
Der Andrang in den Justizpalast war groß, und als Karl-Heinz Grasser am Dienstag kurz vor zehn Uhr den Großen Saal des Obersten Gerichtshofs (OGH) betrat und seine Rechtsanwälte begrüßte, wurde er von einem wahren Blitzlichtgewitter empfangen. Die Sitzplätze fürs Publikum waren da schon besetzt, Minute um Minute stieg die Spannung.
Kurz nach zehn Uhr, nachdem der Richtersenat den Raum betreten hatte, wurde es dann mucksmäuschenstill. Die Vorsitzende des Richtersenats verkündete das Urteil – und beendete damit de facto das seit 15 Jahren laufende Verfahren rund um die Buwog-Privatisierung im Jahr 2004. Damit ist Grassers Schicksal besiegelt: Er muss ins Gefängnis, fasst eine Haftstrafe von vier Jahren aus. Die Höchstrichter haben den Schuldspruch gegen den Ex-Finanzminister und die übrigen sechs Beschuldigten im Wesentlichen bestätigt.
Ein Finanzminister, der sich bestechen lassen und das Geld auch angenommen habe – das sei ein "in Österreich bisher beispielloses Verhalten" gewesen, sollte die Vorsitzende des aus drei Richterinnen und drei Richtern bestehenden Senats später erklären. Die ursprünglich verhängten Strafen wurden jedoch gemildert.
Statt acht Jahren fasst Grasser vier Jahre Haft aus. Sein einstiger Weggefährte, Ex-Lobbyist Walter Meischberger, wurde zu 3,5 Jahren Haft verurteilt. Der frühere Immofinanz-Chef Karl Petrikovics kommt mit zwölf Monaten bedingter Haft davon, während Peter Hochegger eine Zusatzstrafe von drei Jahren erhielt – teils bedingt.
"Kein unfaires Verfahren"
Die Strategie der Verteidigung, die Richterin erster Instanz, Marion Hohenecker, als befangen abzustempeln, ging vor dem Höchstgericht nicht auf. Ganz im Gegenteil: Von einem unfairen Verfahren könne keine Rede sein, die Richterin habe das Verfahren vorbildlich geführt, erklärte die Vorsitzende, keine Spur von Parteilichkeit oder Voreingenommenheit.
Der OGH wies auch weitere Argumente der Verteidiger zurück: So sei die Sitzordnung im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts nicht zu beanstanden. Grassers Verteidiger Norbert Wess hatte ja behauptet, man sei dort "wie in einem Schützengraben" gesessen. Kein Problem sah der OGH auch in den Livetickern aus dem Gerichtssaal (DER STANDARD berichtete live vom Verfahren). Es würde dem Prinzip der Öffentlichkeit eines Gerichtsverfahrens widersprechen, wenn Liveticker grundsätzlich untersagt würden.
Nicht zuletzt lag laut OGH auch keine "entschiedene Sache" vor, die das Buwog-Verfahren nichtig machen würde. In den Tagen vor der OGH-Verhandlung hatte es zu diesem Thema noch einmal heftige Diskussionen gegeben. Der Grund dafür war ein Einstellungsbeschluss des Landesgerichts Wiens, mit dem ein Teilaspekt des Verfahrens beendet wurde. Die Verteidiger hatten argumentiert, dass damit eigentlich schon das gesamte Verfahren eingestellt wurde. Der OGH wies das zurück.
Grassers Verantwortung
Im Kern geht es in der Causa Buwog um den Verkauf der Bundeswohnungen im Jahr 2004 um 961 Millionen Euro. Kurz zusammengefasst lautete der Vorwurf, dass eine Gruppe um Grasser den Verkauf manipuliert und die Wohnungen einem Konsortium rund um die Immofinanz zugeschanzt habe. Dafür sollen Grasser und Co eine Provision in Höhe von 9,6 Millionen Euro kassiert haben.
Grasser sei damals als Minister ermächtigt gewesen, die Bundeswohnungsgesellschaften zu verkaufen, erklärte der OGH. Als Finanzminister habe er allein die Entscheidungsbefugnis gehabt und Untreue begangen, weil er gewusst habe, dass das Konsortium bereit gewesen sei, einen höheren Preis für das Wohnungspaket zu zahlen, nämlich zumindest in Höhe der Provision. Das habe er nicht genutzt, deswegen sei der Republik ein Schaden entstanden.
Staat kann sich 9,8 Millionen holen
Grasser habe schon beim Vertragsabschluss pflichtwidrig gehandelt, "auf den ominösen Geheimnisverrat kommt es also gar nicht an" – ein bemerkenswerter Satz. Im Verfahren ging es ja darum, ob Grasser das Gebot der CA Immo verraten habe, die zunächst mit 960 Millionen Euro das Höchstgebot gelegt hatte. Grasser hat das bis zuletzt bestritten. Auch bei der Einmietung der Finanz in den Terminal Tower in Linz hätte Grasser laut OGH mehr herausholen müssen, da ging es um 200.000 Euro an Provision.
Auf dem Schaden soll die Republik laut den Höchstrichterinnen und Höchstrichtern nicht sitzen bleiben. Für die 9,8 Millionen Euro haften Grasser, Meischberger und Petrikovics zur ungeteilten Hand. Die Republik kann sich das Geld nun von einem der drei holen, den Rest müssen sie sich untereinander ausmachen – im Zweifel vor Gericht.
"Exorbitante Verfahrensdauer"
Kurz vor zwölf – die Urteilsverkündung dauerte da bereits mehr als eineinhalb Stunden – holte die Vorsitzende des Richtersenats dann noch zu Kritik am Verfahren aus. Man habe die Haftstrafen reduziert, weil das Verfahren "exorbitant" lang gedauert habe. Den Angeklagten könne es nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie (alle) ihre Einspruchs- und Beschwerdemöglichkeiten nützen. Berücksichtigt wurde auch, dass es "unerträglich" gewesen sei, wie Grasser und Co in der Öffentlichkeit verspottet und mit Häme überschüttet worden seien. Beide hatten das in ihren Schlussworten betont.
Die Verfahrensdauer wird wohl noch Thema werden: Grasser kündigte an, sich wegen des "Fehlurteils" an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu wenden. Seinen Gefängnisaufenthalt kann er damit aber nicht mehr verhindern: Eine EGMR-Beschwerde schiebt den Haftantritt nicht auf.
Ganz zu Ende ist die Causa Buwog übrigens noch immer nicht, denn nicht alle Punkte des Ersturteils hielten vor dem Höchstgericht: Wegen Fehlern im Urteil wurden einige Nebenstränge aufgehoben und müssen neu verhandelt werden, etwa das Verfahren gegen Grasser wegen Beweismittelfälschung. So wie es aussieht, war der Auftritt Grassers vor Gericht also nicht sein letzter. (Renate Graber, Jakob Pflügl, 25.3.2025)