Berlin . Senatorin Katrin Lompscher (Linke) erarbeitet ein Modell, das Mieterhöhungen ausschließt. Es soll ab 2020 gelten.

Die Mieten in Berlin sollen für den Zeitraum von fünf Jahren nicht erhöht werden. Das sieht ein Eckpunktepapier vor, das im Haus von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) erarbeitet wurde und der Berliner Morgenpost vorliegt. Ausgenommen sind lediglich Neubauwohnungen, die noch nicht vermietet wurden sowie Sozialwohnungen, für die eigene Regelungen greifen. Das Konzept soll dem Senat noch vor der Sommerpause zugehen. Wie daraus weiter hervorgeht, soll das öffentlich-rechtliche Mietenmoratorium im Januar 2020 in Kraft treten.

In dem Eckpunktepapier, das der Senat am 18. Juni beschließen und das, so sieht es der Fahrplan vor, am 31. August in die Schlusszeichnung durch die Verwaltung gehen soll, ist ferner geregelt, dass bei der Neuvergabe von Wohnungen die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis Bestand haben muss. Zudem sollen Modernisierungsumlagen unter eine besondere Genehmigungs- und Anzeigepflicht gestellt werden. Anzeigepflichtig sollen Umlagen sein, bei denen die Bruttowarmmiete um mehr als 50 Cent je Quadratmeter und Monat steigt.

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Wirtschaftliche Härtefälle der Vermieter sollen auf Antrag durch die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB) geprüft werden. Sollte eine wirtschaftliche Notlage nachgewiesen werden, könne die IBB im Einzelfall Mieterhöhungen genehmigen. Den betroffenen Mietern, sofern sie Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben, solle „ein finanzieller Ausgleich“ gewährt werden. Ein später folgender Gesetzentwurf dazu soll im Dezember durch das Abgeordnetenhaus beschlossen werden.

Mietendeckel in Berlin ist Wunschprojekt der SPD

Der sogenannte landesweite Mietendeckel ist vor allem ein Wunschprojekt der SPD, die darin auch eine Möglichkeit sieht, dem Volksbegehren für die Enteignung großer privater Immobilienkonzerne einen eigenen Vorschlag entgegenzusetzen. Seit November vergangenen Jahres wird über einen Landesmietendeckel für die Hauptstadt diskutiert. Angestoßen hatte die Debatte ursprünglich der Jurist Peter Weber mit einem Beitrag in einer juristischen Fachzeitschrift, den die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl aufgegriffen hatte. Auf Druck der SPD hatte Senatorin Lompscher daraufhin eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Justiz und Wirtschaft sowie Mietrechtsexperten, eingesetzt. Sie sollte vor allem die verfassungsrechtliche Zulässigkeit und weitere Detailfragen ressortübergreifend prüfen.

In den vergangenen Wochen waren wiederholt interne, nicht finale Arbeitsstände des Konzepts durchgesickert. In diesen wurde jedoch noch ein anderer Weg präferiert: Statt die Mieten generell einzufrieren, sollten für bestehende Mietverhältnisse Erhöhungen nur noch bis zu einer Mietobergrenze möglich sein. Das jedoch hatte insbesondere in der SPD viele nicht überzeugt, weil damit lediglich verhindert worden wäre, dass teure Mieten weiter steigen. Günstige Mieten könnten jedoch bis zu dieser Obergrenze noch weiter erhöht werden. Dieser Vorschlag findet sich in dem Papier nur noch als eine von zwei Alternativideen wieder. Auch die von der Senatorin eingesetzte Arbeitsgruppe kommt zu dem Schluss: „Profitieren von der Festlegung von Obergrenzen würden allein Mieter mit bereits höheren Mieten.“

Bußgelder bis zu 500.000 Euro sind möglich

Ein weiterer Vorschlag sieht ein Mietenmoratorium mit Inflationsausgleich vor. Denkbar wäre demnach eine regelmäßige Anpassung der festgeschriebenen Mieten entsprechend der Inflationsrate. Auch hier kamen die Expertenrunde zu der Auffassung, dass bei einem solchen Vorgehen die Mieten weiter steigen würden.

Im Gegensatz zu früheren Fassungen weist das Papier nun auch drastische Geldbußen aus, sollte sich ein Vermieter nicht an die neuen Regelungen halten. Statt eines Bußgeldes von maximal 100.000 Euro sollen nun bis zu 500.000 Euro fällig werden.

Berliner Mieterverein begrüßt das Vorhaben eines Mietendeckels in Berlin

In einer ersten Stellungnahme begrüßt der Berliner Mieterverein (BMV), „dass es der Senatorin ernst ist mit einer Mietenkappung als Landesgesetz“, so Geschäftsführer Reiner Wild. Der Verein sehe in den öffentlich-rechtlichen Vorgaben für Mietpreise eine klare Stärkung des Mieterschutzes. Allerdings hätte sich der BMV lieber ein Modell gewünscht, das nicht auf fünf Jahre befristet sei. „Wir werden alsbald dem Senat und dem Abgeordnetenhaus ein eigenes Modell vorstellen, dass auf Mietobergrenzen basieren wird“, kündigte Wild an.

Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) begrüßte den Gesetzentwurf ebenfalls. Die Idee eines Mietendeckels sei zunächst in den Reihen der SPD Mitte entstanden, sagte Gothe. „Ich war froh, dass Frau Lompscher das sofort aufgegriffen hat. Wenn der Entwurf rechtlich trägt, ist das toll.“

Bedenken hat dagegen Volker Härtig vom SPD-Fachausschuss „Soziale Stadt“. „Mit keinem Satz wird auf die durch den jüngsten Mietspiegel verdeutlichte, in Berlins Wohnungsteilmärkten und Stadtregionen sehr unterschiedliche Mietenentwicklung eingegangen“, bemängelt er. Und Maren Kern, Chefin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU, hält „einen Mietendeckel mit den vorliegenden Eckpunkten für verfassungsrechtlich höchst bedenklich“. Angesichts schwarzer Schafe auf dem Wohnungsmarkt könnten Anpassungen des Mietrechts sinnvoll sein, sage Kern der Berliner Morgenpost.

Mietendeckel ändert nichts an Zielen des Mietenvolksentscheids

Ansonsten waren die Reaktionen am Dienstagmorgen gemischt. Rouzbeh Taheri von der Initiative Mietenvolksentscheid Berlin "Deutsche Wohnen & Co enteignen" sagte auf Anfrage: „Wir begrüßen jede Maßnahme, die Mietern nützt. Wir wollen aber zunächst abwarten, wie die endgültige Lösung für den Mietendeckel aussieht“. An den Zielen des Volksentscheids werde das Konzept allerdings nichts ändern – „wir wollen eine grundsätzliche Lösung anstreben, damit wir nicht in fünf Jahren da stehen, wo wir uns jetzt befinden“, erklärte Taheri. Insgesamt handle es sich bei einem zeitweiligen Mietenstopp aber um eine „kreative Lösung“, die auf Druck von der Straße zustande gekommen sei.

„Inhaltlich absurd“ nennt die Maßnahme Bernd Strehlow vom Bundesverband der privaten Immobilienwirtschaft. Es sei unverhältnismäßig, die Mieten für 1,6 Millionen Wohnungen festsetzen zu wollen und damit zu riskieren, dass Wohnungseigentümer auf Investitionen verzichten. Auch an der Rechtmäßigkeit des Eingriffs meldet der Verband Zweifel an. Man werde in Kürze ein Gutachten veröffentlichen, aus dem hervorgeht, dass Berlin mit einer solchen Regulierung seine Kompetenzen überschreitet. „Das Land Berlin darf das nicht“, nimmt Strehlow das Ergebnis des Papiers vorweg.

SPD sieht Durchbruch bei der Bändigung des Marktes

Maren Kern, die Vorstandsvorsitzende des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), sieht einen so konzipierten Mietenstopp ebenfalls kritisch. „Wesentlich fokussierter als ein Mietendeckel wären hier beispielsweise ein Erschweren der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, ein Kündigungsschutz für Seniorinnen und Senioren, mehr Schutz vor Luxusmodernisierungen oder höhere Hürden für Eigenbedarfskündigungen“, erklärte Kern.

Aus Sicht von Daniel Buchholz, dem stadtentwicklungspolitischen Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, wäre ein Mietendeckel der Durchbruch zur Regulierung eines „extrem angespannten Wohnungsmarkts“. Die Sozialdemokraten hätten dieses Ziel lange angestrebt und seien die treibende Kraft hinter dem Eckpunktepapier. „Wenn wir eine Regelung finden, wäre es ein sehr wichtiger Schritt für alle Mieterinnen und Mieter“, sagte Buchholz auf Anfrage. Nun gelte es, einen Gesetzentwurf rechtssicher zu formulieren. „Wir wollen keinen Papiertiger produzieren, sondern ein wirksames Instrument“, sagte Buchholz. Er räumt ein, dass man an den Details noch feilen muss. Denn es solle auch künftig möglich sein, dass Wohnungseigentümer ihre Wohnungen instand halten und Mieter an den Kosten beteiligen. „Wir wollen dafür sorgen, dass faire Vermieter nicht bestraft werden“, betont der Sozialdemokrat.

FDP sieht Senat als „größten Mietentreiber“

Sibylle Meister, Sprecherin für Haushalt und Finanzen der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, lehnt den Entwurf für einen Mietendeckel kategorisch ab. Berlin brauche eher eine Neubau-Offensive, begleitet von einem „Mieten-Tüv“, einem Baulückenkataster, schnelleren Baugenehmigungen und der Ausweitung des Dachgeschossausbaus.

„Mit diesem Entwurf macht der Berliner Senat klar, dass er selbst der größte Mietentreiber ist“, heißt es von der FDP-Abgeordneten. „Der Mietendeckel wird langfristig nicht zu einer Entlastung auf dem Berliner Wohnungsmarkt beitragen, denn mit dieser Maßnahme entsteht weiterhin kein neuer Wohnraum“.

CDU befürchtet jahrelangen Rechtsstreit

Ähnliche Bedenken äußert CDU-Stadtentwicklungsexperte Christian Gräff. Er sagt: „Die heute bekannt gewordenen Eckpunkte für einen Mietendeckel erscheinen unausgegoren und rechtlich angreifbar, so dass sie in einem jahrelangen Streit vor dem Verfassungsgericht münden könnten“. Der Senat müsse jetzt nachweisen, dass er alle Anstrengungen unternimmt, den Neubau anzukurbeln. Bisher seien die Zahlen nicht überzeugend.