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"The Walking Dead"-Comics: Zombie-Reihe wirklich getötet

Zombie-Comic-Saga "The Walking Dead" geht überraschend zu Ende

Wirklich tot: Nach 16 Jahren endet "The Walking Dead" - die Comicvorlage zur erfolgreichen TV-Serie über Zombies. Warum hört Erfinder Robert Kirkman nach 193 Heften auf?

Wenn früher in Comic-Heften etwas geschah, das selbst für deren Maßstäbe ganz und gar unglaublich erschien - wenn etwa Superman Lois Lane heiratete oder Commissioner Gordon ins Batman-Kostüm schlüpfte -, dann hieß es in der Ankündigung meist: "Not a dream! Not a Hoax!" Kein Traum, keine Verarsche.

Manchmal war es dann doch Verarsche. Als Robert Kirkman darum ankündigte, dass die Comicserie "The Walking Dead" eingestellt wird, musste er sich viel Mühe geben, den Lesern zu erklären, dass er niemanden veräppeln will. Kirkman ist der Erfinder und Autor der Zombie-Saga, die 2003 zuerst als Comicserie erschien, ehe sie sich als Fernsehserie zu einem veritablen Franchise auswuchs, mit TV-Spin-offs, ergänzenden Romanen, Games, Actionfiguren, Brettspielen und sogar Zombie-Ohren aus Seife.

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"The Walking Dead"-Comics: Zombie-Reihe wirklich getötet

Nun kam am Dienstag aus dem Nichts die Nachricht, dass bereits die am Mittwoch erscheinende Ausgabe 193 die letzte sein solle. "Das ist das Ende von The Walking Dead", schrieb Kirkman. "Das wars ... es ist vorbei ... wir sind fertig." Weil sich Medien wie Fans verwundert die Augen rieben, musste er seinen Verleger vorschicken: "Die Serie schließt mit der selben Endgültigkeit, die typisch für sie war", konstatierte Image-Verlagsleiter Eric Stephenson lapidar, ein Verweis auf die unzähligen Hauptfiguren, die im Lauf der Handlung ihr Leben lassen mussten.

Comicfiguren sind schwer zu killen

Verwirrend daran war, dass die folgenden drei Ausgaben schon angekündigt waren, samt Cover und minimaler Inhaltsangabe. Sogar eine neue Figur sollte ihr Debüt feiern, ein Sheriff namens Kapoor. Verwirrend war, dass die Serie nicht mit einer runden Nummer abgeschlossen werden würde. Verwirrend war, dass die Verkaufszahlen Monat für Monat brillant waren.

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19.04.2024 17.04 Uhr

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Überhaupt sind Comicfiguren schwer zu killen. Batman, Superman und Captain America mussten in ihren Serien bereits sterben und auferstehen. Von Figuren wie Supergirl gibt es fast ein halbes Dutzend Versionen, ebenso von Green Arrow und Flash. US-Comics sind darauf ausgerichtet, im Idealfall ewig zu laufen.

Warum also endet gerade dieser Comic? Allein 2013 generierte er in den USA einen Umsatz von 18,3 Millionen Dollar. Sechs Prozent aller in jenem Jahr im US-Buchhandel verkauften Comics waren Ausgaben von "The Walking Dead", die es in unzähligen Varianten gab und gibt: als Softcover, als Hardcover, als dünne Ausgaben für unterwegs oder als kiloschwere Sammelbände.

Macher haben Millionen verdient

Kirkman versucht die Einstellung so zu erklären: "'The Walking Dead' beruhte von Anfang an auf dem Element der Überraschung. Nicht zu wissen, was auf der nächsten Seite geschehen würde, wer stirbt, wie er stirbt,… war essenziell für den Erfolg der Serie." Angesichts dessen "fühlte es sich falsch an, das Ende der Serie nicht ebenso überraschend zu gestalten". Er habe seit Langem ein Finale im Kopf gehabt - und nun sei der Punkt erreicht, an dem er es geschehen lassen würde.

Dass Kirkman die Serie überhaupt beenden kann, liegt an ihrem besonderen Status als Independent-Comic. Während die meisten Comics in den USA, insbesondere die Superheldentitel, Auftragsarbeiten sind, an denen Autoren wie Zeichner keinerlei Rechte haben, erscheint "The Walking Dead" beim Verlag Image. Der freilich ist eher eine Art Dienstleister: Image übernimmt Druck und Vermarktung der Hefte, zahlt aber keine Honorare. Dafür bekommen die Macher der Comics einen Großteil des Umsatzes und behalten sämtliche Rechte.

Das kann sich lohnen, wenn ein Fernsehsender anklopft und eine erfolgreiche Fernsehserie aus der Vorlage macht. Kirkman und den Zeichner Charlie Adlard, der die Serie seit Heft 7 nahezu durchgängig zeichnet, hat der multimediale Erfolg des Comic zu Millionären gemacht: "Es läuft schon recht gut", wie Adlard vor einigen Jahren im Interview mit SPIEGEL ONLINE in dezentem Understatement zugab.

Tatsächlich könnte es noch einen weiteren Grund für die Einstellung geben, einen inhaltlichen. Seit die Serie 2003 begann, haben die USA sich radikal gewandelt. Einer gewachsenen Empfindsamkeit für die Rechte von Minderheiten steht ein gewachsener Rechtsextremismus entgegen. Schwierig für ein Thema wie Zombies, das immer auch Ausdruck der Angst des weißen Amerika vor multikultureller Zuwanderung und Überfremdung ist.

VORSICHT! ES FOLGEN SPOILER. Lesen Sie nicht weiter, wenn Sie sich vom besprochenen Comic überraschen lassen wollen.

Kirkman adressiert dieses Unbehagen in seiner letzten, hochpolitischen Ausgabe, in der der Held angeklagt wird, weil er einen Zombie auf seinem Grundstück erschossen hat - eine Anspielung auf den Tod des 17-jährigen Schülers Trayvon Martin, der 2012 von dem weißen George Zimmerman erschossen wurde. "Es kam mir nie in den Sinn", verteidigt sich Kirkmans Held, "anders zu handeln, als ich es tat." Selbstverteidigung, darauf beruft er sich ebenso, wie es in der realen Welt Zimmerman tat. Er wird verurteilt, den getöteten Zombie zu ersetzen.

Ein klares politisches Statement vermeidet Kirkman. Aber der Zynismus der finalen Ausgabe von "The Walking Dead" zeigt, wie sehr er als Autor kämpft. Mit Themen, die drohen, seine Geschichte von Außen zu übernehmen. Themen aus der realen Welt, die sich fast ebenso stark gewandelt hat wie die von Zombies überrannte Welt, die Kirkman in seinen Comics schildert.

Während der Comic endet, geht das Franchise weiter. Neben der im Herbst startenden zehnten Staffel der TV-Serie und der laufenden fünften Staffel des Ablegers "Fear the Walking Dead" ist eine weitere Serie sowie eine Reihe von TV-Filmen für 2020 geplant. Kein Traum, keine Verarsche: Fernsehfiguren sind noch schwerer zu killen als Comicfiguren!