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Neuer Vorstoß aus Baden-Württemberg Grüne Homöopathie-Debatte – Lang distanziert sich von eigenem Landesverband

Eigentlich galt der Streit der Grünen um die Homöopathie als befriedet. Jetzt aber legen führende Grüne aus dem Südwesten von vorne los – und die Parteispitze reagiert.
Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang in Hannover

Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang in Hannover

Foto: Moritz Frankenberg / dpa

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Bei den Grünen flammt die Diskussion um die Stellung der Homöopathie wieder auf, und die Partei-Co-Chefin Ricarda Lang hat sich dabei gegen ihren eigenen Landesverband gewendet.

Auf einer Pressekonferenz in Hannover sagte Lang auf die Frage, ob sie sich von der Haltung ihres baden-württembergischen Landesverbands zur Homöopathie distanziere: »Wir haben einen Parteitagsbeschluss, der ist im Rahmen des Grundsatzprogramms entstanden und zu dem stehe ich auch als Bundesvorsitzende.«

»Baden-Württemberg ist das Land der Naturheilkunde, und gerade die Homöopathie ist für viele Bürgerinnen und Bürger im Land ein wichtiger Teil ihrer Gesundheitsversorgung.«

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Lucha

Lang bezog sich damit auf eine Formulierung, die ein Grünen-Parteitag 2020 nach monatelangem Streit innerhalb der Partei über die Stellung von Homöopathie in der Medizin und bei der finanziellen Bezuschussung von den Krankenkassen billigte.  Damals beschlossen die Grünen, dass nur noch Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden sollten, »die medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist«.

Hintergrund der jüngsten Äußerungen Langs ist der Vorstoß des grünen baden-württembergischen Landesgesundheitsministers Manfred Lucha. Der hatte die Entscheidung der Landes-Ärztekammer kritisiert, die sich für eine Streichung von Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung der Ärzteschaft ausgesprochen hatte.

»Den Beschluss der Landesärztekammer finde ich das absolut falsche Signal«, hatte Lucha gegenüber der Presse erklärt. »Baden-Württemberg ist das Land der Naturheilkunde, und gerade die Homöopathie ist für viele Bürgerinnen und Bürger im Land ein wichtiger Teil ihrer Gesundheitsversorgung.«

Jeder solle die Möglichkeit haben, sich bei der Arztwahl für einen homöopathisch arbeitenden Arzt zu entscheiden, so Lucha »Dazu braucht es Ärzte, die eine Zusatzqualifikation in Homöopathie besitzen.« Sein Ministerium werde den Beschluss der Ärztekammer »fachlich und rechtlich genau überprüfen«.

Unterstützung hatte Lucha am Wochenende von der Grünen-Landesvorsitzenden Lena Schwelling erhalten. »Es gibt in diesem Land eine Arzt- und Therapie-Wahlfreiheit. Und wenn die Menschen sich dafür entscheiden wollen, dann finde ich, muss man ihnen das auch zugestehen«, so Schwelling. Auch die Weiterbildung zur Homöopathie für Ärzte solle bleiben. »Deswegen wundert mich auch sehr, was für einen Kreuzzug manche gegen das Thema Homöopathie fahren.«

Schwelling sprach sich auch dagegen aus, Homöopathie aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu streichen, wie es etwa die FDP fordert. Sie könne nicht verstehen, dass dabei mit den Kosten argumentiert werde. »Wir reden über etwa 0,003 Prozent der Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenkassen, die in homöopathische Medikamente und Behandlungen fließen.«

Grünen-Bundestagsabgeordnete und Ärztin Paula Piechotta hatte Schwelling für ihre Äußerungen auf Twitter hart kritisiert. Baden-Württembergs Grünenchefin stelle sich »schützend vor Esoterik, aber gegen wissenschaftsbasierte Entscheidungen der Ärztekammer und Grüne Beschlusslagen«, so Piechotta. Sie warf Schwelling »null Respekt vor der Selbstverwaltung, null Respekt vor Wissenschaft« vor.

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Zu einem Tweet Schwellings, wonach es durchaus Studien gebe, die die Wirkung der Homöopathie belegten, schrieb Piechotta: »Es ist leider sehr, sehr peinlich, wenn derartige Falschinformationen von eigentlich soliden Menschen verbreitet werden.«

Der Bundesvorstand habe sich vor zwei Jahren zur evidenzbasierten Medizin bekannt, so Piechotta weiter. Im September 2020 hatte die Bundesspitze der Grünen in einem Beschluss unter anderem folgende Formulierung festgeschrieben: Die Partei setze »auf evidenzbasierten Medizin im Sinne des gewissenhaften und vernünftigen Gebrauchs der gegenwärtig besten wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung.«

Eine parteiinterne Kommission, die über die strittige Therapieform hätte debattieren sollen, wurde vom damaligen Co-Vorsitzenden Robert Habeck abgesagt. Grund dafür sei ein »aggressiver und teilweise polemischer Unterton« gewesen, so Habeck damals. In der Folge zog der Bundesvorstand die Debatte an sich und legte später einen Kompromiss vor.

Julia Willie Hamburg, Grünen-Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen in Niedersachsen im Oktober, erklärte zu den neuen Diskussionen über Homöopathie: In Niedersachsen sei man im Grundsatz »der Überzeugung, dass wir finanzielle Ressourcen dahinein investieren wollen, wo eine wissenschaftliche Belegbarkeit auch der Wirksamkeit da ist. Trotzdem mache ich keinen Hehl daraus, dass es viele Menschen bei uns gibt, die Homöopathie nutzen, deswegen haben wir aus gutem Grund gesagt, wir beschäftigen uns auf Bundesebene noch einmal intensiver.«

anr/fin