Nuncius Hamburgensis
Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
Band 31
Gudrun Wolfschmidt (Hg.)
Astronomie in Franken
Von den Anfängen
bis zur modernen Astrophysik
125 Jahre Dr. Remeis-Sternwarte Bamberg
(1889)
Hamburg: tredition 2015
Nuncius Hamburgensis
Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
Hg. von Gudrun Wolfschmidt, Universität Hamburg,
Zentrum für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik
(ISSN 1610-6164).
Diese Reihe „Nuncius Hamburgensis“
wird gefördert von der Hans Schimank-Gedächtnisstiftung.
Dieser Titel wurde inspiriert von „Sidereus Nuncius“
und von „Wandsbeker Bote“.
Wolfschmidt, Gudrun (Hg.): Astronomie in Franken –
Von den Anfängen bis zur modernen Astrophysik.
125 Jahre Dr. Remeis-Sternwarte Bamberg (1889). Proceedings der
Tagung des Arbeitskreises Astronomiegeschichte in der Astronomischen
Gesellschaft 2014. Hamburg: tredition (Nuncius Hamburgensis –
Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Band 31) 2015.
Abb. – Cover vorne: Blick auf Bamberg von der Sternwarte aus (Foto: G. Wolfschmidt)
Frontispiz: Kuppeln der Dr. Karl Remeis-Sternwarte Bamberg (Foto: G. Wolfschmidt)
Titelblatt: Wappen von Nürnberg, Franken, Bamberg (Wikipedia)
Abb. – Cover hinten: Sternwarte Bamberg ( c Remeis-Sternwarte)
Zentrum für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik, Hamburger Sternwarte,
Fachbereich Physik, MIN Fakultät, Universität Hamburg
Bundesstraße 55 – Geomatikum, D-20146 Hamburg
http://www.hs.uni-hamburg.de/DE/GNT/w.htm
Dieser Band wurde gefördert von der Schimank-Stiftung.
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Verlag: tredition GmbH, Mittelweg 177, 20148 Hamburg
ISBN 978-3-7345-0248-4 – c 2015 Gudrun Wolfschmidt. Printed in Germany.
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Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Abbildung 28.1:
Oben: Himmelscheibe von Nebra Original (links),
Urscheibe (Mitte), wichtigste Elemente (rechts)
Unten: Relief eines siebenarmigen Leuchters aus der Synagoge in Ostia
Oben: c Rahlf Hansen (links), LDA Halle, Bearbeitung Rahlf Hansen (Mitte und rechts);
Unten: c Rahlf Hansen
Von der Himmelsscheibe von Nebra zu
Ostern ohne die Plejaden
Rahlf Hansen und Christine Rink (Hamburg)
Abstract
We found on the sky disc of Nebra the Babylonian Pleiades intercalary rule encoded in
a double manner. It gives a practical instruction, when one month must be switched
on in a luni-solar calendar. In this iconographic program the golden disc symbolizes
the sun as well as the full moon. This double interpretation arises from the meaning
of the Babylonian Akitu New Year feast at full moon in the spring month necessarily:
The full moon in the spring month symbolizes the new-year at the beginning of
spring. Therefore, one finds in Near East often the symbol of a circle (beside figurative
representations) for the sun AND moon, not seldom with the Pleiades.
At the reign of Hammurabi – possibly also the production time of the sky disc –
in 1800 B.C. the last visibility of the Pleiades in the evening sky occurred in such
a way that when they disappeared and at the same time the First Crescent Moon
appeared (the „ideal situation“) the following full moon decorated the sky at the
beginning of spring: The full moon as a symbol of the sun! Thus three elements
(First Crecent Moon, Pleiades and full moon / sun) symbolize the spring feast (today
Easter). Nowadays no Pleiades appear in the Easter rule. The „Plejadenschock“
led to the fact that the Pleiades disappeared from that rule. In 600 B.C. the sky
constellations had moved on account of the precession so far that the intercalary rule
was not valid any more in the spring month. Exemplarily at the example of Persepolis
we indicate the reaction to the „Plejadenschock“. We look in addition at orientations
and at symbols of Persepolis. We discuss the effects of the „Plejadenschock“ in the
Persian’s empire, thus with the Jews, Syrians and Arabs.
490
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Zusammenfassung
Wir fanden auf der Himmelsscheibe von Nebra die babylonische Plejadenschaltregel
auf doppelte Weise verschlüsselt. Sie gibt damit eine praktische Anweisung, wann ein
Monat in einem lunisolaren Kalender eingeschaltet werden muss. In diesem Bildprogramm symbolisiert die Goldscheibe sowohl die Sonne als auch den Vollmond. Aus der
Bedeutung des babylonischen Akitu-Neujahr-Festes zum Vollmond im Frühlingsmonat ergibt sich diese Doppeldeutung zwangsläufig: Der Vollmond im Frühlingsmonat
symbolisiert das neue Jahr zu Frühlingsanfang. Deshalb findet man im vorderen Orient häufig das Kreissymbol (neben figürlichen Darstellungen) für Sonne UND Mond,
nicht selten mit den Plejaden.
Zur Zeit Hammurabis – etwa auch die Herstellungszeit der Himmelsscheibe – im 18.
Jahrhundert v. Chr. trat die letzte Sichtbarkeit der Plejaden am Abendhimmel so
ein, dass wenn sie verschwanden und gleichzeitig die Neulichtsichel auftauchte (die
„Idealsituation“), der folgende Vollmond zu Frühlingsbeginn den Himmel schmückte:
Der Vollmond als Symbol für die Sonne! So symbolisieren die drei Elemente Sichelmond, Plejaden und Vollmond / Sonne das Frühlingsfest und damit auch Ostern.
Nur tauchen in der Osterregel keine Plejaden mehr auf. Der Plejadenschock führte
dazu, dass die Plejaden aus der Regel verschwanden. Im 6. Jahrhundert v. Chr. hatten
sich die Himmelskonstellationen aufgrund der Präzession so weit verschoben, dass die
Schaltregel nicht mehr im Frühlingsmonat galt. Exemplarisch am Beispiel von Persepolis zeigen wir auf, wie man auf den Plejadenschock reagierte. Wir betrachten dazu
Ausrichtungen und Symbole von Persepolis. Wir diskutieren die Auswirkungen des
Plejadenschocks im Perserreich, so bei den Juden, Syrern und Arabern.
28.1 Einleitung
In dieser Arbeit möchten wir einen speziellen Aspekt der Himmelsscheibe von
Nebra vertiefen. In unseren bisherigen Arbeiten haben wir uns auf die Schaltthese konzentriert.1 Wir betonten, dass das Memogramm auf der Himmelsscheibe einen Ausgleich zwischen Mond- und Sonnenkalender gestattet. Dieses
Wissen ist zweifach verschlüsselt. Zum einen gibt die Dicke der Mondsichel bei
den Plejaden an, wann ein Schaltmonat eingefügt werden muss. Erscheint im
vermeintlichen Frühlingsmonat eine so dicke Sichel des Mondes wie auf der
Himmelsscheibe neben den Plejaden, muss ein Schaltmonat eingeführt werden.
In der Anzahl der 32 Punkte auf der Himmelsscheibe ist dieses Wissen ein
zweites Mal verschlüsselt. Vergehen von dem Neulicht des vermeintlich letzten
1 Hansen 2007 und Hansen, Rink 2008a.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
491
Monats des alten Jahres 32 Tage bis zum Zusammentreffen von Mond und
Plejaden im vermeintlichen ersten des neuen Jahres muss ebenfalls ein Monat
eingeschaltet werden. Darüber hinaus ist mit der Zahlenkombination 32/33 eine Erwartungshaltung auf der Himmelsscheibe aufgetragen, die angibt, dass
in 32 Sonnenjahren zwölf Mal ein Mondmonat eingeschaltet werden wird. So
ergeben sich in den 32 Sonnenjahren 33 Mondjahre. Wir haben damit auf der
Himmelsscheibe von Nebra ein wissenschaftliches Programm vorliegen:2 Eine
Erwartung, wie häufig geschaltet werden wird, und die Anleitung, wann in der
Praxis zu schalten ist. Aus den getätigten Schaltungen kann man die Erwartung
mit der Praxis abgleichen und gegebenenfalls verbessern. Außerdem wiesen wir
darauf hin, dass der große Goldkreis sowohl Sonne als auch Vollmond darstellt.
In dieser Arbeit wollen wir die Kombination von Sichel-Plejaden und Vollmond
genauer analysieren. Dazu kommt uns zugute, dass es eine neue Datierung für
die Himmelsscheibe gibt. Nach neueren Metallanalysen ist die Scheibe nicht
vor dem 18. vorchristlichen Jahrhundert gefertigt.3 Dies passt zu unserem Ergebnis, die Regierungszeit Hammurabis mit Hilfe der Schaltregel festzulegen.4
Wir überlegten, in welcher Zeit die Übertragung des Wissens von ihrem Ursprungsort Babylon nach Nebra am wahrscheinlichsten war.5 Ein Hinweis auf
ein Bildnis, das Hammurabi in seinem 15. Regierungsjahr (1778 v. Chr.) – zu
Ehren „der Sieben“ aufstellen ließ, führte uns zu der Erkenntnis, dass auch
zu seiner Zeit nach der Plejadenschaltregel geschaltet wurde.6 Wir vermuten,
dass das Wissen um diese Schaltregel in der Zeit des Hammurabi nach Mitteldeutschland gelangte.
