Kindern aus armutsgefährdeten Familien verglichen mit den Jahren 2007, 2011 und 2015 im Jahr 2019 auf 21,5% signifikant gesunken ist (vorher 34%).
Nichtsdestotrotz bleibt die Kinderarmut ein großes Problem in Deutschland. Die Studie macht auffallend deutlich, wie hoch die Abhängigkeit der Schülerleistungen vom sozio-ökonomischen Hintergrund des Elternhauses ist; sie ist in Deutschland immer noch höher als in vielen anderen Ländern. Auch der Anteil besonders leistungsstarker Schüler*innen ist in Deutschland deutlich niedriger als anderswo.
„Wenn wir die Zukunftschancen der jungen Generation in Deutschland sichern wollen, muss das Bildungssystem in Deutschland mehr Kinder und Jugendliche zu höheren Bildungsabschlüssen führen – und zwar unabhängig von ihrer Herkunft.“ erklärt Dr. Stefanie Hubig. Und: „Wir müssen dafür sorgen, dass Bildungserfolg nicht von der Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern abhängt. Durch die Coronapandemie ist die Sorge groß, dass sich die Sozialdisparität noch weiter vergrößert.“ Zudem wird festgestellt, dass die Einstellung der Eltern als Co-Partner, die Allianz von Lehrkräften und Eltern in Bildungsangelegenheiten ihrer Kinder verloren gegangen ist. Deshalb benötigen Lehrkräfte Unterstützung. Hubig: „Wichtig ist hier die Sozialarbeit an Schulen und multiperspektivische Teams“. Hubig hofft, dass der Schwung der Digitalisierung nach der Corona-Pandemie mitgenommen wird um hier weiter voranzukommen. Sie sagte: „Auf die Lehrer kommt es an!“ 

Thema Weiterbildung

Bei der Teilnahme an Fortbildungen bleiben die Lehrkräfte in Deutschland unter dem EU-Durchschnitt. Thematisch betrifft das beispielsweise die Einbindung der Informationstechnologien in den Unterricht. Prof. Knut Schwippert sagte: „Ob dies an fehlenden Angeboten liegt oder ob kein Interesse der Lehrkräfte vorliegt, darüber kann die TIMSS keine Auskunft zu geben. An dieser Stelle sind wir nicht auskunftsfähig.“ 
Wichtig sei, so Hubig, leistungsschwache Schüler*innen im Blick zu haben, aber auch leitungsstarke Schüler*innen stärker zu fördern: „Wir müssen Lehrkräfte unterstützen mit heterogenen Gruppen umzugehen. Dazu benötigen sie Werkzeuge der Diagnostik und der individuellen Förderung im Bereich Aus- und Fortbildung.“ Förderlich sei, so Hubig, auch der weitere Ausbau der Ganztagsschulen. Im Januar 2021 startet eine gemeinsame Initiative „Schule macht stark“  von Bund und Ländern. Ziel ist die Bildungschancen von sozial benachteiligten bildungsschwachen Schüler*innen zu erhöhen. Ein weiterer Punkt ist die gezielte Talentförderung. Hubig sagte, es sei wichtig die MINT-Fächer zu stärken, beginnend bei den Kitas über die Grundschulen: „Mathematik zu können muß cool sein und nicht das Gegenteil.“

Zur TIMSS- Studie

Auf internationaler Ebene ist die International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) Initiator. An der TIMSS (Trends in Mathematics and Science Study) haben 2019 weltweit 58 Staaten mit mehr als 300.000 Schüler*innen teilgenommen. In Deutschland wurden für den internationalen Vergleich 4.900 Viertklässler*innen, 3250 Erziehungsberechtigte, fast 400 Lehrkräfte und 229 Schulleitungen in die Untersuchung einbezogen. Die Analyse der Studienergebnisse und die Berichtslegung erfolgte durch ein nationales Konsortium unter Federführung des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der Technischen Universität Dortmund (IFS). TIMSS wird in vierjährigem Rhythmus durchgeführt. Die nächste Erhebung findet 2023 statt. Die TIMSS-Studie(n) finden Sie hier. 

B. Klompmaker

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