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„Wir singen nur, wenn wir fischen“

Die Liste der Standortnachteile von Grimsby ist lang: hässliche Stadt, farbloser Klub, latenter Fischgestank. Doch die Stadt hat auch einen großen Vorteil: völlig durchgeknallte Fans.

Foto: Theodor Barth
Foto: 11FREUNDE

Diane schaut besorgt. „Pass auf dich auf, wenn du in diese Straßen gehst“, sagt sie, eine herzliche Dame mittleren Alters, und zeigt schräg nach links, eine kleine Anhöhe hinauf. Diane kennt hier jede Ecke. Hier in Grimsby, dieser Stadt, deren Name allein Frösteln hervorruft. Deren zwei Silben klingen wie in Laut gegossene Traurigkeit. Grimsby, das ist die Stadt, die letztes Jahr bei Abstimmungen von verschiedenen Onlinemedien zum „worst place to live in the UK“ gewählt wurde. Also zum schlimmsten Ort, an dem man in Großbritannien leben kann. Und wer schon einmal eine Industriestadt im Norden Englands besucht hat, weiß, dass die Konkurrenz in diesem Wettbewerb hoch ist.

Grimsby war mal der Stolz der britischen Fischerei, nun stehen am Hafen so viele Gebäude leer, dass das Knarzen ihrer Türen bei Windstößen zu hören ist. In der Dunkelheit dient die Tesco-Leuchtschrift als Laternenersatz, rote Backsteinhäuser mit kleinen Vordächern reihen sich aneinander, hier ein Pfandleihhaus, da ein Studio zum Weglasern von Tattoos, davor hat jemand einen verbeulten Armeetruck geparkt. Nicht mal großen Fußball mag es hier geben, doch dafür, heißt es, die besten Auswärtsfans Englands. Selbst Dianes Jacke erzählt davon, sie trägt einen Button am Kragen mit der Aufschrift „Clap, clap, fish“. Ein Spruch, den man erst später versteht, auf der Reise mit Grimsby Town FC.

Let's go fucking mental

An der Grimsby Road ist es am frühen Abend noch leise, doch der Lärm der abzweigenden Straßen dröhnt zwischen den Häusern herüber. Warum soll man aufpassen in diesen Straßen, Diane? Sind dort die harten Jungs unterwegs, die Mobster von Grimsby etwa? „Nein, nein, schlimmer“, entgegnete sie. „Heute ist Mad Friday. Die ganzen Büroangestellten und Lehrer machen einen drauf. Das nimmt kein gutes Ende.“ Diane wiegt den Schlüsselbund leicht in der Hand, dreht sich um und verabschiedet sich mit dieser trockenen Pointe in ihr Haus. Mad Friday – das ist der letzte Freitag vor den Weihnachtsfeiertagen. Der Tag, an dem sich nicht wenige Engländer, egal ob Büroangestellte oder Lehrer, zwischen all der Besinnlichkeit besinnungslos trinken. Bilder der Exzesse in Leeds, in Manchester, in Birmingham füllen anderntags ganze Zeitungsseiten. Und Grimsby lässt sich bei dieser Tradition nicht zweimal bitten.

In den Nebenstraßen tropfen Jungs mit glasigen Augen aus den Pubs. Vor den Eingängen entledigen sich manche Männer ihrer Hosen, Frauen ihrer hochhackigen Schuhe, die Frontscheiben der Autos werden mit Fish & Chips eingeseift. Drinnen tanzen selbst betagte Damen im Stile von Beyoncé und geben Pfundnoten mit dem Mund weiter. Gegen die wabernde, freudetrunkene Masse in Grimsby wirkt selbst der Kölner Karneval wie eine Partie Rommé im Kanonikerstift. Doch stellt man gegenüber Einwohnern fest, was dies hier für eine wilde Party sei, antworten diese nur mit einem Kopfschütteln. Das hier? Nein, nein. Morgen, mein Freund, da geht es los. Morgen spielt Grimsby Town FC. Auswärts. Vierte englische Liga. Wenn der Klub irgendwo in England antritt, dann drehen sie durch. Oder wie es hier heißt: Let’s go fucking mental!

