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AfD will vom rechtsextremen Motiv des Attentäters nichts wissen

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Der Rechtsterrorist hatte einen Mann in einem Döner-Imbiss erschossen.
Der Rechtsterrorist hatte einen Mann in einem Döner-Imbiss erschossen. © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Eigentlich dürfte an Stephan Bs Rechtsextremismus keine Zweifel bestehen. Die AfD sieht das anders. Ein Kommentar.

Der AfD fällt die richtige Einordnung des rechtsextremen Attentäters von Halle denkbar schwer. Der 26-jährige Stephan B. hatte mit einer selbstgebauten Maschinenpistole in eine Synagoge eindringen wollen und schließlich eine Passantin und einen Mann in einem Döner-Imbiss ermordet. In Militärkleidung und mit Helm inklusive Helmkamera hatte er sein Attentat in Analogie auf den Christchurch-Attentäter gefilmt und ins Netz gestellt. Seine Tat hatte er bereits im Vorfeld in Form eines Todesauftrags formuliert. 

Stephan B. hat die Morde gestanden und ein antisemitisches Motiv bestätigt. Er habe eine „judenkritische Einstellung“, wird er im „Spiegel“ von seinem Anwalt zitiert, Nationalsozialist sei er hingegen nicht. So sei nicht jeder Antisemit ein Nationalsozialist, soll sich Stephan B. laut Verteidiger geäußert haben. Ach ja? 

Halle und die Debatte: Antisemitismus ist Kernbestand des Rechtsextremismus

Tatsächlich ist der Antisemitismus Kernbestand des Rechtsextremismus. Die Wissenschaftler Werner Bergmann und Rainer Erb haben dies ausgeführt und formulieren für das „rechte Lager drei Bedrohungsszenarien“, wovon eines hier dargestellt wird. 

So sähen Rechtsextremisten die ihnen verhasste Einwanderung „als eine von den ‚Hintergrundkräften‘ gesteuerte Wanderung zur Schwächung der ethnischen Substanz Deutschlands“. Hinter der Einwanderung stünde „die weitergehende Absicht, ... die im Zweiten Weltkrieg gescheiterte Dezimierung des deutschen Volkes mit anderen Mitteln zu vollenden“. Den Juden käme eine „Doppelrolle“ zu, da sie als „fremde Minderheit abgelehnt und zugleich noch als mächtige Feinde projiziert“ würden. 

Eigentlich dürften zu Stephan Bs Rechtsextremismus keine Fragen mehr offen sein, doch die AfD will vom rechtsextremen Motiv nichts wissen. So schwadroniert der Nürnberger Ableger der Partei auf Facebook von einer „kriminellen Schmutzkampagne gegen die AfD“, und meint hier die subtextuelle Verbindung, die völlig zu Recht zwischen der Partei und Rechtsterrorismus hergestellt wird. „Abwertende Sprache von Parteien wie der AfD … kann das Gefühl auslösen: Jemand müsste mal etwas tun“, formuliert es der Politologe Daniel Köhler, was man auch darauf herunterbrechen kann, dass auf Worte Taten folgen. 

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Attentäter von Halle hatte Verbindungen zur NPD

Die AfD-Nürnberg sieht die große Verschwörung, denn Politik und Medien „konstruieren ein rechtsradikales Motiv, das sich aus den bisherigen Vernehmungen … nicht ableiten lässt, aber dem Wunschdenken der ‚Ermittler‘ entspricht“. Immerhin bestreite B. „jedes rechtspolitische Motiv“. Das aber kann er gar nicht und tut er auch nicht, zumal er gezielt einen Döner-Laden angegriffen hat. Er sagt lediglich, dass er kein Nationalsozialist sei. Aber, AfD-Nürnberg, es gibt viele Schattierungen in Braun. 

Weiter habe er sich „nicht rechtspolitisch radikalisiert“. Hierzu sei ein Bericht von „Frontal 21“ empfohlen. Dort berichtet ein Aussteiger aus der Neonazi-Szene, Stephan B. 2014 auf einer Parteiveranstaltung in der Leipziger NPD-Zentrale getroffen zu haben. B. hätte sein antisemitisches T-Shirt - „Weg mit dem Judentum“ - „voll cool“ gefunden. Aber Nürnbergs Blau-Braune wittern die große Verschwörung: „B. anonym gekauft?“ Fragt sich nur, von wem. 

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Hier weiß die AfD-Salzgitter möglicherweise mehr. Die bereichert den Diskurs mit einer ganz eigenen Vermutung: „Wo war das Polizeiauto, das sonst an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr die Synagoge in Halle bewacht? Wer hat die Beamten abgezogen…? So ein Befehl kann doch nur von ganz oben kommen.“ Von ganz oben? Ist der Allmächtige oder doch eher Bundeskanzlerin Merkel gemeint? 

AfD und der Rechtsextremismus

Vermutlich Letztere bzw. Personen mit entsprechender Handlungsbefugnis, die mal so eben ein Polizeiauto wegbefehlen, um einem möglichen Terroristen wohl den Zugang zu erleichtern? Und warum sollen sie das getan haben? Nur, um der AfD zu schaden? 

Es ist schon abenteuerlich, wie die AfD eine politische Nähe zum Rechtsextremismus abstreitet, als würde dies politisch nicht offenbar. Zitiert sei noch der AfD-Politiker Roland Ulbrich, der im Leipziger Stadtrat sitzt.: „Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“, womit er vermutlich seinen Unmut kundtut, dass der rechte Terror als Antisemitismus auf die Tagesordnung gesetzt wird. 

In Halle wurde rechte Hetze strukturell weiter gedacht

Abschließend sei noch an ein Posting der AfD Salzgitter erinnert, die im September 2017 jubelte, die „AfD habe erfolgreich den Bundestag gestürmt!“ Der Kampf beginne nun erst richtig, beziehungsweise „die nächste Phase im Krieg gegen dieses widerwärtigste System, das je auf deutschem Boden existierte“.

Als Fazit bleibt: Wer von Krieg fabuliert und bürgerkriegsähnliche Szenarien malt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn strukturell weiter gedacht wird und der rechte Terror als politische Aktion seine Umsetzung findet.

Von Katja Thorwarth

Der Bundesanwaltschaft geht gegen eine mutmaßliche rechte Terrorzelle vor: Bei Razzien in sechs Bundesländern wurden am Freitag zwölf Männer festgenommen. Sie sollen Anschläge auf Politiker und Asylsuchende geplant haben.

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