Baldur's Gate 3 im Test: Dieses Rollenspiel ist ein Meisterwerk - Update zur Xbox-Version

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Test Matthias Dammes - Redakteur
Die Partygruppe steht an eine Klippe und schaut in die Landschaft.
Quelle: PC Games

Wir haben Baldur's Gate 3 in mehr als 115 Stunden durchgespielt und erklären im Test, warum das Rollenspiel ein absolutes Ausnahmespiel, ein Kunst- und Meisterwerk geworden ist. Jetzt mit Update zur PS5- und Xbox-Version.

Dass uns mit Baldur's Gate 3 zum Release am 3. August 2023 ein ganz besonderes Rollenspiel erwartet, war vorher klar. Bereits vor der Veröffentlichung entbrannte eine weitreichende Diskussion über die potenziellen Auswirkungen des Spiels: Wird das ein neuer Maßstab für Rollenspiele oder die Industrie im Allgemeinen, ist es nur eine Anomalie? Dass das Abenteuer der belgischen Larian Studios ungeheures Potenzial hat, zeigte sich schon deutlich während der dreijährigen Early-Access-Phase und diverser Preview-Gelegenheiten.

Im Test galt es nun, das Spiel in seiner Gänze zu erleben und zu ergründen, ob es den Vorschusslorbeeren gerecht wird. Da uns früh bekannt war, dass wir Zugang zur finalen Version erst wenige Tage vor Release erhalten würden, schlossen wir einen Test pünktlich zum Release von Anfang an aus. Wir wollten uns die Zeit nehmen, die einem solchen Mammut-Projekt würdig ist. Inzwischen haben wir das Rollenspiel in gut 115 Spielstunden durchgespielt und dabei ein absolut grandioses Abenteuer erlebt. So viel können wir schon mal verraten: Baldur's Gate 3 wird dem Hype mehr als gerecht.

23:44
Baldur's Gate 3 | REVIEW | Ein Kunst- und Meisterwerk

Zurück zur Schwertküste

Die große Konstante, die sich durch das gesamte Spiel sowie all seine Mechaniken zieht und die einen Großteil der Faszination ausmacht, ist mit einem Wort beschrieben: Freiheit. Das Rollenspiel liefert uns eine gewaltige Sandbox, in der wir unsere Charaktere nach unseren Vorstellungen handeln lassen können. Alles, was wir tun, kommt mit den entsprechenden Konsequenzen und Story-Entwicklungen daher. Wir haben uns während des Tests immer wieder mit anderen Kollegen und Spielern ausgetauscht. Nahezu jeder berichtet von völlig anderen Erlebnissen als unseren. Baldur's Gate 3 entführt den Spieler in seine ganz eigene Story, die auf sehr organische Weise von seinen Handlungen beeinflusst wird.

Die Ausgangslage ist zunächst für alle gleich. Wir befinden uns an der Schwertküste von Faerûn, dem bekanntesten Schauplatz des Universums von Dungeons & Dragons. Unser designierter Held und zahlreiche andere werden von den sogenannten Gedankenschindern entführt. Grausame Wesen, die danach streben, ihr einst gewaltiges Imperium mit der Herrschaft über alles Leben neu auferstehen zu lassen. An Bord eines Nautiloid-Schiffs werden wir mit einem Gedankenschinder-Parasiten infiziert. Dieser löst unter normalen Umständen ein Prozess aus, der Ceremorphose genannt wird. Dabei verzehrt der Parasit das Gehirn des Opfers und verwandelt es schließlich in einen neuen Gedankenschinder.

Bevor unserem Helden und seinen Mitgefangen aber dieses Schicksal widerfährt, stürzt der Nautiloid ab und wir wachen an einem Flussufer auf. Unser oberstes Ziel sollte es nun sein, ein Mittel gegen den Parasiten zu finden. Was zunächst nach einem einfachen Abenteuer mit einem klaren Ziel klingt, entwickelt sich jedoch schnell zu etwas wesentlich Größerem. Was uns dabei zustößt und welche Wendungen die Geschichte nimmt, hängt größtenteils von uns ab. Genau wie in einer Pen&Paper-Runde sind wir die treibende Kraft für die Story und nicht nur der Passagier.

Eine Vielzahl von Personen mischt sich in unser Abenteuer ein. Ihre Intentionen sind nicht immer klar erkennbar. Quelle: PC Games Eine Vielzahl von Personen mischt sich in unser Abenteuer ein. Ihre Intentionen sind nicht immer klar erkennbar.

Erstklassige Erzählung

Zu den großen Stärken der Erzählung gehört für uns auch, dass sie eine unheimlich komplexe Gemengelage präsentiert. Es gibt keine klare Unterscheidung zwischen dem guten und bösen Weg. Wir interagieren im Verlauf des Spiels mit einer Vielzahl von Individuen und Gruppierungen, die immer wieder eigene Ziele in Bezug auf das große Ganze verfolgen. Welche Ziele das sind, ob man Personen und Gruppen trauen kann und ob deren Motivationen sich mit den unsrigen vereinbaren lassen, ist häufig nicht so leicht zu durchschauen. Mehrfach haben wir getan, was uns richtig und gut erschien, aber zu ungeahnten und unangenehmen Konsequenzen führte. In dieses Bild passen die drei Gegenspieler, von denen wir im Verlauf des Spiels erfahren. Auch die bilden keine geschlossene Einheit, wenn es um die Verfolgung ihrer Ziele geht. Wie wir als Spieler damit umgehen, ist uns überlassen. Ein simples richtig oder falsch gibt es jedenfalls in den meisten Fällen nicht.