Betrachten wir die astronomischen Zusammenhänge für das 18. vorchristliche
Jahrhundert genauer: die Plejaden waren am 9. März letztmals in der Abenddämmerung sichtbar. Trat an diesem Tag eine Neulichtsichel zu den Plejaden,
dann zeigte der Vollmond zwölf Tage später den Frühlingsanfang an. Jetzt symbolisiert der Vollmond die Sonne und das neue Jahr. Dies passiert nur rund alle
27 Jahre taggenau. Wir nennen das Zusammentreffen von Neulicht und letzter
Sichtbarkeit der Plejaden Idealsituation.
2 Dieses wissenschaftliche Vorgehen zeigen wir in Hansen, Rink (2008a) für die Himmelsscheibe von Nebra, den Sonnenwagen von Trundholm und den Berliner Goldhut auf. Dieses
Vorgehen gipfelt in der möglichen Vorhersage der Sonnenfinsternis von Thales mit Hilfe
der Goldhüte (Rink, Hansen 2013).
3 Meller 2013, S. 267.
4 Hansen, Rink 2014, S. 424–427.
5 Die Möglichkeit der Datierung der Himmelsscheibe aus dem Ursprungsort des Wissens –
Babylon – und dem möglichen Zwischenstationen erwähnten wir schon in Hansen, Rink
2008b, S. 131.
6 Hansen, Rink 2014, S. 424–427.
492
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Die Idealsituation trat perfekt gerade zur Zeit von Hammurabi und der Himmelsscheibe von Nebra auf. Traf die Neulichtsichel am letzten Tag der Sichtbarkeit der Plejaden diese am 9.3. (greg.), dann erfolgte der Vollmond eben
am 21.3. zu Frühlingsanfang. Damit folgten aber auch für alle folgenden 12
Vollmonde die Termine im Sonnenkalender. Der Mond zeigt nicht nur an diesem Tag den Frühlingsanfang an, sondern für jeden Tag des kommenden Jahres
kann man aus dem Mondlauf auf das Sonnendatum schließen. Es muss nur einmal synchronisiert werden – und dies erfolgt im Frühlingsmonat. Am leichtestes
bei einer Idealsituation.
Trat keine Idealsituation auf (was ja die Regel ist), gab die Differenz der
Tage des Neulichtes zum letzten sichtbaren Untergang der Plejaden eine Verschiebung. Genau um diese Tage lagen dann Vollmond und Frühlingsanfang
voneinander getrennt. Bei der Kenntnis des Mondjahres konnte jetzt der Sonnenkalender mit dem Mondkalender ebenfalls synchronisiert werden. Ausgangspunkt bleibt die Idealsituation, da man sich mit der Differenz der Tage auf diese
bezog.
In Babylon wurde am Vollmondtag des Frühlingsmonats Neujahr begangen
und mit dem wichtigsten Fest des Jahres, Akitu, gefeiert.7 Zur Zeit von Hammurabi fielen bei einer Idealsituation dieser Vollmond, Frühlingsanfang und
Jahresbeginn zusammen. Zu dieser Gelegenheit wurde der babylonische Schöpfungsmythos verlesen. Im Kalender übernahmen die Juden mit Passah und die
Christen mit Ostern diesen Termin.8 Auch wird in der Katholischen Kirche zu
Ostern die Genesis verlesen9 und im Judentum zu Jahresanfang – allerdings im
Herbst – aus der Thora rezitiert.10
28.2 Ostern ohne die Plejaden. Warum?
Dazu müssen wir die Präzession betrachten: Die Ebene, in der die Erde die
Sonne umkreist, und damit für uns die Ekliptik am Himmel, bleibt zeitlich
unverändert. Somit sind auch die Tierkreissternbilder, durch die die Ekliptik
führt, immer dieselben. Aber die Zuordnung der Tierkreissternbilder zu den
Jahreszeiten, wie die Lage des Frühlings- und Herbstpunktes ändern sich. Verantwortlich hierfür ist eine dritte Bewegung der Erde. Nach ihrer täglichen Drehung um sich selbst und jährlichen Umlauf um die Sonne eiert die Erdachse in
rund 26.000 Jahren wie ein Kinderkreisel. Damit zeigt die Erdachse im Laufe
7
8
9
10
Zum Akitu-Fest Cohen 1993, S. 400–453.
James 1961, S. 83.
James 1961, S. 83.
Frei, Koch 1996, S. 270.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
493
der Zeit in verschiedene Richtungen: heute zum Polarstern im kleinen Wagen,
zur Zeit der Erbauung der Cheopspyramide zum hellsten Stern im Drachen
(Tuban) und in ca. 12.000 Jahren zu Wega in der Leier.
Für uns aber noch wichtiger ist die Bewegung des Himmelsäquators längs der
Ekliptik. Die beiden Schnittpunkte ziehen in 26.000 Jahren einmal durch den
gesamten Tierkreis. Liegt der Frühlingspunkt heute schon fast im Wassermann,
lag er zur Zeit Christi gerade in den Fischen, zur Zeit der Perserkriege im
Widder und zur Zeit von Ur im Stier. Unser heutiges Wintersternbild Stier
war vor 5000 Jahren ein Frühlingssternbild und zur Zeit von Göbekli Tepe ein
Sommersternbild!
Wegen der Präzession bewegt sich also der Frühlingspunkt durch die Tierkreissternbilder.11 Was so abstrakt klingt, hatte für die Babylonier (und nicht
nur für sie) schwerwiegende Folgen: die letzte Sichtbarkeit der Plejaden verschob sich in den Jahrhunderten nach −1700 immer weiter Richtung Frühlingsanfang – und damit entfernte sich der folgende Vollmond in einer Idealsituation
immer weiter von ihm. Um das Jahr −550 erschienen die Plejaden letztmals
am 25.3. (greg.), also deutlich nach Frühlingsanfang. Bei einer Idealsituation
beginnt der Monat also am 25.3 schon NACH dem Frühlingsanfang und der
folgende Vollmond findet im falschen Monat statt. Wir nennen dies den Plejadenschock.12
28.3 Was für Reaktionen erfolgten auf die
Verschiebung?
Eine Idealsituation fand 547 v. Chr. statt. Dies war für die Himmelskundigen
schon zwei Jahre früher absehbar. Der babylonische König Nabonid verlagerte zur Überraschung seiner Zeitgenossen seinen Regierungssitz 549 v. Chr. ins
arabische Taima.13 Damit fiel die Neujahrsfeier in Babylon aus, da sie vom
König vorgenommen werden musste. Dies lässt sich astronomisch begründen.
Er weigerte sich so, das Neujahrsritual in einem Jahr (547 v. Chr.) auszuführen, in dem für alle sichtbar die Idealsituation NACH Frühlingsanfang erfolgte
und damit der Kalender und die göttliche Ordnung nicht mehr galten. Unter
den Achämeniden wandte man sich dann ebenfalls von der beobachtungsorientierten Schaltregel ab und mathematischen Ordnungen (Oktaedris und Meton)
zu.14 Nach Sicht sollte in Babylon niemals wieder geschaltet werden.
11
12
13
14
Zur Auswirkung der Präzession siehe Hansen, Rink 2008a im Anhang.
Hansen, Rink 2014, S. 401–403.
Zu den Ereignissen um Nabonid siehe Hansen, Rink 2013a, S. 260–262.
Waerden 1980, S. 111–113.
494
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
28.4 Persepolis als Konsequenz aus dem
Plejadenschock?
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Gestaltung von Persepolis: Betrachten wir zunächst die astronomische Ausrichtung von Persepolis.
Nach Schlosser15 ist die Hauptachse 20,5 Grad NNW gekippt. So fällt wegen
der Horizonthöhe von rund 12 Grad16 das Sonnenlicht zur Sommersonnenwende senkrecht auf die Anlage und die Säulen des Apadanapalastes werfen ihre
Schatten aufeinander. Bemerkenswert ist die auffällige Ausrichtung der Anlage
nach der Sonne und der Sommersonnenwende. Fand hier nicht nur zur Sommersonnenwende ein wichtiges jährliches Reichsfest17 statt, sondern ist dies ein
Hinweis auf einen persischen Sonnenkalender (neben dem üblichen babylonischen lunisolaren Kalender)?
Folgen wir Schlossers Funden weiter. Die Senkrechte zur Anlagenachse zeigt,
wenn man den Sonnenstrahlen weiter Richtung Westen folgt, zum Untergangsort von Sirius, Antares und Mira.18 Sirius im großen Hund gehört zu einem
Wintersternbild, Antares im Skorpion gehört in den Sommer und Mira im Walfisch in den Herbst. Wir haben also die drei Sterne gut über das Jahr verteilt.
