Yoshiharu Tsuge: "Rote Blüten"

Weißer Fleck in der Manga-Geschichte gefüllt

10:21 Minuten
Das Covermotiv des Mangas Rote Blüten zeigt eine Frau im japanischen Kimono von hinten
„Rote Blüten“ enthält zwanzig Geschichten, die zwischen 1966 und 1973 in der Zeitschrift „Garo“ veröffentlicht wurden. © Reprodukt / Yoshiharu Tsuge
Alexander Braun im Gespräch mit Shanli Anwar  · 16.12.2019
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In Japan ist der Manga-Zeichner Yoshiharu Tsuge legendär. Nun ist eine Sammlung seiner Geschichten erstmals auf deutsch erschienen und gilt als Sensation. Sie entfalten eine Vielschichtigkeit und Dichte, die literarischen Ansprüchen genügt.
15 Jahre lang bemühte sich der Reprodukt-Verlag darum, eine deutsche Version der Manga-Sammlung des japanischen Zeichners Yoshiharu Tsuge herauszugeben. Nun ist sie unter dem Titel "Rote Blüten" erschienen und wird von Comic-Kennern als Sensation gefeiert.
Der 82-jährige Zeichner sei ein wenig mysteriös, sagt der Künstler und Comic-Spezialist Alexander Braun. "Er hat seit 1987 kein Manga mehr gezeichnet, er ist also verstummt." In Japan sei Yoshiharu Tsuge legendär, habe aber nie Wert darauf gelegt, auch im Ausland publiziert zu werden. "Das hat etwas mit seiner schwierigen Persönlichkeit zu tun", sagt Braun. Der Zeichner habe sein Leben lang unter Angstzuständen und Depressionen gelitten und sich in eine japanische Kleinstadt zurückgezogen. Anfragen an ihn seien deshalb lange erfolglos geblieben.

Erfolg für Reprodukt-Verlag

Nun habe sein Sohn die Initiative ergriffen, auch damit der Vater etwas Einkommen erziele, so Braun. Auf diese Weise habe nun auch das jahrelange Bemühen des Reprodukt-Verlages gefruchtet. "Das kann man nicht hoch genug bewerten, weil es einfach toll ist, dass dieser weiße Fleck in der Manga-Geschichte nun gefüllt ist und wir das lesen können."
Ein Seite aus dem Manga Rote Blüten zeigt ein Mädchen und einen Jungen an einem Bachlauf. 
Der 82-jährige Zeichner sei ein wenig mysteriös, sagt der Künstler und Comic-Spezialist Alexander Braun. „Er hat seit 1987 kein Manga mehr gezeichnet, er ist also verstummt.“© Reprodukt
Yoshiharu Tsuge sei in den 1960er revolutionär gewesen, weil er die Manga-Literatur an eine erwachsene Leserschaft herangeführt habe.

Vielschichtige Erzählungen

Der Band "Rote Blüten" umfasst 20 Kurzgeschichten von 1966 bis 1973. "Es sind kurze Geschichten und in einer anderen Erzählweise, als wir es aus unseren westlichen Kontexten kennen", sagt Braun. Es gebe keine Heldenfiguren, die man bei der Lektüre liebgewinne. Beim ersten Lesen sei das seltsam, aber der Lesegenuss enorm, weil diese kurzen Geschichten eine Vielschichtigkeit und Dichte entfalteten, die literarischen Ansprüchen genüge.
"Ich habe selten bei einem Comic so häufig das Verlangen gehabt, es noch mal und noch mal und noch mal zu lesen." Die Komplexität der Geschichten erschließe sich erst Schritt für Schritt und es bereite große Freude, immer neue Facetten zu entdecken.
(gem)

Yoshiharu Tsuge: "Rote Blüten"
Aus dem Japanischen von John Schmitt-Weigand
Reprodukt-Verlag 2019
400 Seiten, 24 Euro

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