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Lehrermangel in Brandenburg

Bis 2030 fehlen 12.300 Lehrer: Seiteneinsteiger sind „Teil der Lösung“

Wer soll unsere Kinder in Zukunft unterrichten? Ohne Seiteneinsteiger wird es kaum gehen.

Wer soll unsere Kinder in Zukunft unterrichten? Ohne Seiteneinsteiger wird es kaum gehen.

Potsdam. In den kommenden Jahren müssen in Brandenburg Tausende Lehrer neu eingestellt werden. Doch aus eigener Kraft wird das Land den Bedarf nicht decken können. Erst im Jahr 2028 wird sich die Lehrerlücke schließen. Das geht aus der jüngsten Prognose Brandenburgs für die Kultusministerkonferenz (KMK) hervor.

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Demnach müssen bis 2030 mehr als 12 000 Pädagogen eingestellt werden. Im nächsten Jahr werden 1180 Lehrkräfte benötigt, im Jahr 2022 sind es sogar 1310. Die Prognose basiert auf der Entwicklung der Schülerzahlen und den altersbedingten Abgängen. Im Gegenzug rechnet das Brandenburger Bildungsministerium damit, dass maximal 850 Lehrer im Jahr zur Verfügung stehen – und zwar als Studienabgänger der Universität Potsdam, der einzigen Lehrerausbildungsstätte in Brandenburg. Es fehlen damit jedes Jahr bis zu 560 Pädagogen.

„Ein Politikversagenzulasten der Kinder“

„Realistisch gesehen werden wir ohne Seiteneinsteiger nicht auskommen. Sie sind deswegen ein Teil der Lösung und nicht das Problem“, sagt Günther Fuchs, Chef der Lehrergewerkschaft GEW. „Das Problem ist, dass die Politik versagt hat. Man hat zu lange gespart und zu wenig ausgebildet. Es ist ein Politikversagen zulasten der Kinder.“

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In Wahrheit sei der Lehrermangel noch viel größer. Denn die Annahme, dass in Brandenburg jährlich 850 Lehrer fertig werden und hier bleiben, habe keine Grundlage. Schließlich steht Brandenburg im Ringen um Lehrkräfte nicht allein. In ganz Ostdeutschland klafft eine riesige Lehrerlücke. Überall fehlen bis 2030 die Fachkräfte. Bisher habe Brandenburg damit punkten können, dass es seine Pädagogen verbeamte, erklärt Fuchs. Doch inzwischen habe etwa Sachsen nachgezogen. „Der Vorteil schwindet“, so Fuchs.

Mehr Gehalt soll Beruf attraktiver machen

Dabei hat das Land in den Verhandlungen mit der Gewerkschaft eine kräftige Schippe draufgelegt: Ab Januar werden Grundschullehrer besser bezahlt – um bis zu 500 Euro im Monat. Doch auch hier bleiben andere Länder nicht untätig. Berlin hebt das Gehalt für Grundschulpädagogen an, Schleswig-Holstein zieht bald nach. GEW-Chef Fuchs hält das für folgerichtig.

Für ihn ist das Gehaltsplus auch eine Wiedergutmachung für das, was er Politikversagen nennt: Bis vor wenigen Jahren habe das Studienfach Grundschulpädagogik noch einen Numerus Clausus gehabt – einer Zugangsbeschränkung. „Wir mussten Leute wegschicken, die wir heute dringend bräuchten.“

Ausbildung wird aufgestockt

Nach langen Verhandlungen soll die Lehrerausbildung an der Universität Potsdam aufgestockt werden – von derzeit jährlich etwa 450 auf zunächst 800 ab dem Wintersemester 2019. 2020 sollen es dann 1000 Lehrer sein. Doch bis die dem Markt zur Verfügung stehen, dauert es weitere sieben Jahre. Und es ist nicht davon auszugehen, dass alle Absolventen in Brandenburg bleiben.

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Hohe Abbrecherquote

Im Lehramtsstudium herrscht ein hoher Schwund, wie eine Untersuchung der Universität Rostock zeigt, die vergangene Woche vorgestellt wurde. So brachen bei den angehenden Gymnasiallehrern bis zum zehnten Fachsemester fast zwei Drittel der Rostocker Studenten ab. An der Uni Greifswald war es jeder zweite. Die Autoren der Rostocker Studie befragten einige Studenten auch nach ihren Gründen. Etliche Studenten fangen demnach ein Lehrerstudium an, obwohl sie etwas ganz anderes Studieren wollen. Sie überbrücken damit die Wartezeit, bis sie für ein Fach mit Numerus Clausus zugelassen werden. Andere beklagten in den Gesprächen die Stofffülle und die hohe Prüfungsdichte sowie den mangelnden Praxisbezug.

GEW kündigt hartes Wahlkampfjahr an

Auch GEW-Chef Fuchs fordert, dass das Studium attraktiver werden müsse. „Wir müssen die Abbrecherquote senken, indem wir bessere Studienbedingungen ermöglichen.“ So müsse die Lehrerausbildung reformiert werden und der pädagogische Anteil gestärkt werden. Zu einem attraktiveren Studium gehöre auch eine bessere Betreuung der Studenten. Vor allem aber müsse den angehenden Lehrern signalisiert werden, dass der Lehrerberuf attraktiv sei. „Dazu gehört eine gute Bezahlung.“ Der Gewerkschafter kündigte eine „harte Diskussion im Landtagswahlkampf“ um das Thema Lehrermangel an.

Von Torsten Gellner

MAZ

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