Was kann man mit dieser Konstellation anfangen? Die Sonne steht heute
praktisch unverändert zu Sommeranfang senkrecht zur Anlage. Nur die leichte
Kippung der Erdachse hat hierin eine vernachlässigbare Veränderung gebracht.
Anders sieht dies bei dem Untergangspunkt der Sterne aus. Wegen der Präzession ändern sie ihren Untergangsort. Möchte man dies genau erfassen, sollte
man Sterne, die sich möglichst gut im Jahreslauf verteilen, beobachten. Die
Genialität der Anlage beruht darin, dass man einen Ort (mit den passenden
Horizontverläufen im Osten und Westen) aussuchte, so dass man die Sonne
zu einer Wende und gleichzeitig mehrere Sterne, dazu helle (Sirius ist sogar
der hellste und Antares) oder auffällige (Mira ist ein veränderlicher Stern, falls
man dies damals schon bemerkt hatte) auswählte, die in der selben Richtung
versinken. Die Anlage ist damit hervorragend dafür geeignet, Verschiebungen
am Sternenhimmel im Verhältnis zu den Jahreszeiten zu entdecken.
Warum sollte man dies tun? Der Grundstein der Anlage wurde wohl 520
v. Chr.19 (eventuell schon 521)20 gelegt. In diesem Jahr erfolgte wieder eine
15
16
17
18
19
Lentz, Schlosser 1969, S. 971.
Lentz, Schlosser 1969, S. 959.
Frei, Koch 1996, S. 160.
Lentz, Schlosser 1996, S. 975.
Lentz, Schlosser 1969, S. 957, so auch in der Wikipedia unter „Persepolis“ http://de.
wikipedia.org/wiki/Persepolis.
20 Lentz, Schlosser. Gropp 1971, S. 259.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
495
Idealsituation, die aber zu spät erfolgte – also der Plejadenschock.21 Genau in
diesem Jahr (520 v. Chr.) wurde auf den zeitlichen Trümmern der alten politheistischen Religion in Jerusalem der neue Tempel errichtet, der jetzt nur
noch der Sonne geweiht war (mit dem Hennochkalender als passenden Sonnenkalender)22 . Im persischen Reich wurden also gleichzeitig ZWEI Anlagen
als Reaktion auf den Plejadenschock gebaut. Der jüdische Tempel als Symbol
für den neuen Monotheismus der Juden und Persepolis. Aber Persepolis diente
nicht nur als Repräsentationsort des Königs, sondern war eindeutig für alle
sichtbar mit der Sonne verknüpft. Darüber hinaus haben die Erbauer aber auch
eine geniale Architektur und Ausrichtung gewählt, um zukünftig die Bewegungen des Kosmos besser zu verfolgen und um sich in Zukunft vor unliebsamen
Überraschungen am Himmel wie den Plejadenschock zu wappnen.23
Kann man aus den Reliefs Hinweise auf diese Interpretation finden? In der
Tat wird über den Löwe-Stierkampf gerätselt24 , der immerhin 26 Mal an prominenter Stelle auftaucht. Lentz meint, dass der Stier den Mond und der Löwe
die Sonne repräsentiert.25 Soweit stimmen wir ihm zu. Dann aber interpretieren
wir dies Bild anders. Stier (besonders die Plejaden im Stier) und Mond bestimmen über die Plejadenschaltregel den Kalender, der aber offensichtlich (wie bei
der Idealsituation von 520 v. Chr. für alle sichtbar) nicht mehr funktioniert. Er
wird von der Sonne abgelöst, die hier durch den Löwen vertreten wird. Beim
Kampf besiegt der Löwe den Stier. Das Motiv ist viel älter und geht auf Zeiten
zurück, in dem die Sonne zu Sommeranfang im Löwen und zu Frühlingsanfang im Stier stand.26 So wie der Sommer den Frühling ablöst, bzw. besiegt,
so siegt auch der Löwe über den Stier. Dieses Motiv ist sehr alt und taucht
unzählige Male z.B. auf Rollsiegeln auf. Hier wird auf dieses Motiv zurückgegriffen, aber in einem neuen Kontext: jetzt bezieht es sich auf den Untergang
der alten Göttertriade Sterne, Sonne und Mond, die bisher den Kalender durch
die Plejadenschaltregel ordneten. Jetzt haben sie versagt und werden von der
Sonne abgelöst. Dasselbe Bildprogramm beschrieben wir schon beim Mithrasrelief der Stiertötung,27 nur dass hier Mithras den Stier / die Mondsichel tötet.
21 Hansen, Rink 2013a, S. 263–264.
22 Hansen, Rink 2013a, S. 264–266.
23 Außerdem hätte man mit dieser Anlage den Himmel neu „iustieren“ können, wie es im
babylonischen System B geschehen ist (Waerden 1980, S. 159–171).
24 Frei, Koch 1996 , S. 163 und Anmerkung 40 auf der Seite dazu. Abbildung siehe zum
Beispiel Koch 2001, S. 42.
25 Lentz, Schlosser 1969, S. 976.
26 Zu dem Löwen-Stierkamp allgemein und ausführlich Hartner 1965.
27 Hansen, Rink 2008, S. 105–106.
496
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Die Neuausrichtung auf die Sonne und der Grund dafür werden hier vielfach
in Persepolis durch den Löwe-Stierkampf zur Schau gestellt.28
In Zusammenhang mit der Flügelsonne tauchen sowohl Stiere als auch Löwen
auf. So beim Südtor des Hundertsäulensaales.29 Hier kann man die Flügelsonne mit den Löwen auf die Sonne und mit den Stieren auf den Mond beziehen,
wie dies auch Koch tut.30 Das Flügelsymbol kann sich also je nach Kontext
auf die Sonne oder den Mond beziehen – warum also nicht auch gleichzeitig
auf beides? Über dem Baldachin mit der Flügelsonne und dem Flügelmond
taucht der bärtige Mann aus dem Kreis der Flügelsonne auf. Hier denken wir,
dass das Flügelsymbol Sonne UND Mond darstellt. Der Bärtige wird von Koch
auf Ahuramazda bezogen.31 Hier wird symbolisch dargestellt, wie dieser (monotheistischeü) Gott (die frühen Achämeniden preisen nur den Gott Ahuramazda namentlich an32 ) der eigentliche Herrschende hinter Sonne und Mond
ist. Dareios I. befiehlt den Juden in Jerusalem Opfergaben für ihren „Gott des
Himmels“ zur Verfügung zu stellen.33 Hierin zeigt sich vielleicht nicht nur Realpolitik, sondern eine religiös-mythologische Überzeugung, die nach persischer
Lesart Juden und Perser verband.34
Nach dem Plejadenschock ist es verständlich sich einer abstrakteren Gottheit
zu zuwenden. Im Grabrelief von Artaxerxes II. oder III., ebenfalls in Persepolis,35 taucht auch an prominenter Stelle mit dem verstorbenen König, einem
Feueraltar und dem Bärtigen im Flügelbild ein Kreis mit eingelagerter Sichel
28 Man erkennt hier den allgemeinen Trend zur Solarisierung im Perserreich, auch bei den
Juden, und später in Rom. Auch bei den diversen Baalkulten tritt dieses Phänomen auf
(RAC „Baal“ 1950).
29 Frei, Koch 1996, S. 172, Abb. 8.
30 Frei, Koch 1996, S. 180.
31 Frei, Koch 1996, S. 184.
32 Frei, Koch 1996, S. 160. Die persischen Großkönige zeigen ein monotheistisch gefärbtes
Seinsverständnis (Frei, Koch, S. 205).
33 Frei, Koch 1996, S. 290 aus Esra 5,6–6,12 (Deissler, Vögtle, Nützel 1985, S. 568–569). Man
ersieht aus der Esra-Stelle, dass die Juden zu dieser Zeit noch ihren Gott als den „Gott
des Himmels“ bezeichneten. Als solchen konnte Dareios I. ihn vielleicht mit Ahuramazda
gleich setzen, der dann für ihn ebenfalls als „Gott des Himmels“ galt, was das Flügelsymbol
bezogen auf Sonne UND Mond bestens repräsentieren könnte. Bedenkt man noch, dass
im syrischen ein „Herr des Himmels“ als Göttertitulatur gebräuchlich war, so erkennt
man, die Verwandtschaft Jahwes zu den Göttern der umliegenden Völker. Ein hinter den
Erscheinungen, auch von Sonne und Mond, verborgener höchster Himmelsgott könnte eine
Reminiszenz an die Bedeutung der Plejaden aus früherer Zeit sein.
34 Den Glaube an einen alleinigen Schöpfergott bei Juden und Persern siehe Frei, Koch 1996,
S. 314 nach W. Hinz (Anmerkung 360, S. 314). Dass dieser sowohl bei den Juden, als auch
bei den Persern als „Gott des Himmels“ angesehen wurde siehe Frei / Koch 1996, S. 139,
siehe auch 2. Chronik 36,22 ff (Deissler, Vögtle, Nützel 1985, S. 563).
