Geldbörse mit Union Jack und Pfundmünzen
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Großbritannien
Britische Regierung will verpasste EU-Förderung ausgleichen

Großbritannien kündigt ein großes Finanzpaket für Forschung und Entwicklung an. Es soll "Unsicherheit" ausgleichen und Talente im Land halten.

23.11.2022

Die britische Regierung wird 484 Millionen Pfund (rund 560 Millionen Euro) in Forschung und Entwicklung investieren, kündigte der britische Wissenschaftsminister George Freeman am Montag an. Hochschulen sollen zusätzliche Finanzmittel erhalten, um EU-Fördermittel auszugleichen, die die Forschenden aktuell nicht bekommen können, da Großbritannien kein assoziiertes Mitglied des europäischen Forschungsprogramms "Horizon Europe" mehr ist. Das britische Onlinemagazin "Times Higher Education" (THE) hatte zuerst über das angekündigte Finanzpaket berichtet.

200 Millionen Pfund (rund 230 Millionen Euro) sollen in die britische Forschungsinfrastruktur investiert werden. Englische Universitäten sollen 100 Millionen Pfund (etwa 115 Millionen Euro) in Form von qualitätsbezogener Förderung erhalten. Zusätzliche Gelder gehen laut Mitteilung an schottische, walisische und nordirische Hochschulen. Weitere 30 Millionen Pfund (rund 35 Millionen Euro) sollen Hochschulen dabei unterstützen, Talente zu binden, die sie wegen ausbleibender EU-Fördergelder ansonsten verlieren könnten (Talent and Research Stabilisation Fund).

Finanzpaket auch aus Mitteln finanziert, die für "Horizon Europe" gedacht waren

Die Mitteilung zu den zusätzlichen britischen Fördermitteln kam der Bekanntgabe der Gewinner der "ERC Starting Grants" des Europäischen Forschungsrats einen Tag zuvor. Die Preisträgerinnen und Preisträger wurden am Dienstag verkündet. 70 ausgewählte Forschende arbeiten an Hochschulen und Forschungszentren in Großbritannien; sie erhalten die EU-Förderung nur, wenn sich das Land noch vor dem jeweiligen Projektbeginn mit der Europäischen Kommission über die Assoziierung an "Horizon Europe" einigt.

Entsprechend beschrieb Freeman das Finanzpaket in seiner Mitteilung auch als äußerst wichtig angesichts der bestehenden "Unsicherheit", die die fehlende Assoziierung bedeute. Britische Universitäten und Forschungseinrichtungen stünden unter Druck, Talente zum Verbleib zu motivieren. Die Verantwortung für die noch nicht erreichte Assoziierung sieht Freeman bei der EU, die diese "blockiere". Großbritannien habe "alles" getan, um eine Assoziierung sicherzustellen, die auch weiterhin das Ziel der britischen Regierung sei. Keine Erwähnung findet allerdings ein zentraler Punkt der Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und der EU: Laut dem Nordirland-Protokoll soll eine harte Grenze auf der irischen Insel vermieden und damit die Integrität des EU-Binnenmarkts gewahrt werden, um das Karfreitagsabkommen von 1998 zu schützen. Die EU wirft Großbritannien im Rahmen des Brexits Verstöße gegen das Protokoll vor.

Durch die Verzögerungen seitens der EU, so Freeman, sei die britische Regierung nun zu dem von "Horizon Europe" unabhängigen Finanzpaket gezwungen, das, so deutet die Mitteilung an, auch durch Mittel finanziert werde, die ursprünglich für die Mitfinanzierung von "Horizon Europe" gedacht waren.

Die Leitungen der britischen Forschungsorganisationen stehen den zusätzlichen Fördermitteln mit gemischten Gefühlen gegenüber, wie "THE" berichtet. Professorin Linda Partridge, Vizepräsidentin der Royal Society, sah die Maßnahme als Zeichen dafür, dass die Regierung die Wissenschaft in das Zentrum ihrer Bemühungen um mehr Produktivität und wirtschaftliches Wachstum stelle. Die beste Lösung wäre laut Partridge allerdings, wenn die Assoziierung mit "Horizon Europe" abgeschlossen werden könne.

cpy