Der Europarat hat Deutschland einen Besuch abgestattet und beklagt ein hohes Maß an Armut und sozialer Benachteiligung

Der Europarat wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Er ist von der Europäischen Union unabhängig. Ihm gehören 46 europäische Staaten an.

Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, hat vom 27. November bis zum 1. Dezember 2023 Deutschland besucht und darüber einen Bericht verfasst. Die Mitteilung des Europarates zu diesem Report ist so überschrieben: Deutschland: Menschenrechtsversprechen einlösen und den Zugang zu sozialen Rechten verbessern. »Die Regierung hat begrüßenswerte Schritte unternommen, um das Sozialsystem zugänglicher zu machen und soziale Sicherungsleistungen anzuheben. Es sind jedoch weitere Anstrengungen erforderlich, um gegen die wachsende Ungleichheit in Deutschland anzugehen, bestehende Hürden beim Zugang zu sozialen Rechten zu beseitigen und die negativen Langzeitfolgen von Armut auf die individuelle Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsaussichten zu minimieren.« Vor allem in drei Bereichen müsse mehr getan werden.

So müsse »der Bekämpfung der hohen Armutsquoten, insbesondere bei Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.«

„Alle relevanten Akteure sollten auf zwischenbehördlicher und interministerieller Ebene zusammenarbeiten, um den Zugang zu sozialen Rechten zu verbessern, und die Rechteinhaber sollten frühzeitig über ihre Ansprüche informiert und beraten werden“, word die Menschenrechtskommissarin Mijatović zitiert. Beklagt wird auch »das akute Defizit an bezahlbarem Wohnraum, insbesondere in den städtischen Zentren«, das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden müsse – »einschließlich geeigneter Eingriffe in den Wohnungsmarkt.« Die Bundesregierung wird aufgefordert, »eine auf den Menschenrechten basierende Wohnungsstrategie zu entwickeln und den Nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Obdachlosigkeit ohne weitere Verzögerung zu verabschieden.«

Zu den Kindern wird ausgeführt: »Die Regierung hat sich zu einer Stärkung der Kinderrechte im Rahmen der Rechtsordnung verpflichtet, aber es wurden bisher nur wenige Fortschritte erzielt, um sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden und Verwaltungseinheiten ihre Verpflichtung kennen, das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen. Es gibt keine zentrale Behörde, die die Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Kinderrechte auf allen Ebenen und in allen Ressorts wirksam koordinieren könnte. Infolgedessen werden die Rechte und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei relevanten politischen Entscheidungen häufig übersehen, wie etwa während der Pandemie.«

Auch die Behindertenhilfe wird angesprochen: »Fortschritte in Hinblick auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen sind insgesamt gering und Barrierefreiheit ist in vielen Lebensbereichen nicht gegeben. Unzureichendes politisches Engagement und der dauerhafte Widerstand bei den gut finanzierten ausgrenzenden Strukturen, einschließlich Förderschulen, Behindertenwerkstätten und Wohnheime für Personen mit Behinderungen, erschweren nach wie vor die Verwirklichung eines unabhängigen Lebens in der Gemeinschaft für Menschen mit Behinderungen. „Die Behörden sollten in integrative Strukturen investieren und den Übergang von getrennten Lebensstilen zu Inklusion in qualitativ hochwertigen Mainstream-Einrichtungen beschleunigen“, so die Kommissarin.«

Und abgerundet wird der kritische Blick auf die gegenwärtige Lage mit diesem Hinweis: »Besondere Aufmerksamkeit sollte der wachsenden Fremdenfeindlichkeit und dem Rassismus gewidmet werden, die das Potenzial haben, den sozialen Zusammenhalt zu untergraben und demokratische Institutionen zu destabilisieren,« so die Menschenrechtskommissarin.

Wer den Bericht des Europarates im Original lesen möchte, der kann sich den hier herunterladen:

➔ Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (2024): Report following her visit to Germany from 27 November to 1 December 2023, Strasbourg, 23 February 2024

Und die Bundesregierung hat die Möglichkeit bekommen, zu den einzelnen Kritikpunkten und Empfehlungen Stellung zu beziehen, was sie auch gemacht hat:

➔ Bundesregierung (2024): Kommentare der Bundesregierung zum Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, über ihren offiziellen Besuch in Deutschland vom 27. November bis 1. Dezember 2023