35 Frei, Koch 1996, S. 188, Abb. 14.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
497
auf. Koch36 stellt die Frage, ob dies Sonne UND Mond zusammen darstellen
könnten. Aus dem Flügelornament fallen zwei dreifingerige Hände. Sie weisen
auf das Feuer und den König. Steht das Feuer jetzt stellvertretend für die Plejaden?37 Hat Ahuramazda jetzt die alte Stellung der Plejaden als erstes (oder
letztes) Prinzip übernommen und beherrscht die kosmischen Elemente? So würden wir das Bild deuten. Die Hände erinnern an die Hände der Sonne (Aton)
bei den Ägyptern. Hierzu ein Zitat von Koch:38
„In Babylonien kündet der Kyros-Zylinder, dass Bel-Marduk den
Perser zu der Herrschaft über das All berufen hat. Bei Dareios I.
ist eine Vorliebe für die Gleichsetzung Ahuramazdas mit dem ägyptischen Amon-Re unverkennbar. Dabei geschieht wohl nicht nur eine
vordergründige Aufnahme fremder göttlicher Namen und Figuren.
Vielmehr war damals in Babylonien wie in Ägypten bereits eine
astral ausgerichtete Mythologie in das religiöse Denken eingedrungen, die dem obersten Gott vor allem die Lenkung der Gestirne
zutraut. Falls oben zurecht behauptet worden ist, dass für die Symbolik der Zahlen Zwölf und Sieben im Blick auf Raum und Zeit zumindest bei den Achaimeniden, später dann auch bei den Judäern,
kaldäische Gestirnstheorien Pate gestanden hatten, waren bestimmte religiöse Denkmuster schon international verbreitet, welche zu
Gleichsetzungstheorien geradezu reizten.“
Dies kann man auch anders deuten: die Zahlen Sieben und Zwölf als astral
bedeutend tauchten schon immer in der Geschichte der Menschen auf und waren
kein neues Phänomen. Es ist keine „neue“ Entwicklung oder ein neuer Trend
in der Mythologie zu sehen, sondern ein Einbeziehen sehr alter Traditionen.
Nur zwang der Plejadenschock die Abkehr von einer konkreten Nutzung und
36 Frei, Koch 1996, S. 186–187.
37 Bunsen gibt 1879, S. 126 sehr vage, konkreter S. 346 die Identifikation von Feuer und
den Plejaden an. Auch in Indien werde sie mit dem Feuer gleichgesetzt Allen 1963, S. 393,
Bunsen 1879, S. 95–96 und S. 98. Ebd., S. 96 mit diversen Verknüpfungen zur Zahl Sieben.
Erwähnenswert auch, daß bei den Aborigenes die Hitze des Sommers nicht der Sonne,
sondern den Plejaden zugeschrieben wird (Frazer 1933, S. 308). Hier könnte sich vielleicht
ein sehr altes Erbe von der Bedeutung der Plejaden erhalten haben. Ein Urmythos – in der
Art wie Witzel (2012) es annimmt. Die Wurzel könnte Jahrzehntausende zurück liegen.
Man beachte auch unseren Artikel (Siebert, Rink, Hansen 2015) über die Astronomie in
Libyen vor 400.000 Jahren. Wir sind der alten christlichen Geschichtsschreibung, die nur in
wenigen Jahrtausenden denkt, viel zu sehr verhaftet und blenden eine Geschichte des Homo
aus, die Jahrmillionen in die Vergangenheit zurück reicht. Wir sollten die Vorstellung,
dass ein kulturelles Gedächtnis über (zumindest) Jahrzehntausende reichen kann, nicht
vorschnell abtun.
38 Koch, Frei 1996, S. 315.
498
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Verehrung des Himmels hin zu einer abstrahierenden Neuordnung. Es wurde
ein transzendenter, hinter den Erscheinungen verborgener Gott postuliert. Er
war ein Spiegelbild des alten Prinzips der Ordnung, erkennbar am Himmel
und mit den Plejaden verbunden in neuem Gewand. Koch verkehrt hier aus
unserer Sicht die historischen Abläufe.39 Wie so häufig muss die Geschichte
dem christlichen Selbstverständnis untergeordnet werden. Hier plädieren wir
für eine neutralere Wahrnehmung und Beurteilung der Geschichte.
28.5 45 Grad-Ausrichtungen als Hinweis auf die
Plejaden?
Bleiben wir bei diesem (später hinzugefügten) Grab des Artaxerxes II. oder
III. und betrachten seine Ausrichtung: sie beträgt rund 45 Grad zu den Haupthimmelsrichtungen und fällt damit deutlich aus dem Rahmen, der sonst so
harmonischen Architektur. Warumü
Das erste Mal wurden wir mit einer 45 Grad-Ausrichtung40 in dem Apollontempel in Didyma41 konfrontiert. Die Lagezeichungen ergaben keine verlässliche
Einnordung, so dass wir nach den Schattenwürfen (bei parallelem Sonneneinfall) mit GPS die Zeit nahmen und nachträglich über den Sonnenstand die
Ausrichtung festlegten. Wir fanden eine genaue 45 Grad-Ausrichtung. Wir haben zwei vorläufige Thesen dazu aufgestellt:
1. Unsere erste Idee war, dass es eine ideelle Ausrichtung ist, die offensichtlich nicht RÄUMLICH nach irgendwelchen Himmelsobjekten folgt.
Man wählte die 45 Grad als abstrakte Ausrichtung aus. Die Arbeiten von
Birnbaum42 und der dortigen pythagoreisch-platonischen Zahlenmystik
im Aufbau des Apollontempels von Didyma (Abb. 28.2) könnten dies
unterstützen.
39 Besonders gut erkennbar am Ende seines Beitrages zu Frei, Koch 1996, S. 315–316. Er
erkennt an, dass die Bemühung von Joschija sich von dem assyrischen Baalschamin (Himmelsgott) abzuwenden, scheiterte. Das bedeutet, dass die Juden zu dieser Zeit diesem
Himmelsgott, wie auch alle umliegenden Völker, huldigten. Esra bekommt die persische
Zustimmung für eine schriftliche Verfassung für seine Volks- und Religionsgemeinschaft.
Er tut dies unter zu Hilfenahme eines Himmelsgottes. Dieser wurde aber offensichtlich
schon länger von seinen Volksgenossen angebetet. Es ist explizit eine Anerkennung des
Himmelsgottes. Die Anmerkung Nr. 366 auf S. 316 wirft ein entlarvendes Bild auf die
theologische Weltsicht.
40 Wir haben weitere solche Ausrichtungen in Mesopotamien, Sizilien und Nordarabien gefunden. Wir planen dazu eine weitere Veröffentlichung. Der vorliegende Fall wird exemplarisch
für eine 45 Grad-Ausrichtung diskutiert.
41 Dazu Birnbaum 2006.
42 Birnbaum 2006.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
499
Abbildung 28.2:
Apollontempel von Didyma. Autorin blickt versonnen auf die Ruinen.
c Rahlf Hansen
2. Es könnte eine ZEITLICHE Ausrichtung sein, die der Idee der Halbierung
der Parapegmata folgt.43 Es geht um besondere Himmelserscheinungen
der Plejaden. Sie sollen die Zeitdauer zwischen Frühlings- und Sommeranfang sowie Herbst- und Winteranfang halbieren – und damit den meteorologischen Sommer- und Winteranfang kennzeichnen. Das erste ist
der Frühaufgang der Plejaden, von Eudoxos auf den 14.5. (jul.) festgelegt.44 Hier erscheinen die Plejaden erstmals wieder nach ihrer jährlichen
Unsichtbarkeit in Sonnennähe am morgendlichen Himmel. Das zweite ist
der erste beobachtbare Untergang am Morgenhimmel.
Zu diesem Zeitpunkt sind die Plejaden fast die ganze Nacht zu sehen. Dies erfolgt bei Eudoxos geschönt um den 13.11. (jul.) herum. Gundel45 gibt als richti43 Hierzu Rehm 1941, besonders Zeichnung, S. 39 und die Erläuterungen dazu im Text.
44 Gundel 1951, Spalte 2503.
45 Gundel 1951 Spalte 2503.
500
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
gen Zeitpunkt den 7.11. an. Der genaue Zeitpunkt hängt von der geografischen
Breite und der Zeitstellung ab. Wegen der Präzession (der Taumelbewegung
der Erdachse in rund 26.000 Jahren) verschiebt sich dies in Jahrhunderten um
wenige Tage. Bei den Parapegmata scheint man, was die Sichtbarkeit angeht,
etwas gemogelt zu haben46 , um eine schöne Symmetrie hinzubekommen und
die beiden Quadranten Frühling – Sommer und Herbst – Winter zu halbieren.