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Unterwegs im Namen von Grimsby

07.30 Uhr am Samstagmorgen, Matchday. Um halb eins tritt Grimsby in Doncaster an, vierte Liga, keine TV-Übertragung, kein Spiel für Eilmeldungen. Iain und Josh tuckern in ihrem Kleinwagen über die Autobahn M180. Die beiden sind unterwegs im Namen von Grimsby, schließlich sind sie die Innenverteidigung des Fanteams. Egal ob in Cardiff oder in Barnet – bevor sie in den Auswärtsblock gehen, um ihre Mannschaft anzufeuern, tragen sie selbst ein Spiel gegen die Fans des Heimteams aus.

Im Kofferraum wackeln die Bälle und die schwarzweißen Trikots, vorne ruckelt der halbleere Kaffeebecher von McDonald’s in der Halterung. Auf dem Beifahrersitz hängt Iain, 30 Jahre alt, ein plaudernder Mathelehrer, der sich vornehm für jedes Räuspern entschuldigt. Seine Eltern sind aus Irland nach Grimsby gezogen, da war er zwei Jahre alt. Josh, der Fahrer, ist 21 und Kfz-Mechaniker, ein langer Kerl, er spricht nicht mehr als verlangt. „Ich wohne nicht direkt in Grimsby, sondern etwas außerhalb, in Boston“, sagt er. Sein Kumpel Iain schaut aus dem Fenster und murmelt zwischen zwei Bissen in sein Fast-Food-Frühstück: „Irgendwie schon komisch, Josh.“ Pause. „Was?“, fragt Josh. Ian blickt seinen Freund nun an. „Ich meine, du stammst aus Boston und hast nicht mal einen zwölften Finger oder ein drittes Nasenloch oder so. Du musst dort ein ziemlich ungewöhnlicher Typ sein.“ Josh betätigt den Blinker.

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Der Platz in Doncaster liegt direkt neben dem Stadion. Erster Eindruck: „Verdammt, der Rasen ist in einem sehr guten Zustand. Wir müssen uns also schon mal eine andere Ausrede überlegen. Lass uns gegen die Sonne spielen.“ In der Kabine der Grimsby-Fans geht es lebhaft zu wie in deutschen Fußballumkleiden, nur dass hier nun etwas häufiger von Hitler oder Umschnalldildos die Rede ist. Der Torwart hat noch ein paar Büchsen Bier in seiner Sporttasche gefunden, zur Tarnung schüttet er den Inhalt in Kaffeebecher und Plastikflaschen für die isotonischen Getränke. „Welcome to Grimsby“, sagt er.


Wie abgesprochen spielen Grimsbys kickende Fans gegen die Sonne, und wie erwartet verlieren sie, wenn auch knapp mit 2:3. Ian, Josh und die anderen ziehen sich im Stadion um, streifen dezente schwarze Jacken und Pullis über. Nur vereinzelt tragen Grimsbys Anhänger Trikots – und die meisten entgegen dem Klischee auch keine 150 Kilo mit sich herum. Denn so, als Karikatur ihrer selbst, sind sie im ganzen Land bekannt. 2016 nämlich spielte Sacha Baron Cohen, berühmt geworden als „Borat“, in seinem neuen Film einen besonders, man muss es so sagen, asozialen und einfältigen Engländer namens Nobby Butcher. Er trug einen Liam-Gallagher-Haarschnitt, Adiletten, ein versifftes Trikot, hatte elf Kinder – und wohnte in Grimsby.

