Weltklimakonferenz : Das Gerangel um die Emissionsrechte
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Weltkarte einmal anders: Welches Land wie stark die Luft verschmutzt Bild: F.A.Z.
Klimaschutz braucht klare, gemeinsame Regeln. Sie zu finden fällt Deutschland, Amerika und den anderen Teilnehmern der UN-Klimakonferenz schwer – vor allem, wenn es um viel Geld geht.
Greta Thunberg ist jetzt auch da. Anders als sie, die mit Segelboot und Zug nach Madrid kam, nehmen die Minister zum Start der zweiten Woche der Weltklimakonferenz das Flugzeug. Aus Berlin wird am Dienstag Svenja Schulze (SPD) erwartet. Die Delegationsleiterin bleibt 2019 die einzige deutsche Regierungsvertreterin. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der dafür wirbt, nur alle zwei Jahre eine Ministerkonferenz und ansonsten Fachgespräche am Bonner Sekretariat abzuhalten, hat sich auf Gipfeldiät gesetzt. So zählt die deutsche Delegation an die 100 Köpfe.
Das sind doppelt so viele, wie die Briten geschickt haben, die im nächsten Jahr die 26. Conference of the Parties (COP) im schottischen Glasgow ausrichten. Die Amerikaner, deren Präsident Donald Trump den Pariser Klimavertrag per Ende 2020 gekündigt hat, sind nach einer Zählung von Umweltgruppen mit 78 Leuten vertreten. Doch ist das alles nichts gegenüber der Elfenbeinküste, deren Delegation stattliche 348 Mitglieder zählt. Auch mit den 293 offiziellen Teilnehmern aus dem Kongo könnte man mühelos ein großes Flugzeug füllen.
Auf der Suche nach den Ambitionen
Das Interesse verblüfft, stehen doch auf dieser COP vergleichsweise unbedeutende Vertragsangelegenheiten an. Sie sind nicht vergleichbar mit dem „Regelbuch“ des vergangenen Jahres, als man in Kattowitz versucht hat, sich darauf zu einigen, nach welchen Methoden die versprochenen Klimaschutzmaßnahmen und CO2-Minderungen gemessen werden dürfen.
Auch gemessen am Programm des nächsten Treffens, Ende 2020 in Schottland, fällt der Zwischengipfel von Madrid zurück. Nächstes Jahr soll es darum gehen, die freiwilligen, aber unzureichenden Minderungszusagen der mehr als 190 Staaten – die Nationally Determined Contributions, NCD – zum ersten Mal zu erhöhen. Gebraucht wird ein Niveau, das es ermöglichen könnte, den Anstieg der Erdtemperatur gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter doch noch auf unter zwei Grad Celsius zu halten.
Doch in diesem Jahr geht es nicht um solche Ziele, auch wenn Klimaaktivisten tagtäglich die EU, die Bundesregierung und andere für ihre „ambitionslose“ Politik rügen. Die Chefin des Klimasekretariates, Patricia Espinoza, hat diese Woche in Madrid noch einmal klargestellt: „Wir haben keinen Punkt auf der Tagesordnung, der Ambition heißt.“
Was nicht bedeutet, dass die Tagesordnung ein Kinderspiel wäre. Artikel 6 des Pariser Vertrages will mit Leben gefüllt werden. Das war schon in Kattowitz nicht gelungen. Ob es in Madrid gelingen wird, steht auch nach der ersten Tagungswoche und einer neuen Textvorlage in den Sternen. In Artikel 6 geht es darum, das Klima mit Marktmechanismen zu schützen. Dahinter steht ein wirtschaftliches Kalkül, nach dem Motto: Lasst uns die Emissionen zuerst dort mindern, wo es am effizientesten geht. Denn wo das Klima geschützt wird, ist egal, der Klimawandel kennt keine nationalen Grenzen. Käufer für die Zertifikate stehen schon bereit, etwa internationale Fluglinien, die ihre Emissionen so reduzieren wollen.
Offene Fragen in Sachen Emissionshandel
Auch ohne die verbreiteten ideologischen Vorbehalte gegen Marktinstrumente für einen bi- oder internationalen Handel mit Emissionsrechten türmen sich viele Fragen auf: Wie werden die Minderungen korrekt gezählt? Klimaschützer sind besorgt, dass reiche Staaten wie Deutschland ihr Engagement schleifen lassen würden. Denn sie könnten anderswo Zertifikate zukaufen. Überlegt wird deshalb, dass so gekaufte Rechte nur zu einem Teil auf das nationale Budget des Käuferlandes angerechnet werden dürfen. Auch sollen soziale und ökologische Kriterien beim Zertifikatehandel berücksichtigt werden.
Knackpunkt ist, wer sich die gehandelten Emissionsrechte anrechnen lassen darf – das Käuferland oder jenes, in dem die Minderung erbracht wurde? Brasilien blockiert die Gespräche seit einem Jahr. Es besteht auf einer Anrechnung dort, wo die Emissionen gemindert werden. Die Industriestaaten lehnen das ab, allen voran die EU und Amerika. Ihre Unterhändler geben sich hart: Man werde eher keine Einigung als die auf einen schlechten Text akzeptieren, der Doppelzählungen von Emissionen zulasse.
Ein Kompromiss könnte darin liegen, dass überschüssige Emissionsrechte aus alten Handelsperioden in das neue Abkommen von Paris überführt würden. Das würde dem Klima nicht helfen, wohl aber jenen Staaten einen großen Gewinn eintragen, die auf vielen solchen Zertifikaten sitzen. Als da wären: Brasilien, China, Indien. Brasiliens Umweltminister Ricardo Salles hatte vor der COP die Richtung mit dem Satz vorgegeben: „Uns stehen mindestens zehn Milliarden Dollar pro Jahr zu.“
Ein anderer, wenn auch auf niedrige Flamme gestellter Dauerbrenner der Verhandlungen ist die Frage, ob armen Staaten Verluste und Schäden durch den Klimawandel erstattet werden sollten. Die Industriestaaten verweigern hierfür einen eigenen Fonds. Ihr Argument ist aus der deutschen Debatte über Unwetter als Folge des Klimawandels gut bekannt: Ursache und Wirkung seien nicht klar zu entscheiden.