Wenn man also die Jahreszeiten (und 365 Tage kommen 360 Grad ja nahe) in
einem Kreis wie Rehm47 aufträgt, dann schneidet die resultierende das Schema um 45 Grad. Falls man nicht idealsiert, käme man auf deutlich weniger
„symmetrische“ Wert als 45 / 45. Dieses Schema könnte man in Geometrie auf
die Ausrichtung eines Tempels übertragen. In dem Fall von Didyma könnte es
zunächst eine Ausrichtung nach einem „realistischeren“ Schema gegeben haben
(der erste Tempel hatte keine so „schöne“ Ausrichtung), der Neubau wurde
dann idealisiert auf 45 / 45 Grad.
Was würde letzteres bedeuten? Der Tempel wäre nach dem Jahresschema
der Plejaden ausgerichtet. Dies wäre dann eigentlich das wichtigste Gestirn des
Tempels. Die Sonne ist wichtig, da man die Parapegmata sinnvoll nur in einem
Sonne / Stern Kalender nutzen kann. Falls man also in dem Tempel von Didyma
sich nach einem Sonnenkalender richtete, die Termine für die Feste in ihrem
Lunisolarkalender also schwankend wären, und die wichtigsten Feiertage48 um
den 14.5. und 13.11. (jeweils jul., der 13.11. geschönt – s.o.) lagen, dann würden
wir auf eine ZEITLICHE Ausrichtung auf die Plejaden schließen, die hier in
Architektur umgesetzt wurde.
Genau diese Kombination von Sonne und Plejaden könnte auch im ArtaxerxesGrab vorliegen: Die Ausrichtung nach den Plejaden, aber die Symbolik nach
der Sonne – wie zum Beispiel der Löwenfries in der Dachkonstruktion.49 Die
alte Bedeutung der Plejaden als kalenderbestimmendes Gestirn über die Plejadenschaltregel ging zwar verloren, kam aber über die Hintertür von Jahreszeitenmarkierungen (wie in den Parapegmata), ihre architektonische Umsetzung
in idealisierten 45 Grad Ausrichtungen und Festterminen, die sie ursprünglich
bestimmten (z. B. Passah, Ostern, Pfingsten / Maifeste und die Ahnen / Novemberfeste)50 wieder in den neuen Sonnenkalender hinein.
46 So Rehm 1941, S. 34.
47 Rehm 1941, S. 39.
48 In den Parapegmata wird Wert auf die meteorologischen Anfänge der Jahreszeiten gelegt.
Diese werden dort für den Sommer auf den 14.5 und den Winter auf den 13.11. gelegt. Um
diese Termine herum liegen auch bei vielen Völkern wichtige Feste (Hansen, Rink 2014,
S. 406-409).
49 Frei, Koch, S. 188, Abb. 14.
50 Hansen, Rink 2014 insbesondere, S. 406–409.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
501
28.6 Die Siebenzahl als Hinweis auf die Plejaden bei
den Persern?
Die Plejaden erscheinen auch in anderer Form: die sie repräsentierende Siebenzahl sowie das Symbol der Rosette tauchen immer wieder auf. Diese Symbole müssen sich so stark im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, dass
sie nicht auszulöschen waren. In den Königsinschriften wird die Anpreisung
Ahuramazdas überwiegend sieben Mal ausgeführt.51 Jede Provinz besaß sieben Hauptbeamte, die sich die Provinz untereinander aufteilten.52 Persepolis
galt vielleicht als der Mittelpunkt der Welt und des Perserreiches – ausgewiesen
durch die Sterne, darum herum sechs nicht iranische Weltteile.53 Hier schwebt
einem das Bild der Rosette (sechs um eins) vor Augen. Konkret wird dies abgebildet in einem Ohrring,54 eventuell Ahuramazda in der Mitte, umgeben von
sechs Amesha Spentas.55 Sie sitzen jeweils auf einer (dicken!) Mondsichel. Sie
könnten die sechs umliegenden Reiche repräsentieren.
Statt der Amesha Spentas könnten in dem Ohrring auch ihre sieben Frawashi56 abgebildet sein. Die Frawashis erinnern in ihrem Wesen noch mehr an
die Plejaden: sie helfen bei der Ordnung der Welt und zeigen dem Mond, der
Sonne und den Sternen ihre Pfade57 . Außerdem bewachen sie als Krieger die
Himmelsfeste58 . Von ihnen hängen das quellende Wasser und die Flüsse ab,
ohne sie gibt es keine Fruchtbarkeit aber auch keinen Sieg auf dem Schlachtfeld.59 Hier klingt sowohl der Wetteraspekt als auch der ambivalente Charakter
der Plejaden als zuständig sowohl für die Fruchtbarkeit als auch für den Krieg
durch. Auch werden sie mit den Ahnen in Verbindung gebracht.
In diesem Zusammenhang möchten wir auch wieder auf das Rosettensymbol auf der Himmelscheibe verweisen. Hier und auf babylonischen Rollsiegeln
51 Frei, Koch 1996, S. 143.
52 Frei, Koch 1996, S. 202.
53 Frei, Koch 1996, S. 159, danach folgt die Aufteilung Persiens in sieben Provinzen ebd.,
S. 202.
54 Frei, Koch 1996, S. 182, Abb. 12. Online: http://www.mfa.org/collections/object/
earring-155819.
55 Das sind die sieben Wohltätigen Unsterblichen: Ahura Mazda zählt als einer von ihnen
(Stausberg 2005, S. 40). Sie bilden zusammen die Einheit des Kosmos (Stausberg 2005,
S. 41). Sie agieren einerseits gemeinsam, haben aber jeweils ein eigenes ausgeprägtes Profil
(Stausberg 2005, S. 40–41). Damit erinnern sie stark an die Plejaden, die als Individuen
eine Einheit bilden.
56 Frei, Koch 1996, S. 183. Allgemein besitzt jeder, ob Mensch, Amesha Spenta und damit
sogar Ahura Mazda ein Frawashi (Stausberg 2005, S. 52).
57 Stausberg 2005, S. 51.
58 Stausberg 2005, S. 52.
59 Stausberg 2005, S. 52.
502
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
symbolisiert es die Plejaden. Das Symbol könnte man verstehen, wenn man die
Plejaden als Zentrum des Universums60 und / oder als Ursprung aller Dinge
interpretiert. Das Symbol bliebe erhalten, wandelt aber, wie auch der StierLöwe-Kampf, seine Bedeutung. Von einem kosmologischem Symbol wandelt
es sich in ein religiöses (Ahuramazda und die Amesha Spentas) zu einem
ideologischem (persische Reichsansprüche). Letztere Bedeutung finden wir
auch noch in der Spätantike. Medaillons von Konstantin zeigen den Kaiser in
der Mitte umgeben von sechs Büsten.61
28.7 Entwicklung im Judentum
Abbildung 28.3:
Palmyra mit Bel-Heiligtum
c Schmidt-Colinet 2005, Bearbeitung Rahlf Hansen
Im Web auch unter:
http://www.archaeologie-online.de/magazin/thema/syrien/tadmor-palmyra/seite-2/.
60 Allen 1963, S. 400.
61 So auf dem Titelblatt von Wallraff 2013: Eine goldgefasste Münze mit seinem Portrait
ist von sechs Büsten rosettenartig umgeben. Auch hier dürfte eine ideologische Aussage
zugrunde liegen. Zwei Beispiele auch online unter: http://museum.doaks.org/Obj27048?
sid=19903 und http://museum.doaks.org/Obj27049?sid=19903.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
503
Abbildung 28.4:
Grundriss des Tempels auf dem Garizim, ausgerichtet auf die Plejaden
c Keel 2007, S. 896.
Im Alten Testament lassen sich Hinweise auf die Idealsituation in den Jahren
593 v. Chr. und 574 v. Chr. (letzte Sichtbarkeit der Plejaden am 24.3. greg.) und
520 (letzte Sichtbarkeit der Plejaden wie bei Nabonid am 25.3.) finden.62 In
allen diesen Fällen führte dieser späte Termin zu einer Verunsicherung und zu
einer Abkehr vom Polytheismus (symbolisiert durch das Zusammenspiel von
Mond, Sonne und Plejaden, die jetzt nicht mehr „funktionieren“) und letztlich zu einer Hinwendung zum Monotheismus. Außerdem wandte man sich
im Judentum zum Teil dem „Hennochkalender“ zu. Dieser 364-Tage-SonnenKalender passt gut zu einer 7-Tage-Woche, da er genau 52 Wochen umfasst. Die
Wochentage fallen immer auf dasselbe Datum. Dieser „Hennochkalender“ hatte
eine große Bedeutung in der Qumramgemeinde und dürfte auch der bestimmende Kalender nach der Weihung des zweiten Temples (und vor Antiochius dem
IV.) gewesen sein. Die Ausrichtung des Tempels auf dem Garizim dürfte der
62 Hansen, Rink 2013a.
504
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Ausrichtung des ersten Jerusalemer Tempels gleichen63 (siehe Abb. 28.4). In
ihm zeigt sich die alte Plejadenverehrung vor Ort. Mit dem Plejadenschock
wurde beim Neubau des Jerusalemer Tempels auf ein Datum für die Grundsteinlegung gewartet, das den Fall der Plejadenschaltregel im Frühlingsmonat
augenscheinlich aufzeigt und ein Sonnenkalender statt des alten plejadengeschalteten Lunisolarkalender einführte.
