Graphic Novel Treffen sich zwei Welten im Kinderzimmer . . .

Saarbrücken · Die Reihe „Der Araber von morgen“ des französischen Autors und Zeichners Riad Sattoufs ist auch in Deutschland erfolgreich. Im aktuellen vierten Band verarbeitet der Autor, aufgewachsen im Westen und in der arabischen Welt, seine Beziehung zu seinem zunehmend reaktionären, islamistischen Vater.

 Mit diesen beiden Seiten beginnt der vierte Band von „Der Araber von morgen“ von Riad Sattouf.

Mit diesen beiden Seiten beginnt der vierte Band von „Der Araber von morgen“ von Riad Sattouf.

Foto: Riad Sattouf

Comic-Autor Riad Sattouf war als Kind ein Wanderer zwischen Orient und Okzident. Der 1978 geborene Sohn einer französischen Mutter und eines syrischen Vaters verbrachte seine ersten Lebensjahre in Frankreich, ehe seine Eltern erst nach Libyen und dann nach Syrien zogen. In den Comic-Bänden „Der Araber von morgen“ hat Sattouf seine Kindheitserlebnisse zeichnerisch und literarisch festgehalten.

In Frankreich (und bei uns) war und ist die Reihe sehr beliebt mit bisher anderthalb Millionen verkauften Exemplaren. Der bisher umfangreichste Band 4 ist jetzt im Penguin Verlag erschienen und spielt im Gegensatz zu seinen Vorgängern überwiegend in Frankreich. Dort lebt Sattoufs Mutter, nachdem sie mehr und mehr Widerwillen gegen das Leben im Orient entwickelt hat. Riads Vater Abdel ist der entscheidende Charakter der gesamten Reihe: Er ist innerlich völlig zerrissen zwischen den Prägungen seiner Herkunft aus einem kleinen syrischen Dorf, der Bildung, die er in Damaskus und später in Paris erfahren hat, und den Vorzügen der westlichen Lebensart.

Ghaddafi und Saddam Hussein hält er für große Staatsmänner und freut sich wie ein Fußballfan über die Kriege, die der irakische Diktator gegen Iran und Kuwait anzettelt. Franzosen beschimpft er als Rassisten, wenn sie ihm in die Quere kommen; dagegen sieht er selbst verächtlich auf „Neger“ herab und ist voller Hass auf die Juden.

In Band 4 lehrt Abdel Sattouf als Dozent an einer Universität in Saudi-Arabien, ein Land, für das er schon in den Bänden zuvor heimliche Bewunderung gehegt hat. Dort hofft er auf den großen Reichtum und glaubt etwa, einer der saudischen Prinzen habe ihm eine diamantenbesetzte Uhr geschenkt, die ein Vermögen wert sei. Ein französischer Juwelier („Rassist!“) lässt diesen Traum zerplatzen, so wie sich auch viele andere Wunschvorstellungen in Luft auflösen. Weder baut der Vater eine Villa in seinem Heimatdorf, noch gelangt er an ein größeres Automobil deutscher Herkunft. Und vorzeitig in Rente gehen, das klappt auch nicht, denn so viel Geld hat er in Saudi-Arabien auch nicht verdient. Aber am schlimmsten ist für ihn, dass seine drei Söhne (Riad ist der älteste) offenbar zu Franzosen heranwachsen und nicht zu Arabern.

War das Familienleben schon bröckelig in den ersten drei Bänden, so ist der große Riss zwischen den Eltern des Autors jetzt nicht mehr zu kitten. In der eindringlichsten Szene verbrennt der Vater während eines Aufenthalts im syrischen Heimatdorf seiner Frau die Fußsohle, weil er glaubt, sie habe sich über Gott lustig gemacht. Zu seinem zweifelhaften Charakter kommt nämlich auch eine immer stärkere Hinwendung zur Religion. Schlackern einem schon die Ohren bei dem abenteuerlichen Verhalten des eigentlich gebildeten Vaters, sind die Sitten und Gebräuche seines Heimatdorfs noch erschreckender. Vor allem der rasende Hass auf Israel, der praktisch mit der Muttermilch aufgesogen wird, sprengt alle Vorstellungen.

Insgesamt geben die lesenswerten Comic-Bände einen tiefen und intimen Einblick in die orientalischen Befindlichkeiten der 80er und 90er Jahre. Neben dem abgrundtiefen Judenhass zeigen sich dort Tierquälerei, brutale Lehrer, Mangelversorgung und Korruption. Um es kurz zu machen: Die syrische Heimat seines Vaters kommt nicht besonders gut weg in Sattoufs Rückschau. Da verwundert es nicht, dass unter den vielen Sprachen wie Katalanisch oder Slowenisch, in die der Comic übersetzt wurde, eine fehlt: Arabisch.

Und auch der Applaus rechter Kreise, die sich in ihren Vorurteilen bestätigt sehen, ist dem Autor, vermutlich sicher.

 Der Araber von morgen Band 4 von Riad Sattouf

Der Araber von morgen Band 4 von Riad Sattouf

Foto: Riad Sattouf
 Riad Sattouf: Der Araber von morgen, band 2

Riad Sattouf: Der Araber von morgen, band 2

Foto: Riad Sattouf

Riad Sarrouf: Der Araber von morgen. Eine Kindheit im Nahen Osten. Penguin, 288 Seiten, 19,99 Euro.

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