Foto: Theodor Barth



„Hart, wortkarg und leidenschaftslos“

Die Stadt und ihre „Fischköpfe“ kamen in Cohens Film nicht sonderlich gut weg, um es freundlich auszudrücken. So soll Nobbys Frau in einer Szene die Stärken ihres Mannes aufzählen. Schwängern könne er sie, sagt sie, und das, ohne sie dabei aufzuwecken. Doch Cohen steht bei denjenigen, die Grimsby verhöhnen, nur hinten in einer sehr langen Schlange. Ein Abgeordneter aus Grimsby schrieb 2015 über seine Heimatstadt, sie sei „hart, wortkarg und leidenschaftslos, zudem daran gewöhnt zu leiden“. Der ehemalige Spieler Thomas Pinault wetterte einst: „Das ist wirklich kein schöner Ort zum Leben. Er ist alt, voll mit Fischern und stinkt auch die ganze Zeit nach Fisch.“

Wie reagieren die Bewohner und vor allem die Fans auf all diese Schmähungen? Auf die Grimsby-Art.

Rein in den Gästeblock beim Auswärtsspiel in Doncaster. Über 4000 Fans füllen die komplette Tribüne. Mehr Auswärtsfans soll kein Verein in England an diesem Wochenende mitgebracht haben, nicht mal in der ersten Liga. Trommelschlag. Bämm. Bämm. Bä-bä-bä-bä-bämm. Aus 4000 Kehlen ertönt ein einziges Wort: „Fish!“ Dann klatschen und schreien sie, wie es eben auf dem Button von Diane prangt, wieder und wieder: Clap, clap, fish. Es folgt: „We only sing when we’re fishing.“ Wir singen nur, wenn wir fischen – statt des bekannten „You only sing when you’re winning“. In Anlehnung an „God almighty“ nennt sich das Fanzine des Klubs „Cod Almighty“, also allmächtiger Kabeljau. Jeder Fan behandelt Harry Haddock wie einen netten Verwandten und bringt ihn zu ausgesuchten Spielen mit. Harry Haddock ist der Name eines aufblasbaren Fisches. 

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Die Ironie verbindet

In der langen Schlange derjenigen, die sich über Grimsby lustig machen, stehen die Einwohner nämlich selbst ganz vorne. Sie drehen es um, die Ironie verbindet sie, als wäre der Hohn der anderen eine Auszeichnung. Dann sind sie eben die aufrechten Fischköppe, für die der Hafengestank ein Duft ist wie für andere Chanel No. 5.

Zur Halbzeit liegt Grimsby mit 0:1 zurück. Iain regt sich darüber auf, dass die Spieler planlos den Ball nach vorn schlagen. Josh nickt. Es sieht nicht gut aus. Die 4000 Fans haben ohne Unterlass gesungen, zur Pause aber tapern sie grummelnd in den spärlich beleuchteten Tribünenunterbau zu den Bier- und Pie-Ständen. Sehr gesittet stellen sich die Fans in die Reihen. Zunächst.

Mitten in das allgemeine Gemurmel stimmt eine Gruppe von Parkaträgern ein Liedchen an, sie schunkeln etwas übertrieben und verschütten Bier. Ein stämmiger Typ in rot-schwarzem Karohemd schaut hinunter auf seinen tropfenden Ärmel, dann zu den Jungs im Parka. Eine Sekunde überlegt er, was zu tun ist. Dann schnellen seine Arme nach oben. Er reißt den Mund und die Augen weit auf, er stimmt mit ein. „Eeeeeevery-wheeeeere we go.“ Plötzlich springen auf einer Fläche von vielleicht 40 Quadratmetern 60 Menschen umher, als hätte man sie aus einer Konfettikanone geschossen. „It’s the Grimsby boys making all the noise.“ Sie singen, überschütten sich mit Bier, ein Kerl im Weihnachtsmannkostüm sitzt plötzlich auf den Schultern seines Kumpels. Zwei Rauchtöpfe zünden. Nebel, Bierdunst, Pie-Geruch. Ein anderer Fan hockt auf einer über den Köpfen baumelnden Deckenlampe. In den Worten der Einwohner am Vorabend: Let’s go fucking mental! 