Auch der siebenarmige Leuchter (Abb. 28.1 unten) ist ein Relikt der alten
Plejadenverehrung.64 Besonders augenscheinlich ist dies bei einer Abbildung
eines rosettenförmigen siebenarmigen Leuchters65 . Dies erinnert auch an die
sieben Augen Jahwes66 .
Auf den Plejadenschock erfolgte also nicht nur ein Wandel im Kalenderwesen,
sondern auch eine Hinwendung zum Monotheismus (Jahwe / Ahuramazda).
28.8 Symbole und Ausrichtungen bei den Arabern
Anders verlief die Entwicklung bei den sehr konservativen Arabern. Sie blieben
(zunächst) dem lunisolaren Kalender treu – bis zum 9.4.631 n. Chr. Es gibt viele
Hinweise darauf, dass die Araber die Plejaden verehrt haben. Augenfällig wird
dies am thamudischen Symbol Sichel-Stern, dass sich als islamisches Symbol
erhalten hat.67 Wir finden es zum Beispiel auf einer Gemme des Kaisers Marc
Aurel (Abb. 28.6). Dieser Kaiser wurde von den Thamud in einer Inschrift verehrt.68 Der dazu gehörige Tempel in Ruwafa (Abb. 28.5) ist nach den Plejaden
ausgerichtet. Ebenso ist der wichtige Baaltempel in Baalbeck (Abb. 28.8) auf
die Plejaden ausgerichtet und zeigt so ihre Bedeutung an. Interessant sind in
diesem Zusammenhang bestimmte Münzen von Hadrian (Abb. 28.7). Auch er
war mit den Arabern sehr vertraut, da er längere Zeit Statthalter in Syrien war.
So gibt es auch Münzen von ihm mit dem (arabischen) Symbol Sichel Stern.
In derselben ikonografischen Weise kann aber der Stern durch eine Rosette
ersetzt werden, was dafür spricht, dass der Stern und die Rosette synonym
63
64
65
66
Hansen, Rink 2013a, S. 264, Anm. 50.
Bunsen 1879, S. 354.
Keel 2007, S. 1020.
Halpern 2009, S. 145. Dort werden die Augen mit den Planeten in Verbindung gebracht.
Wie wir schon anmerkten, kann man die Planeten aber auch durch die Plejaden ersetzen
Hansen, Rink 2014, S. 419, Literatur dazu ebd. Anm. 115 und 116.
67 Rink, Hansen 2013, S. 230–232, insbesondere, S. 231, Anm. 152.
68 Grohmann 1963, S. 4.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
505
Abbildung 28.5:
Tempel in Ruwafa, ausgerichtet auf die Plejaden
c Paar, Harding, Dayton 1970, S. 216.
benutzt werden können und dasselbe aussagen.69 Beide können die Plejaden
symbolisieren.70
Die gemeinsamen Wurzeln der Juden und Araber werden gerne übersehen.
Sie zeigen sich aber auch in der gemeinsamen Verehrung der Plejaden. Der
„Gott des Himmels“ wurde oben schon erwähnt, ebenfalls der siebenarmige
Leuchter. Grimme weist auf die Bedeutung der Plejaden für das frühe Judentum
hin und leitet von ihnen das Pfingstfest ab.71 Der samaritanische Tempel auf
69 Zeichnungen auch in Faintich (2012), S. 86, Abb. 255 und 256. Dort wird das Symbol als
konkrete Planetenkonstellation gedeutet, was uns als eher unwahrscheinlich erscheint.
70 Münzen mit dem Symbol Sichel Stern oder Sichel Rosette gibt es auch in Harran (Grimme
1907, Tafel 3, dort Abb. 7–9 und 11 für Sichel Stern und Abb. 4–6 und eventuell 10 für
Sichel Rosette). Grimme gibt explizit an (ebd., S. 60), dass der Stern in der Sichel auch
die Plejaden darstellen könnte – wir sehen dasselbe Bildprogramm wie bei den Hadrianmünzen.
71 Grimme 1907, dort insbesondere, S. 26–27 und 116–117.
506
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Abbildung 28.6:
Gemme des Kaisers Marc Aurel mit seiner Gemahlin Faustina
und dem Sichel-Stern-Symbol
c Hiller, Jobst 2000, S. 58.
dem Garizim (Abb. 28.4), der eine Nachbildung des Jerusalemer Tempels sein
soll, zeigt ebenfalls eine Plejadenausrichtung.72 Interessant ist, dass der Tempel
auf dem Garizim die alte Ausrichtung auf die Plejaden aus der Bauzeit des
ersten Jerusalemer Tempels erhalten hat. Etwas ähnliches finden wir für den
Bel-Tempel in Palmyra (Abb. 28.3).Auch dieser Tempel zeigt nicht die für
seine Bauzeit typische Ausrichtung, sondern dieselbe Plejadenausrichtung, die
für das 10. Jahrhundert v. Chr. galt. Mutmaßlich sind damit die Tempel in
Jerusalem, Garizim und Palmyra auf die Plejaden ausgerichtet. In der Nähe
von Palmyra wurde eine Göttertriade gefunden (Abb. 28.9), die die Bedeutung
der Plejaden unterstützen kann: Sie zeigt den Baalschamin (Gott des Himmels)
in Begleitung zweier weiterer himmlischer Götter (Mond links, Sonne rechts).
Dieses Bild entspricht damit dem Bild des Bärtigen aus Persepolis, der aus
72 Hansen, Rink 2013a, S. 264, Anm. 50.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
507
Abbildung 28.7:
Münzen von Kaiser Hadrian, links mit Sichel Stern, rechts mit Sichel Rosette
c http://www.wildwind.com, Bearbeitung Rahlf Hansen.
Ein Beispiel für Sichel Stern links:
http://www.wildwinds.com/coins/sear5/s3484.html#RIC_0200.
Und eines für Sichel Rosette rechts:
http://www.wildwinds.com/coins/sear5/s3485.html#RIC_0202
der Flügelsonne schaut. Die Flügelsonne symbolisiert Sonne UND Mond, und
Ahuramazda den darüber thronenden Himmelsgott – ursprünglich die Plejaden.
Solche astralen Triaden sind im Kulturraum der Araber weit verbreitet.73 Wir
vermuten hier die alte Triade von der Himmelsscheibe von Nebra: Sonne, Mond
und Plejaden. Aus den Plejaden entwickelte sich der Himmelsgott und leiteten
sich die eher transzendenten monotheistischen Göttervorstellungen nach dem
Plejadenschock ab. Eine Sonderform der Trias ist die vermenschlichte Variante
Vater, Mutter und Sohn. Im christlichen Gewand Vater, Sohn und heiliger
Geist. Dass dieser aber seinen Ursprung bei den Plejaden hat, vermutete schon
Bunsen.74
Wir betrachten die Vielzahl von Baalgöttern75 , einer davon der Jerusalemer
Jahwe,76 als Spätformen einer ursprünglichen reineren Plejadenverehrung.
28.9 Arabische Konsequenzen aus dem Plejadenschock
Betrachten wir die Situation am 9.4.631 genauer: Dieses ist jetzt ein julianisches
Datum, nach dem damals weit verbreiteten römisch / byzantinischen Kalender.
73 Für Südarabien: Höfner 1970 z.B., S. 351, S. 274–275, S. 284. Für die Thamud in Zentralarabien ebd. S. 381. Nielsen 1942, z.B., S. IX und S. 1 ff.
74 Bunsen 1879, S. 64–65.
75 RAC „Baal“ 1950.
76 Jahwe als Baal: Halpern 2009, S. 123. Baal Zaphon als Vorläufer von Jahwe: Eißfeldt 1932,
insbesondere, S. 66–71.
508
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Es entspricht dem 12.4. (greg.). Ob man aber in Arabien diesen Unterschied
schon bemerkt hatte, bleibt offen – wir vermuten nicht.
Die letzte Sichtbarkeit der Plejaden war durch die Präzession im Jahre 631
mittlerweile auf diesen 9.4. (jul.) = 12.4. (greg.) gerückt. An diesem Tag begann
auch ein neuer (Mond)Monat. Wir unterstellen für Mekka noch die Nutzung
des alten plejadengeschalteten Mond-Sonne-Kalenders. Der Kalamas, der Kalenderbeauftragte, musste den Himmel während der Haddsch beobachten, um
zu verkünden, ob ein Schaltmonat einzufügen sei und damit wann im folgenden
Jahr die heiligen Monate liegen würden. In diesem Jahr erfolgte eine Idealsituation. Eine Schaltung war damit nicht erforderlich, auch im nächsten Jahr
nicht zu erwarten.
