VG Wort
Direkt zum Inhalt wechseln
LIVE Neue Nachricht im Liveticker
Attacke am Alexanderplatz

Bewährungsstrafen nach brutalem Angriff auf ZDF-Team

Im Gericht gaben die Angeklagten den Angriff auf das TV-Team zu. Sie redeten sich heraus, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt habe
Im Gericht gaben die Angeklagten den Angriff auf das TV-Team zu. Sie redeten sich heraus, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt habe Foto: Olaf Wagner

Von

Ausspähen, draufhauen: Weil sie mit einem Pulk Vermummter ein Fernseh-Team um den bekannten Comedian Abdelkarim am Rande einer Demonstration brutal zusammenschlugen, wurden drei Studenten und ein Sozialarbeiter verurteilt. Ausrede vor Gericht: War ’ne Verwechslung! Nicht einer distanziert sich von Gewalt, sie sagen lediglich: Hat aus Versehen die Falschen getroffen!

Amtsgericht Tiergarten. Aufruf zum Aktenzeichen 215 Ls 34/22. „Hygiene-Demo“ am 1. Mai 2020 in Mitte. In einer Seitenstraße beim Alexanderplatz macht das TV-Team vom ZDF-Satiremagazin „Heute Show“ Zigarettenpause. Rund 20 Vermummte stürmen auf sie zu, schlagen sie nieder. „Wie Zombies, die rennen können“, erinnert sich Comedian Abdelkarim (42, „Der Marokkaner deines Vertrauens“) später.

Wer verhaftet wurde, kam schnell wieder frei. Auch Miriam (31, fuchsrote Haare) und Simon S. (29, Kickboxer und MMA-Trainer), Sprösslinge einer Unternehmerfamilie aus Baden-Württemberg.

Fast vier Jahre später sind sie angeklagt im Hochsicherheits-Saal 700 (sonst für Mörder und Terroristen reserviert). Beide studieren, beziehen Bafög. Auch Kevin G. (34) ist Bafög-Student. Johannes F. (28) gibt als Beruf Sozialarbeiter an. Vorwurf der Anklage: gefährliche Körperverletzung (Strafrahmen 6 Monate bis 10 Jahre Haft).

Nach der Prügelattacke auf dem Alexanderplatz am 1. Mai 2020 nahm die Polizei die vier Angeklagten fest, darunter das Geschwisterpaar (2.v.r und r.)
Nach der Prügelattacke auf dem Alexanderplatz am 1. Mai 2020 nahm die Polizei die vier Angeklagten fest, darunter das Geschwisterpaar Foto: Axel Lier

Aber es gibt einen Deal: maximal 2 Jahre Haft auf Bewährung, wenn sie alles zugeben. Ihre „Geständnisse“ bestehen aus denselben dürren Worten ihrer Anwälte: „Angriff trifft zu.“ „War eine Verwechslung.“ „Hielt sie für Personen aus dem rechten Spektrum.“ „Keiner hatte die Absicht, Medien-Vertreter angreifen.“ „Entschuldigung für körperliche und seelische Verletzungen.“

Ein Regisseur (63), der damals im Krankenhaus landete: „Das war kein Zufall, das wirkte organisiert, das war eine konzertierte Aktion. Wie wir mit der rechten Szene verwechselt werden konnten, ist mir schleierhaft.“

Ein Kameramann (53): „Einer ist mich direkt angesprungen, stieß mich zu Boden, mir wurde schwarz vor Augen, ich war bewusstlos.“

Ein Security-Mann: „Einige wirkten kampfsportversiert, richtige Bullen. Eine weibliche Stimme gab das Signal zum Flüchten. Jeder von uns hatte mit mindestens drei Angreifern zu tun, am Boden gab es noch massive Tritte gegen den Kopf.“

Ein anderer Security-Mann: „Ich rief noch: Da kommt der Schwarze Block! Hörte den Ruf: Jetzt kriegt ihr paar aufs Maul! Das waren etwa 20 Leute, darunter zwei bis drei Frauen.“

Ein weiterer Security-Mann: „Das war so krass brutal, so was habe ich noch nie erlebt. Sie hatten zwei Teleskopschlagstöcke dabei und eine Aluminiumstange glänzte in der Sonne. Einen nahm ich am Boden in den Schwitzkasten, ein Mädchen mit fuchsrotem Haar kam zurück und trat auf mich ein, bis ich ihn losließ.“

Ein Tonassistent: „Sie traten mich wie einen Fußball.“

Keiner der vier Angeklagten sagt etwas dazu. Fast alle aus dem TV-Team waren verletzt (Hämatome, Nasenbruch, Kopfplatzwunden). Keiner der Angeklagten ist vorbestraft. Nach Polizei-Erkenntnissen sollen sie teilweise der linken Szene zuzurechnen sein. Keiner von ihnen distanzierte sich von Gewalt.

11.10 Uhr begann der Prozess. 14.06 Uhr das Urteil: Jeweils zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung. Außerdem jeweils 5000 Euro Geldbuße, die dann vom Gericht unter den sechs Verletzten als Schmerzensgeld aufgeteilt werden.

Richterin Ulrike Hauser: „Das war eine konzertierte Aktion, immer drei bis vier auf einen. Ich wüsste wirklich gern, warum. Ich habe selten so eine geplante Aktion gesehen in meinen 30 Jahren Berufserfahrung, und wenn, dann von der rechten Szene. Das nimmt sich nichts: Ausspähen und Draufhauen, das entsetzt mich. Das nimmt sich nichts, wie mit politischen Gegnern umgegangen wird.“

Themen: Alexanderplatz Demo heute-show Prügel-Attacke Querdenker
Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale-Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.