Foto: Theodor Barth

Es gibt keine richtige Erklärung, warum die Auswärtsfahrten von Grimsby Town in der vierten englischen Liga zu einem derartigen Phänomen wurden. Immerhin einige Ansätze: Als Grimsby 2010 in die fünfte Liga abstieg, fand das erste Auswärtsspiel in Crawley statt, einem Kaff unweit von London. Viele Grimsbarians wohnen mittlerweile in der Hauptstadt, weil sie dort Arbeit gefunden haben. Sie sahen dieses Auswärtsspiel und viele weitere als ihre ganz persönlichen Heimspiele an. Zudem machten sich seinerzeit auch viele Fans aus Trotz gegen den Niedergang auf den Weg. Und so standen plötzlich 1200 Grimsby-Fans in dem kleinen Stadion – und hinterließen damit nicht nur bei den 800 restlichen Zuschauern einen bleibenden Eindruck. „Das war der Startschuss“, sagt Ian. In der Folge waren Grimsbys Fans bei den Auswärtsspielen sogar lauter als zu Hause, wo der Zuschauerschnitt bei ungefähr 5000 liegt. Auf Reisen waren sie mal kreativ, mal schlicht dadaistisch.

In Gateshead stürmten sie den Platz. In Southport rollte ein junger Fan in einer Regentonne die Stufen herunter. Und eigentlich überall besangen sie ihren Stürmer Lenell John Lewis, der den gleichen Namen wie eine Ladenkette trägt, mit dem eingängigen Gesang: „Lenell John Lewis – his name is a shop!“

Grimsby ist das letzte Abenteuer

„Die Jungs wissen, dass sie eine gute Zeit haben. Auch wenn der Fußball mitunter grottig ist“, sagt Iain, bevor ein weiterer Befreiungsschlag seiner Mannschaft in Doncaster auf die Tribüne fliegt. Vor ihm springen einige 18-Jährige auf den roten Plastiksitzen herum, bis ein Sitz in der Mitte durchbricht. Sie beachten das Zigarettenverbot, denn sie reichen stattdessen Joints herum. Wohl nirgendwo auf den oft überteuerten und sterilen Tribünen der Premier League sammeln sich so viele junge Fans wie in diesen Reihen. Auswärts mit Grimsby, das ist das letzte Abenteuer.

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Ein Gesang der Jugendlichen wird von einem Teil der Tribüne übernommen. „Peter Sutcliffe is a friend of ours.“ Was die Frage aufwirft: Wer ist Peter Sutcliffe? Iain zögert etwas, dann gibt er zu: „Das ist jetzt vielleicht nicht unser hellster Moment. Er sitzt gerade im Gefängnis und sie singen davon, dass sie ihn befreien wollen.“ Was hat er gemacht? „Nun ja, er war ein berüchtigter Serienkiller. Er hat Leute hier in Yorkshire umgebracht.“ Humor der Küste, selten mit Milch verdünnt.

Schlusspfiff. All die Gesänge, die Trommelschläge, das Klatschen der Fans haben dem überforderten Team von Grimsby Town nicht geholfen. Endstand 0:1. Iain und Josh fahren erschöpft zurück, zwei Spiele an einem Tag, beide verloren, ab nach Grimsby, vorbei an dem Armeetruck, den Pubstraßen, zurück nach Hause, die beiden verabschieden sich. Nächste Woche wird es heimelig. Da kommen der Weihnachtsmann und Accrington Stanley FC.

Foto: Theodor Barth

Am Abend schäumen Grimsbys Pubs wieder über. Sie singen auf die Melodie von Blurs „Tender“ zu Ehren von Stürmer Omar Bogle. Die Paria-Rolle jedoch ist nicht immer charmant, es gibt hier nicht nur lustige Sprüche, sondern wütende Kreuze. In der Gegend hier in North East Lincolnshire stimmten im vergangenen Sommer knapp 70 Prozent für den Brexit, in nur neun anderen Bezirken in Großbritannien war das Votum noch deutlicher. Nicht wenige denken, dass es die Obergrenzen aus Brüssel für den Fischfang waren, die die hiesige Industrie niederzwangen. Hinzu kam eine generelle Ablehnung gegen London und die eigene Regierung. Manchmal scheint es, als hätten der Spott und die Vernachlässigung Englands diesem Ort eine spezielle Widerborstigkeit eingetrieben.

