So ausgefeilt war die Klangtechnik der Steinzeit
Die Erbauer des neolithischen Sonnenobservatoriums von Goseck nutzten offenbar einen speziellen Klangeffekt: Flatterechos. Sie untermalten die obskuren Rituale, die in der Anlage vollzogen wurden.
Die steinzeitliche Kreisgrabenanlage von Goseck in Sachsen-Anhalt wird auch als ältestes Sonnenobservatorium der Welt bezeichnet. Vor knapp 7000 Jahren hatten frühe Bauern zwei Reihen von Palisaden auf einer Anhöhe über der Saale errichtet. Sie ermöglichten es ihnen, den Sonnenstand zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende zu bestimmen. Zwischen 2002 und 2004 ausgegraben und anschließend rekonstruiert, lüften Wissenschaftler immer neue Geheimnisse der frühneolithischen Technik.
Eines davon sind die mysteriösen Klangeffekte, die durch die beiden konzentrischen Palisadenringe der Anlage entstehen. Es handelt sich um sogenannte Flatterechos. Dabei breitet sich Schall in einer Weise aus, dass er über mehrere reflektierende Flächen zum Ausgangspunkt zurückkehrt.
„Vermutlich waren die Siedler zunächst selbst überrascht, welche Effekte in der doppelten Palisadenkonstruktion entstehen“, sagt Norma Literski-Henkel vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle. Reinhard Mussik und Victor Reijs, zwei Spezialisten für die Kulturgeschichte der Astronomie, haben jetzt erstmals gezielte Untersuchungen zur Akustik vorgenommen. Dabei wurden mittels systematischer Knall- und Trommelversuche Frequenzmessungen an verschiedenen Standortpositionen im Inneren der Anlage aufgezeichnet. Ihre Hypothese: Die Klangeffekte wurden ganz gezielt bei kultischen Handlungen eingesetzt.
Das würde manche Funde erklären, die Archäologen in Goseck gemacht haben. Stierhörner oder auch feine Gefäßkeramik in den Gräben werden als Zeugnisse religiöser Handlungen interpretiert. Sie hatten schon früher darauf hingedeutet, dass es sich bei den Kreisgrabenanlagen um Heiligtümer handelte. Auch Rinder- und Menschenknochen, die in mehreren Erdgruben geborgen wurden, verweisen auf die kultische Bedeutung der Palisadenringe.
Die Größe der Kreisgrabenanlage von Goseck spricht für eine überregionale Bedeutung. Die frühen Bauern, die hier ihre Feste feierten, dürften nicht nur aus benachbarten Siedlungen gekommen sein, deren Reste aufgenommen wurden, sondern von weit her. Wie auch Funde in Anatolien zeigen, wo die Neolithische Revolution, der Übergang zur bäuerlichen Wirtschaft, ihren Ausgang genommen hat, konstituierten große Heiligtümer Gemeinschaften. Ihre Anlage zeigt auch, dass damals bereits arbeitsteilige Organisation vorhanden war. Die Ressourcen, die sich durch den Anbau von Getreide erwirtschaften ließen, ermöglichten die Freistellung von Spezialisten für Kult, Handwerk und Verwaltung sowie für die Arbeiten an dem Heiligtum.
Auch an der gut 2500 Jahre jüngeren Kreisgrabenanlage von Pömmelte im Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt) haben Mussik und Reijs Klangmessungen durchgeführt. Wahrscheinlich wurde auch hier das Flatterecho bei kultischen Handlungen genutzt, was auf eine erstaunliche Kontinuität der religiösen Vorstellungen in der Region schließen lässt.
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