Das Fussballbildchen-Imperium Panini geht von Hand zu Hand

Das 1961 gegründete italienische Familienunternehmen könnte nach zahlreichen Handwechseln schon bald für eine Milliardensumme an einen amerikanischen Bieter verkauft werden.

Andrea Spalinger, Rom
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Geniale Ideen sind oft einfach und bringen – wie die Panini-Manie – den Erfindern gutes Geld. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)

Geniale Ideen sind oft einfach und bringen – wie die Panini-Manie – den Erfindern gutes Geld. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)

Nur wenige Firmen wecken bei jüngeren und mittleren Generationen in Westeuropa wohl so viele Kindheitserinnerungen wie die italienische Panini. Wer von uns hat als Kind vor der Fussball-WM nicht begeistert Panini-Bildchen gesammelt? Oder Alben mit Bildchen bekannter Disney-Filme gefüllt? Die Spannung beim Öffnen der am Kiosk für ein gefühltes Vermögen erstandenen Fünferpäckchen war kaum auszuhalten. Zu Hause blätterte man das Heft dann so lange durch, bis man im Schlaf sagen konnte, welche Spieler aus welchem Nationalteam noch fehlten.

Die überschüssigen oder fehlenden Schätze wurden auf dem Schulhof getauscht. Oder man legte einen Stapel der heissbegehrten Bildchen auf den Boden an eine Mauer und versuchte ihn durch geschicktes Blasen umzudrehen und damit zu erobern. Was wir als Mädchen und Buben taten, tun heute unsere Kinder, Enkel, Nichten und Neffen. Mittlerweile ist das 1961 aus früheren Vorläuferfirmen gegründete Familienunternehmen aus Modena zu einem Grosskonzern herangewachsen, dessen Wert auf über 1 Mrd. € geschätzt wird.

Rekordzahlen dank WM 2018

Nun könnte das Imperium der Fussballbildchen bald in amerikanische Hände übergehen. Laut der «Gazzetta di Modena» hat eine Delegation aus den USA dem Panini-Management ein Übernahmeangebot in Höhe von 1 Mrd. € gemacht. «Il Sole 24 Ore» will hingegen gar von je zwei amerikanischen und europäischen Interessenten wissen.

Der CEO des international tätigen Unternehmens, Aldo Hugo Sallustro, hält seit einiger Zeit Ausschau nach einem Käufer. Der Italo-Argentinier war 1992 mit einer Gruppe von Investoren bei Panini eingestiegen. Mittlerweile ist er dominierender Minderheitsaktionär und kontrolliert Panini zusammen mit den Unternehmerinnen Anna und Maria Teresa Baroni aus Bologna.

Vor ein paar Monaten war gar ein chinesischer Käufer im Gespräch gewesen. Das Management scheint jedoch darauf zu bestehen, dass der Sitz in Modena bleibt, wo 450 der rund 1150 Mitarbeiter beschäftigt sind. Dies hatten die Chinesen offenbar nicht garantieren wollen.

Panini gibt derzeit rund 400 Sammelhefte verschiedener Sportarten und Entertainment-Marken in 120 Ländern heraus. Laut Schätzungen werden 5 Mrd. Klebebildchen im Jahr verkauft. Daneben ist die Gruppe auch im Bereich des Druck-, Vertriebs- und Verlagswesens aktiv. Unter anderem publiziert und übersetzt Panini jedes Jahr Tausende von Zeitschriften, Jugendbüchern, Kalendern und Comicheften, darunter auch weltbekannte wie Mickey Mouse. Unter Lizenz vertreibt Panini zudem Superhelden wie Batman, Spider-Man und diverse Manga-Serien.

Panini hat unter anderem Tochterfirmen in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Spanien, Russland, Brasilien, Mexiko und den USA. 2017 erzielte der Konzern einen Umsatz von 536 Mio. €. In Jahren, in denen eine Fussball-WM oder -EM stattfindet, liegen die Umsatzzahlen allerdings deutlich höher, und laut Analytikern könnte der Umsatz 2018 dank der Fussball-WM in Russland auf deutlich über 750 Mio. € gestiegen sein.

