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Literatur Florian Valerius

Mit diesen Buchtipps ist man bei Instagram ein Star

Herausgeberin Literarische Welt
Im Brotberuf Buchhändler, im Glamourberuf Instagrammer: Florian Valerius ist bekannt durch seinen Account @literarischernerd. Hier verrät er uns die Bücher seines Lebens.

Wie er zum Instagrammen gefunden habe? „Das frage ich mich bis heute!“, sagt Florian Valerius und lacht. Vor ein paar Wochen feierte sein Instagram-Account @literarischernerd dritten Geburtstag, mit fünfzehntausend Followern ist er einer der größten in der Buchbranche, vor Kurzem wurde er in die Jury des Deutschen Verlagspreises berufen. Wenn er nicht „bookstagrammt“, also zum Beispiel Empfehlungen schreibt, steht er in der Buchhandlung: Valerius ist gelernter Buchhändler und Filialleiter bei Stephanus Bücher in Trier.

Letztes Jahr war er offizieller Buchpreisblogger, was ihm den hämischen Kommentar eines Feuilletonkritikers einbrachte. „Es geht doch nicht um das Feuilleton versus die Blogger“, sagt Valerius, schon das „versus“ sei seltsam – man habe schließlich nur unterschiedliche Arten, auf Bücher zu schauen. „Es ist egal, wie man über Bücher spricht, Hauptsache ist doch, dass über sie gesprochen wird.“ Blogs, die Bücher einfach nur „inszenieren, mit Kaffeetasse und Kuscheldecke“, sind ihm ebenso suspekt.

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„Wenn meine Posts von fünfzehntausend Leuten gesehen werden, dann sind das auch Leute außerhalb der Buchbranche.“ Beim „Gemecker“ über den Untergang der Buchwelt möchte er daher nicht mitmachen: „Die Leute lesen noch, sprechen viel über Bücher – dazu versuche ich, etwas beizutragen.“ Florian Valerius klingt entschlossen, vielleicht auch deshalb, weil er selbst die Bücher für sich aus dem Nichts heraus entdeckt hat: Als er aufwuchs, habe es bei ihm zu Hause keine Bücher gegeben. Mit sechzehn habe er zufällig entdeckt, dass ihm das Lesen Spaß macht, und nicht mehr aufgehört.

Walt Disney: Goethes Entenhausener Klassik

Ich bin jemand, der früher nie gelesen hat. Wenn mir in der Buchhandlung jemand verzweifelt sagt, mein Sohn liest nicht, kann ich sagen: Mein erstes richtiges Buch habe ich mit 16 gelesen. Davor habe ich nur Comics gelesen – und hauptsächlich das „Lustige Taschenbuch“. Das fand ich schon immer toll: Die Übersetzungen von Erika Fuchs, der Sprach- und Wortwitz, die Anspielungen auf Popkultur, auf Literatur- und Filmklassiker. Das hat mich sehr geprägt in meiner Jugend. Dieses Buch ist ein stellvertretendes Beispiel für diese Zeit, außerdem sieht es schön aus, wie ein Reclam-Band, mit Dagobert wie Goethe in der Campagna.

Lewis Caroll: Alice im Wunderland

„Alice“ ist eine bizarre Leidenschaft von mir. Ich habe bestimmt 50 Ausgaben in allen möglichen Sprachen, von allen möglichen Illustratoren. Die erste „Alice“ habe ich mit 17 auf dem Wühltisch gefunden, das war die Insel-Taschenbuchausgabe. Ich fand dieses Buch so unglaublich witzig und hatte so einen Spaß dabei; es ist ein Buch, das man in jedem Alter lesen kann: so subversiv, abgedreht und böse. Wie viele Künstler, Illustratoren und Übersetzer Caroll inspiriert hat! Ich und „Alice“: Das ist eine Liebe fürs Leben.

Armistead Maupin: Stadtgeschichten

„Stadtgeschichten“ war eines meiner ersten literarischen Erlebnisse. Die Serie hat mir dann kürzlich wieder gezeigt, was mir das Buch damals bedeutet hat, die Schilderung vom San Francisco der 70er und der queeren Community. Maupin hat mir als Jugendlichem, der noch nicht genau wusste, wer er ist und wo er steht, gezeigt, dass es einfach ganz normal ist, anders zu sein. Die Bücher gehen so liebevoll mit all diesen Charakteren um, egal ob du homo, hetero, trans oder bi oder was auch immer bist: Es ist vollkommen in Ordnung, anders zu sein.

