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Bundeswehr verstärkt den Heimatschutz

Kay-Alexander Scholz
6. April 2021

In Deutschland startet ein neuer Freiwilligendienst der Bundeswehr. Besonders attraktiv für die Bewerber: Sie müssen nicht in den Auslandseinsatz. Es gibt aber auch Kritik.

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Bundesverteidigungsministerin Anngret Kramp-Karrenbauer vor Werbeplakaten für den neuen Freiwilligendienst
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Vor zehn Jahren wurde in Deutschland die Wehrpflicht abgeschafft. Seither ist die Bundeswehr darauf angewiesen, dass sich genug Freiwillige für einen Wehrdienst melden. Der nun gestartete neue freiwillige Dienst "Dein Jahr für Deutschland" soll eine "Angebotslücke" schließen, wie es bei einer Pressekonferenz mit der Bundesverteidigungsministerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, in Berlin hieß.

Wer mitmachen will, muss unter 27 Jahren alt und deutscher Staatsbürger sein. Außerdem muss er über eine abgeschlossene Schulausbildung verfügen. Die Idee wurde vor einem Jahr geboren - und scheint aufgegangen zu sein. Demnach haben sich 9000 Interessenten gemeldet. 5600 Beratungsgespräche fanden statt, 325 Menschen wurden letztlich ausgewählt, davon 16 Prozent Frauen. 1000 Freiwillige sollen es in diesem Jahr insgesamt werden - verteilt auf 30 Einheiten in ganz Deutschland.

Zum Vergleich: es gibt rund 9000 Soldaten und Soldatinnen, die den klassischen freiwilligen Wehrdienst absolvieren. Sie dienen zwischen sieben und maximal 23 Monaten, also knapp zwei Jahren.

Der wesentliche Unterschied liegt in der regionalen Ausrichtung des neuen freiwilligen Dienstes "Dein Jahr für Deutschland". Zum einen ist dabei eine Teilnahme an einem Auslandseinsatz der Bundeswehr ausgeschlossen. Zum anderen steht der Einsatz in der Region im Mittelpunkt - oder "der Schutz der Heimat", wie es offiziell heißt.

Bundeswehr-Schild vor Hausfassade
Der neue Dienst beginnt ganz "normal" mit drei Monaten GrundausbildungBild: Stefan Sauer/dpa/picture alliance

Wie die Ausbildung ablaufen soll

Wer mitmacht, bekommt - in Wohnortnähe - drei Monate militärische Grundausbildung in einer Kaserne. Dann gibt es eine viermonatige Spezialausbildung - unter anderem im Sanitätsdienst oder Brandschutz. Haupteinsatzfeld soll der Objektschutz sein, also der Schutz von Gebäuden, Brücken oder auch Lagerstätten.

Nach sieben Monaten aktiver Dienstzeit folgen fünf weitere Monate. Aber nicht unbedingt am Stück, denn die zweite Dienstphase kann auf einen Zeitraum von sechs Jahren aufgeteilt werden.

Dann könnten reguläre Angehörige der Bundeswehr ersetzt werden, wenn die woandershin abkommandiert werden. Oder die Soldaten und Soldatinnen werden zum Beispiel bei Flut- oder Schneekatastrophen - auch hier möglichst "heimatnah", wie die Ministerin versprach - eingesetzt. Die aktuelle Pandemie sei ein gutes Beispiel, wie schnell militärisches Personal auch anderswo gebraucht würde. Derzeit helfen tausende Bundeswehr-Angehörige als "Amtshilfe" bei der Corona-Bekämpfung.

Warum Heimatschutz?

"Heimat" ist in Deutschland ein Begriff mit einer wechselvollen Geschichte. Als 2018 das Bundesinnenministerium um die Bezeichnung "Heimat" ergänzt wurde, löste das Debatten aus. Zuvor hatte die ultrarechte "Alternative für Deutschland" den Begriff politisch für sich gebraucht.

"Wir wollen den Begriff nicht einfach den Rechten und ihrem Missbrauch überlassen", sagte Kramp-Karrenbauer, "sondern für die demokratische Mitte zurückerobern". "Heimat" sei für sie mehr als nur ein Ort, sie trage Heimat im Herzen, so Kramp-Karrenbauer. Heimat sei auch ein Gefühl, lebe von persönlichen Einstellungen und Erinnerungen.

Die beiden Begriffe "Heimat" und "Schutz" in dem neuen Dienst zu verwenden, sei deshalb eine bewusste Entscheidung gewesen. Es gehe schließlich um "Freiheit, Demokratie und Vielfalt", die von der Bundeswehr geschützt würden.

Personal wird knapper

Deutschland ist eine alternde Gesellschaft mit relativ wenigen jungen Menschen. Vor diesem Hintergrund gab es bereits Kritik am neuen Freiwilligendienst. Schließlich gibt es auch noch andere Angebote wie das "Freiwillige Ökologische Jahr" (3000 Stellen) oder das "Freiwillige Soziale Jahr" (19.000 Stellen). "Freiwilligendienste sind das Vorrecht der Zivilgesellschaft, nicht des Staates", sagte Peter Neher, Präsident des katholischen Wohlfahrtsverbandes Caritas. Einen - noch dazu deutlich besser bezahlten - neuen Dienst zu schaffen, sei "blinder Aktionismus", findet Neher.

Soldaten der Bundeswehr besteigen einen Airbus A400M
Einen Auslandseinsatz müssen die "Neuen" nicht absolvierenBild: Moritz Frankenberg/dpa/picture alliance

"Wir nehmen mit diesem Freiwilligendienst niemandem etwas weg", entgegnete Kramp-Karrenbauer der Kritik. Das Angebot richte sich an eine spezielle Gruppe mit Interesse an der Bundeswehr, die aber keinen klassischen freiwilligen Wehrdienst leisten wollten.

Heimatschutz soll generell wichtiger werden

Strategisch gehört das neue Angebot zum Plan eines Heimatschutz-Regiments für 5000 Reservisten, erklärte der stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr, Markus Laubenthal. Unter dem Dach des Regiments solle es in vier bis fünf Jahren über Deutschland verteilte Heimatschutzkompanien geben.

Wie viele der neuen Freiwilligen sich dann dafür entscheiden, länger in der Bundeswehr zu bleiben, bleibe abzuwarten, so der General. Bei den "normalen" Freiwilligen seien es 30 bis 40 Prozent.

Was den aktuellen Zuwachs in der Bundeswehr angeht, zeigte sich die Ministerin ganz zufrieden - trotz Corona. Man läge einigermaßen im Plan. Allerdings sei es nicht so einfach, zum Beispiel Leute für die IT-Stellen in der Bundeswehr zu besetzen. In den nächsten Jahren werde die Nachwuchsfrage dann generell wohl "eher schwieriger" werden.