Am Anfang stand ein Kiosk

Die Firma wurde 1961 gegründet. Ihre Wurzeln reichen aber bis 1945 zurück, als die Gebrüder Panini in der Altstadt von Modena einen Zeitungsstand übernahmen, der von der Mutter Olga Panini geführt wurde. 1954 machten die vier Söhne daraus einen Zeitungsvertrieb. Und nach ersten erfolglosen Versuchen, Sammelalben mit Blumenbildern zu verkaufen, kamen sie auf die geniale Idee, Bildchen von Mannschaften und Spielern der italienischen Fussballmeisterschaft anzubieten.

In den Anfangsjahren wurden die Päckchen zu Hause von Hand verpackt. In den 1970er Jahren erfand einer der Brüder eine automatische Verpackungsmaschine, welche die Bildchen mischte und sicherstellte, dass sich in keinem Päckchen zwei gleiche befanden. Gleichzeitig wurden die Bildchen, die ursprünglich mit einem Klebstift befestigt werden mussten, selbstklebend.

Das Konzept war ein Riesenerfolg: Die Sammelhefte wurden zur Bibel jedes jungen Tifoso in Italien und der europäischen Nachbarschaft. Die Bildchen der Idole wurden zudem auch anderswo hingeklebt oder als Glücksbringer im Etui mitgetragen.

Diversifizierung über die Jahre

In den folgenden Jahrzehnten wurde das Angebot stetig ausgebaut. Ab 1970 vertrieb man weltweit Sammelalben für die Fussball-WM, ab 1980 solche für die EM. Später wurde das Angebot dann auf Bereiche wie Comics, Animationsfilme und andere bei Kindern populäre Geschichten wie etwa «Harry Potter» ausgeweitet. Zudem kamen neue Sportarten hinzu. Und seit dieser Saison gibt es zum ersten Mal auch ein Heft für Fans des Frauenfussballs.

Der Fussball bleibt bis heute Haupteinnahmequelle beim Geschäft mit den legendären Bildchen. Ihre Anzahl wie auch ihre Preise sind über die Jahre laufend gestiegen. Für die WM in Russland wurde ein Album mit 682 Stickern ausgegeben. Ein Fünferpäckchen kostete dabei im Euro-Raum 90 Cent. Bei der WM 2014 waren es noch 60 Cent gewesen. In der Schweiz kostete ein Fünferpäckchen am Kiosk umgerechnet noch etwas mehr. Dennoch führen die Schweizer, was den Verkauf pro Kopf angeht, die weltweite Rangliste weiterhin klar an.

Turbulenzen seit 1988

Bis 1988 wurde Panini als Familienbetrieb geführt, dann verkauften die Geschwister das Sticker-Imperium, und es folgten turbulente Jahre mit ständigen Besitzerwechseln. Als Erste übernahm die britische Maxwell-Gruppe das Unternehmen und setzte ausländische Manager ein, was wegen der unterschiedlichen Unternehmenskulturen Probleme schaffte. 1992 wurde die finanziell angeschlagene Firma von der Investmentgesellschaft Bain Gallo Cuneo und dem Verlag De Agostini übernommen und kam damit wieder in italienischen Besitz. Zwei Jahre später kam die amerikanische Marvel Entertainment zum Zug, die einen Comic-Verlag gründete, der in die Gruppe eingebunden wurde.

1999 gab es dann bereits den nächsten grossen Umbruch: Panini wurde von der Finanzgesellschaft Fineldo übernommen. CEO wurde Sallustro. 2016 übernahm dieser zusammen mit den Schwestern Baroni den Anteil von Fineldo und damit die Kontrolle. Nun könnte Panini ein zweites Mal in amerikanische Hände übergehen. Details über die Verhandlungen sind allerdings noch keine bekannt. Den Aktionären ist laut Medienberichten die gebotene 1 Mrd. € zu wenig. Offenbar gibt es auch Stimmen, die fordern, mit einem Verkauf bis nach der EM 2020 abzuwarten, um den Preis weiter in die Höhe zu treiben.