Was bedeutet es aber, wenn am 9.4. der vermeintliche Frühlingsmonat beginnt? Der Vollmond ist damit frühestens am 21.4. zu erwarten. Dies ist aber
mehr als ein (Mond)Monat nach Frühlingsanfang. Selbst wenn der Monat maximal weit 30 Tage früher beginnt, liegt der Vollmond NACH Frühlingsanfang.
Der Vollmond des vermeintlichen Frühlingsmonats wird den Frühlingsanfang
jetzt IMMER verfehlen. Am 9.4.631 wurde dies für alle, nicht nur dem Kalamas,
deutlich. Das Christentum und das Judentum dürften in dieser Zeit schon so
weit in Arabien verbreitet gewesen sein, dass die Feiern zu Passah und Ostern
bekannt waren – und die lagen um den echten Frühlingsvollmond.
Sich an diesem Tag vom Mond-Sonne-Kalender zu verabschieden war naheliegend. Den Mondkalender auszuwählen, kann als Abgrenzung zum christichen/byzantinischen Sonnenkalender verstanden werden77 .
Interessant ist der Anfang der Sure 53,1:„Beim Stern wenn er stürzt“. Die
Bedeutung dieser Zeile ist durchaus offen. Dass es sich um die Plejaden handeln
könnte, wurde schon von Sprenger vermutet.78 Aber wie stürzt er? Wir beziehen dies auf die fallende Plejadenschaltregel. Die Versicherung Gottes, dass das
Folgende der Wahrheit entspreche, indem er bei einer kosmischen Naturerscheinung schwört, tritt mindestens sechs Mal im Koran auf.79 Diese hier scheint
unklar zu sein.80 Das Auslaufen der Schaltregel bedeutet das Ende einer langen
Ära und könnte mit der Eingangszeile gemeint sein.
77 Des Weiteren gab es in diesem Jahr eine maximal nördlich ekliptikale Breite des Mondes
im 18 jährigen Saros, so dass der Mond die Plejaden bedecken konnte. Zusätzlich rundete
sich ausgehend von der seleukidischen Ära wieder der Gleichklang von Sonnen- und Mondrhythmik: der Jahresanfang des Mondkalenders lag wieder im Frühling Rink, Hansen 2013,
S. 236–237.
78 Sprenger 1859, S. 162.
79 Neuwirth 2010, S. 286 gibt sechs Schwüre bei kosmischen Phänomenen im Koran an, aber
nicht den Anfang von Sure 53.
80 Neuwirth 2010. Die Sure 53 erläutert sie an fünf verschiedenen Stellen (Stellenverzeichnis
S. 834 für die Sure 53). Aber die ersten 3 Zeilen lässt sie aus.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
509
Abbildung 28.8:
Grundriss des Baaltempels in Baalbek, ausgerichtet auf die Plejaden
c RAC Band 1, „Baalbek“, zwischen Spalten 1116/1117
In gewisser Weise entspricht „Beim Stern wenn er stürzt“81 dem Löwenkampf
in Persepolis und der Stiertötung im Mithrasrelief.82 Die Plejaden / der Stier
verlieren ihre alte Bedeutung. Ihre ehemalige Wichtigkeit spiegelt sich aber
heute noch in architektonischen Ausrichtungen, Symbolen, der Siebenzahl und
Festterminen wider. So feiern wir heute Ostern ohne die Plejaden.
81 Rink, Hansen 2013, S. 235–236.
82 Hansen, Rink 2008a, S. 105–106. Hansen, Rink 2013a, S. 254 und, S. 264–265 Anm. 84.
Hansen, Rink 2013b, S. 169–173. Grundsätzlich zu Sonnenkulten Hansen 2005, speziell zu
Mithras ebd., S. 77–82.
510
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Abbildung 28.9:
Trias des Baalschamin (Mitte), links Aglibol, rechts Malakbel,
aus der Nähe von Palmyra (Louvre Museum).
http://de.wikipedia.org/wiki/Malakbel#/media/File:PalmyreneDeities.jpg.
28.10 Anhang
Die Auswirkung der Präzession auf die Erscheinung der Plejaden
um den Frühling herum und die historischen Konsequenzen
Betrachten wir die Auswirkungen der Präzession auf die Erscheinungen der
Plejaden über einen längeren Zeitraum hinweg:83
83 Im Folgenden für die Breite von Babylon. Die Bedingungen für die letzte Sichtung der
Plejaden in der Dämmerung lauten: die Sonne steht 15 Grad unter dem Horizont, die
Plejaden 5 Grad darüber (Hansen, Rink 2008a, S. 119 nach Schlosser 2004).
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
511
Der Frühaufgang der Plejaden zu Frühlingsanfang erfolgte um -4700.
In dieser Zeit erscheint der Stier zu Frühlingsbeginn am Morgenhimmel. Die
Plejaden erscheinen erstmals exakt zu Frühlingsanfang. Zu Sommeranfang folgt
morgens der Löwe. Der Stier steht dann morgens in seiner höchsten Stellung
im Süden. In den folgenden Wochen steigt der Löwe im Osten immer höher
und der Stier sinkt gen Westen hinab. Wie der Sommer den Frühling ablöst, so
besiegt der aufsteigende Löwe den hinab sinkenden Stier. Aus dieser Zeit dürfte
das Motiv des Stier-Löwe-Kampfes kommen. In den folgenden 2000 Jahren
verlagerte sich der Aufgang des Stieres von März/April auf April/Mai und der
des Löwen von Juni/Juli auf Juli/August. Beide Sternbilder repräsentierten
immer noch „ihre“ Jahreszeit und das Motiv behielt seine kosmische Bedeutung
augenfällig. Dieser Zusammenhang steht traditionell auch hinter dem StierLöwe-Kampf in Persepolis.
Beginn der Gültigkeit der Schaltregel -280084
Für die Abschätzung, wann die Gültigkeit der Schaltregel begann, in dem
Sinne, dass nach der Idealsituation der folgende Monat (mit dem sichtbaren!)
Mond noch in die Zeit des Frühlings hineinfällt, muss das jeweilige Datum der
Idealsituation und eine Einschätzung der sichtbaren Mondtage gegeben werden.
Eine extreme lange Sichtbarkeit ergibt sich, wenn wir ein sehr frühes Neulicht
nach einem Tag annehmen85 und ein spätes Altlicht von 1 12 Tage vor Neumond.86 Die Sichtbarkeit beträgt dann 27 Tage. Realistischer ist ein Neulicht
von 1 21 Tagen und ein Altlicht von 2 Tagen. Das reduziert die Sichtbarkeit auf
26 Tage. Bei ungünstigeren Sichtbedingungen ist auch ein Neulicht von 2 Tagen
und ein Altlicht von 2 12 Tagen möglich. Damit stehen nur noch 25 Tage der
Sichtbarkeit des Mondes zur Verfügung.
Die letzte Sichtbarkeit der Plejaden – und damit die Idealsituation – fielen
um -2900 auf den 21.2. (alle Angaben jetzt in greg.). Selbst bei einer extrem
langen Sichtbarkeit des Mondes von 27 Tagen war er letztmals am 20.3. und
damit nicht mehr rechtzeitig für den Frühlingsanfang zu sehen.
Um −2800 fiel die Idealsituation auf den 22.2. Eine extreme Sichtbarkeitsdauer des Mondes von 27 Tagen führt auf den Frühlingsanfang am 21.3. Dies
wird eine sehr seltene Ausnahme sein.
Um −2700 fiel die Idealsituation auf den 23.2. Auch eine eher gemäßigte
Sichtbarkeit von 26 Tagen führt in den Frühling. Eine eher schlechte Sichtbarkeit von 25 Tagen verpasst ihn aber immer noch.
84 Diesen Wert gaben wir auch schon in Hansen 2007, S. 301, Anm. 16 an. Pingree gibt für
den Beginn der Schaltregel −2500 an (Pingree 1984).
85 Dies ist absolut nicht der Regelfall, aber bei optimalen Sichtbedingungen möglich.
86 Im Frühling sind die Sichtbedingungen morgens wegen der flachen Ekliptik schlechter als
am Abend. Auch in diesem Fall ist 1 21 Tage möglich, aber selten.
512
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Der Beginn der Gültigkeit der Schaltregel um −2800 ist daher eher als akademisch anzusehen. Erst ab −2600 wird jeder Monat, der nach der Idealsituation
beginnt, noch zu Frühlingsanfang (mit dem sichtbaren Altlicht) enden. Diesen
Zusammenhang müssen die Beobachter aber auch erst realisieren, so dass in der
Praxis der Angabe von Pingree87 (-2500 Beginn der Schaltregel) zu zustimmen
ist.
Der Frühaufgang erfolgt im Osten und Spätuntergang genau im Westen um
-2400.