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Haruki Murakami: Tanz mit dem Schafsmann

In der ersten Woche in meiner Ausbildung zum Buchhändler war ich beim Wareneingang eingesetzt, und da habe ich dieses Buch ausgepackt. Ich hatte noch nie etwas von Haruki Murakami gehört und auch sonst keine japanische Literatur gelesen. Ich fand das Cover total verrückt, der Klappentext hat mich angemacht: Also habe ich es mir sofort gekauft. Murakami ist mein absoluter Lieblingsautor. Ich liebe diese Murakami-Helden: diesen einsamen Mann, der zu Hause sitzt und Bier trinkt und innerlich merkt, dass ihm etwas fehlt, der dann durch irgendeine seltsame Begebenheit aus seinem Trott gerissen wird und sein Leben ändert. Japanische Literatur zu lesen ist für mich oft wie meditieren.

Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben

Ich mag jedes Buch von Sibylle Berg, aber „Vielen Dank für das Leben“ sticht für mich heraus: Da ist zum ersten Mal bei ihr das Popliteraturhaft-Rotzige nicht so stark, ihr literarisches Können tritt richtig hervor. Genauso unerbittlich und böse, makaber wie in ihren anderen Büchern, aber in Sätzen, die so schön sind, dass es wie schwarze Poesie ist – „Vielen Dank für das Leben“ ist eines der wenigen Bücher, aus denen ich immer wieder gern zitiere. Ich mag es, wie sie den Finger in die Wunde legt und den Menschen zeigt, wie schrecklich das Leben eigentlich ist. Und wie unglaublich witzig.

Thomas Glavinic: Die Arbeit der Nacht

Ich bin ein Mensch, der gern allein ist. Das Gedankenexperiment, was Thomas Glavinic hier macht, was es bedeutet, keine sozialen Kontakte mehr zu haben und was das mit einem Menschen anstellt, hat mich total geflasht. Wenn mich jemand kennenlernen will, dann soll er bitte dieses Buch lesen! All die komischen Gedanken, die ich mir mache, macht sich auch der Protagonist Jonas.

Meg Wolitzer: Die Interessanten

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Wolitzer erzählt eine Freundschaftsgeschichte zwischen ungleichen Menschen. Ihre Protagonistin Julie ist mir sehr ähnlich: Sie kommt aus armen Verhältnissen und stößt in eine Gruppe reicher New Yorker Kinder und versucht mitzuhalten. Eigentlich ist das auch meine Geschichte: Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie, ich bin der Erste in der Familie, der Abitur gemacht hat.

Dass ich Bücher gelesen habe, wirkte schon immer komisch. Auf meinem Gymnasium waren dann nur Kinder aus Haushalten, in denen alle studiert hatten, wo man in Häusern lebte – wir haben in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung gelebt. Ich hatte immer das Gefühl, ich muss mich mehr anstrengen als die anderen. Ich arbeite, seit ich 15 bin. Wolitzer beschreibt einen ähnlichen struggle.

Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben

„Ein wenig Leben“ hat mich unglaublich begeistert. Selten habe ich ein Buch gelesen, was mich so mitgenommen hat: Es hat mir richtig bewusst gemacht, wie Schmerz funktioniert – und mich selbst zerstört. Yanagihara webt auf diesen rund 1000 Seiten mit ihrer Sprache ein Netz, das dich gefangen nimmt – ein Buch, das unvergesslich ist.

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Mareike Fallwickl: Dunkelgrün fast schwarz

Das ist eine Geschichte über eine toxische Dreiecksbeziehung, der man nicht entkommen kann. Mareike Fallwickl hat eine wunderschöne Sprache. Über diese tolle Lektüre habe ich erfahren, wie es ist, wenn man einen Autor, eine Autorin erst über Social Media, dann im echten Leben kennenlernt. Ende August erscheint unser gemeinsames Buch „Leseglück: 99 Bücher, die gute Laune machen“. Das finde ich auch eine schöne Geschichte: dass Literatur eben auch im echten Leben Freundschaften entstehen lässt.

Protokoll: Mara Delius

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