In der Halbzeitpause in Doncaster hielt ein Ordner einen Fan fest. Plötzlich lief ein gutes Dutzend anderer Fans zu den beiden, um einen der ihren kompromisslos zu befreien. Die anderen feuerten den Mob an, wie sie die Spieler anfeuern: „Maaa-ri-neers“. Irgendwie wartete man nur darauf, dass in dem Getümmel Grimsbys eigener Majestix auf einem Schild herangetragen wird. Grimsby gegen den Rest der Welt.

Foto: Theodor Barth

Bei einem Auswärtsspiel 2015 in Nailsworth nahmen Ordner einen Grimsby-Fan in den Schwitzkasten, weil er einen aufblasbaren Ball mitgebracht hatte. Die Fangemeinde war so empört, dass sie für das kommende Auswärtsspiel in Barnet zu einer Solidaritätsaktion aufrief: „The Barnet inflatable invasion“ wurde legendär. Im Auswärtsblock war wohl alles zu finden, was man auf diesem Planeten aufblasen kann: ein Hai, eine Gummipuppe, ein Dinosaurier, ein Penis, ein Krückstock, ein Flamingo, eine Banane, ein Hammer, mehrere Bälle, ein Pinguin, ein Rettungsring, eine Rettungsinsel, ein Pokal – und natürlich Harry Haddock.

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Alles außer rational

Die „aufblasbare Invasion“ verdeutlicht wie kaum eine andere die Mentalität dieser Stadt. Solidarisch, humorvoll, etwas schräg. Rational sicher nicht. Diese strampelnde Hafenstadt kann gleichzeitig rau und warmherzig sein. Selbst Elton John sang einmal über Grimsby: „Take me back you rustic town, I miss your magic charm.“

Der Abend nach dem Spiel, Kristine steht in einem dieser Pubs in Grimsby, sie ist fast wie eine Fremdenführerin. An ihrem Handgelenk hat sie die drei Fische aus dem Wappen tätowiert. Nie wohnte sie weiter weg als einen Kilometer von ihrem Geburtshaus, nur zu den vielen Auswärtsspielen hat sie die Stadt verlassen. Sie hilft dem Verein als eine Art Fanbetreuerin, organisiert Treffen der jungen Supporter und hilft im „Mariners Trust“, der Faninitiative. Viel mehr Grimsby passt nicht in ein Leben. Als der Klub 2015 knapp den Aufstieg in die vierte Liga verpasste, so Kristine, sammelten die Fans Geld für Neuverpflichtungen unter dem Motto „Operation promotion“ (Operation Aufstieg). Alte Fans brachten große Teile ihrer Rente zum Stadion, Kinder ihr Taschengeld. Trotzdem erwarteten die Organisatoren nicht viel. Das Ziel von 20 000 Pfund wirkte sehr optimistisch. „Diesen Betrag“, sagt Kristine, „hatten wir bereits am ersten Tag beisammen. Also machten wir einfach weiter.“ Am Ende mussten sie mehrmals nachzählen, um die Summe glauben zu können – 110 000 Pfund. Ein Jahr später stieg Grimsby Town auf.

Der Stadt mag es nicht gut gehen, doch für die Leute hier ist sie die beste der Welt. Und für all die Spötter, also für den Rest Englands, in den sie ihren Fisch liefern, haben sie noch einen eigenen ganz speziellen Gesang. Sie stimmen ihn auswärts besonders laut an. Egal wo sie spielen. „We piss on your fish, yes we do.“ Wir pissen auf euren Fisch, oh ja, das tun wir.

Foto: Theodor Barth

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