In dieser Zeit weisen die Plejaden genau die Ost-West-Achse. Sie zeigen damit den Auf- und Untergangsort der Sonne zu den Tag- und Nachtgleichen
an. In diesem Sinne repräsentieren sie Frühling und Herbst. Nach einer Idealsituation reicht ein Monat jetzt knapp in den Frühling hinein. Am Himmel
wird dies dadurch angezeigt, dass die abnehmende Sichel am Morgenhimmel
auf die aufsteigende Frühlingssonne im Osten trifft. In dieser Zeit vermuten wir
(spätestens) den Beginn der Plejaden-Schaltregel.
Die Idealsituation führt zum Vollmond zu Frühlingsanfang um -1750.
Der Spätuntergang erfolgt am 9.3. (greg.), so dass am 21.3. nach einer Idealsituation Vollmond ist, um -1750.88 Hier gehen wir von einem späten Neulicht
von 2 12 Tagen aus, wir wir es auch bei der Betrachtung der Himmelsscheibe
von Nebra als obere Grenze des Neulichtes tun.89 Gehen wir von einem frühe
(keinem extrem frühen) Neulicht von 1 21 Tagen aus, so passt die Idealsituation
um −1800 besser. Dann erfolgt die Idealsituation am 8.3. und es verbleiben 13
Tage bis zu Frühlingsanfang und Vollmond.90
87 Pingree 1984.
88 Diesen Wert haben wir, wie auch alle übrigen, mit dem Sternkartenprogramm skymap pro
11 ermittelt. Er gilt für die Breite von Babylon, was mit Persepolis fast übereinstimmt.
Unser gregorianisches Datum ist kein umgerechnetes Datum, sondern wir haben den Frühlingsanfang im Programm ermittelt. Das Programm liefert ein julianisches Datum und wir
haben die Differenz zum 21.3. zur Umrechnung genutzt. Wir setzen also den Frühlingsanfang fix auf den 21.3. als Ausgangspunkt unserer Rechnungen. Die Idealsituation lag
damit um −1800 am 8.3. greg., um −1750 am 9.3. greg., um −1700 am 10.3. greg. und um
−1600 am 12.3. greg. – alle Werte für die Breite von Babylon. Nimmt man eine Breite von
Mitteleuropa (Nebra) an, so ändern sich die Daten. Schlosser gibt für Mitteleuropa −1600
den 9.3. greg. an. Wir übernahmen bei unseren Arbeiten, die sich mit der Himmelsscheibe
von Nebra beschäftigten den Wert von Schlosser (Hansen 2007, Hansen, Rink 2008a und
Hansen Rink 2008b). Im Artikel Rink, Hansen (2013) erwähnen wir einmal fälschlicherweise diesen Wert (S. 237). In der Auflistung Hansen, Rink (2013a) auf S. 259 gilt der
erwähnte Wert vom 9.3. greg. −1600 für Mitteleuropa. Ihn haben wir hier fälschlicherweise einmalig übernommen, die anderen sind für die Breite von Babylon mit skymap pro 11
bestimmt. Die Ergebnisse werden davon nicht berührt.
89 Hansen 2007, S. 300.
90 Wann die Idealsituation zu einem Vollmond zu Frühlingsanfang führt, hängt also von der
angenommen Neulichtdicke ab. Außerdem beträgt die Jahreslänge rund 365 14 Tage, so
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
513
In dieser Zeit repräsentiert der Vollmond nach einer Idealsituation perfekt
den Frühlingsanfang. Das Akitufest passte nie besser in die kosmische Ordnung
als in dieser Zeit. Dass Hammurabi bei einer Idealsituation für dieses Jahr ein
Bildnis der Sieben (=der Plejaden) aufstellen ließ und das Jahr nach dem Bildnis benannt wurde ist verständlich. Hammurabi konnte sich nicht sicher sein,
ob er eine weitere Idealsituation erleben würde. Uns gibt dies die Möglichkeit
seine Herrschaft chronologisch einzuordnen.91
Der Spätuntergang zu Frühlingsanfang -1000 (am 21.3. greg).
Jetzt zeigt der Spätuntergang exakt Frühlingsanfang an. Zu dieser Zeit wird
der erste jüdische Tempel auf die Plejaden ausgerichtet. Später folgte der Tempel auf dem Garizim und der Bel-Tempel in Palmyra dieser Ausrichtung. Der
Palast der Königin von Saba nahe Axum wurde sogar nach dem Aufgang des
Sirius und dem Untergang der Plejaden, die sich genau gegenüber lagen, ausgerichtet92 .
Um -600 fällt der Spätuntergang auf den 24.3. (greg.), um -500 auf den 25.3.
(greg.) und damit so spät, dass dies augenfällig nach Frühlingsanfang geschieht.
Es dürfte einige Jahrhunderte gedauert haben, bis man bemerkte, dass der
Spätuntergang der Plejaden zu „spät“ erfolgte. Die Reaktion war umso deutlicher: der Kalender wandelt sich und es ergab sich eine Hinwendung zum
Monotheismus93 bzw. in der griechischen Philosophie und Wissenschaft eine
gänzliche Abkehr von der Religion.94
Um +600 fiel der Spätuntergang am 9.4. (jul.) = 12.4. (greg.) so spät, dass
der Vollmond des Monats mit Spätuntergang der Plejaden immer nach dem
21.3. fällt (ebenfalls augenfällig).
Die Araber blieben traditionsbewusst dem nach Sicht geschalteten lunisolaren Kalender am längsten treu. Erst als im vermeintlichen Frühlingsmonat der
Vollmond nie mehr vor oder zu Frühlingsanfang stattfinden konnte, gaben sie
ihn zugunsten des Mondkalenders auf. Es dürfte auch hier einige Jahrhunderte
gedauert haben, bis man bemerkte, dass der Spätuntergang der Plejaden zu
„spät“ erfolgte.
91
92
93
94
dass der Frühlingsanfang leicht schwankt. Des Weiteren ist die Monatslänge variabel, so
dass die Dauer von Neulicht zu Vollmond ebenfalls schwankt.
Hansen, Rink 2014, S. 424–427.
Rink, Hansen 2013, S. 238–239.
Hansen, Rink 2013a.
Hansen, Rink 2014, S. 403, Anm. 11.
514
Wolfschmidt, G.: Astronomie in Franken
Ausrichtungen
Die gescannten Grundrisse werden in Photoshop vermessen und die Daten mit
dem Sternkartenprogramm skymap pro 11 geprüft. Für Axum hatten wir eine
Gegenüberstellung von Siriusaufgang und Plejadenuntergang bei einer vollständigen Sichtbarkeit der Plejaden in einer Höhe von 8 Grad über dem Horizont
erhalten.95 Diese Höhe nehmen wir zeitgleich (-1000) auch für die Tempel in
Jerusalem (Breite 31,75 Grad N), auf dem Garizim (31,2 Grad N) und für
den Beltempel in Palmyra an. Es ergeben sich für den Garizim auf den Untergangspunkt ausgerichtet gemessen 8 Grad (WNW) und aus Skymap ermittelt
für Garizim und Jerusalem 7,5 bis 8 Grad. Für Palmyra (Breite 34,5 Grad N) ergeben sich auf den Aufgangspunkt gemessen 7,5 Grad (ONO) und ermittelt 7,5
bis 8 Grad. Wir unterstellen für Ruwafa und Baalbek, dass die Ausrichtungen
auf die sehr wichtigen Richtungen des Frühaufgangs und des Spätuntergangs
erfolgen. Als Sichtbedingungen wählen wir daher eine Sonnentiefe von 15 Grad
und eine Plejadenhöhe von 5 Grad. Dann ist nur noch der hellste Stern, Alcyone, sichtbar. Wir berücksichtigen keine realen Horizontverläufe. Für Ruwafa
(27,5 Grad N, 170 n. Chr. – Regierungszeit Marc Aurel) gemessen 16,5 Grad
(WNW) auf den Untergangsort und ermittelt ebenfalls 16,5 Grad. Für Baalbek (34 Grad N, um Christi Geburt) auf den Aufgangsort gemessen 16 Grad
(ONO) und ermittelt ebenfalls 16 Grad.
Danksagung
Unser besonderer Dank gilt Frau Gudrun Wolfschmidt für die Begleitung und
Betreuung unserer Thesen und der Veröffentlichung. Herrn Andreas E. Furtwängler danken wir für die Erläuterungen zum Apollontempel von Didyma und
seiner „letzten offiziellen“ Führung vor Ort. Herrn François Bertemes danken
wir für anregende Gespräche. Herrn Othmar Keel danken wir für inspirierende
Gespräche. Herr Gerd Gropp war ein guter Führer durch diverse Ausstellungen
und wertvoller Gesprächspartner. Er setzte uns als erster auf die Spur von Persepolis. Herrn Wolfhard Schlosser danken wir für viele anregende Gespräche.
Ein spezieller Dank gilt Frau Anja Zeidler.
28.11 Literatur
Allen, Richard Hinckley: Star Names – Their Lore and Meaning. New York:
Dover Publication 1963.
95 Rink, Hansen 2013, S. 238–240.
R. Hansen & Chr. Rink: Ostern ohne Plejaden
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