Dazu trägt bei, dass die Charaktere ohne Ausnahme hervorragend geschrieben sind. Jede Figur, mit der wir Story-relevant interagieren, hat in der Regel etwas Interessantes zu sagen, einen Grund genau in dieser Situation an dieser Stelle zu sein und verfolgt meist eine eigene Agenda. Auch dabei hat unser Umgang mit dem Charakter manchmal ungeahnte Auswirkungen. Eine zunächst irrelevant wirkende Konversation im ersten Akt kann uns viel später noch zum Vor- oder Nachteil gereichen.

    • Kommentare (118)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Svenc Spiele-Novize/Novizin
        Sektkorken! Vor genau einem Vierteljahrhundert (21.12.1998 ) erschien Baldur's Gate. Und machte damit den bis heute unglaublichsten PC-Spiele-Releasehattrick perfekt: Grim Fandango. Thief. Baldur's Gate. Der Winter 1998 war heißer als heiß.

        Das alles wäre ironischerweise ohne Obsidians heutigen CEO wohl nie passiert. Ursprünglich hatten Bioware nämlich Bioware-Sachen mit ihrer damaligen Technologie und Engine vor: Markttrends hinterherjagen -- und keine sterbenden Genres retten. Es gibt garantiert ein Paralleluniversum, in dem Feargus Urquhart damals in der Dusche ausgerutscht ist, sich das Bein gebrochen hat und die Geschichte abgeblasen worden ist...

        Frage für einen Freund: Was spielen die da statt BG3 gerade so?

        Zitat

        Muzyka, Zeschuk, and Yip sent an early version of the demo to Feargus Urquhart at Interplay. Urquhart had risen even higher to the helm of Interplay’s RPG division, Black Isle Studios.
        Urquhart had trouble grasping Battleground Infinity because he wasn’t sure what BioWare intended it to be. Did they think they could deliver on a game the scale of a proper MMORPG? Because to Urquhart, it was more like a real-time strategy game: top-down, isometric view; numerous characters running amok on a battlefield.

        “Something went off in my head,” Urquhart recalled. “I took this party-based and called them up and said, ‘What if we made this a D&D game?’ They said, ‘That would be really cool.’”

        Urquhart went to his boss at the time and showed him Battleground Infinity. The manager gave him a get-outta-town look. The manager ended his meeting with Urquhart with the ultimate dismissal: Battleground Infinity was stupid. Urquhart dug his feet in. "It was one of those times when I said, ‘That's not good enough. No. It's not stupid.’

        , Urquhart and Chris Parker, the producer Urquhart assigned to the project, were two of the only developers within Interplay who believed in BioWare’s chances. Interplay’s UK division didn’t even bother forecasting sales. Anything connected to Dungeons & Dragons was doomed to fail.
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      • Von Svenc Spiele-Novize/Novizin
        Sektkorken! Vor genau einem Vierteljahrhundert (21.12.1998 ) erschien Baldur's Gate. Und machte damit den bis heute unglaublichsten PC-Spiele-Releasehattrick perfekt: Grim Fandango. Thief. Baldur's Gate. Der Winter 1998 war heißer als heiß.

        Das alles wäre ironischerweise ohne Obsidians heutigen CEO wohl nie passiert. Ursprünglich hatten Bioware nämlich Bioware-Sachen mit ihrer damaligen Technologie und Engine vor: Markttrends hinterherjagen -- und keine sterbenden Genres retten. Es gibt garantiert ein Paralleluniversum, in dem Feargus Urquhart damals in der Dusche ausgerutscht ist, sich das Bein gebrochen hat und die Geschichte abgeblasen worden ist...

        Frage für einen Freund: Was spielen die da statt BG3 gerade so?

        Zitat

        Muzyka, Zeschuk, and Yip sent an early version of the demo to Feargus Urquhart at Interplay. Urquhart had risen even higher to the helm of Interplay’s RPG division, Black Isle Studios.
        Urquhart had trouble grasping Battleground Infinity because he wasn’t sure what BioWare intended it to be. Did they think they could deliver on a game the scale of a proper MMORPG? Because to Urquhart, it was more like a real-time strategy game: top-down, isometric view; numerous characters running amok on a battlefield.

        “Something went off in my head,” Urquhart recalled. “I took this party-based and called them up and said, ‘What if we made this a D&D game?’ They said, ‘That would be really cool.’”

        Urquhart went to his boss at the time and showed him Battleground Infinity. The manager gave him a get-outta-town look. The manager ended his meeting with Urquhart with the ultimate dismissal: Battleground Infinity was stupid. Urquhart dug his feet in. "It was one of those times when I said, ‘That's not good enough. No. It's not stupid.’

        , Urquhart and Chris Parker, the producer Urquhart assigned to the project, were two of the only developers within Interplay who believed in BioWare’s chances. Interplay’s UK division didn’t even bother forecasting sales. Anything connected to Dungeons & Dragons was doomed to fail.
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      • Von Svenc Spiele-Novize/Novizin
        Kann mich persönlich nicht dran erinnern, was wegen eines Bugs neu gestartet zu haben. Aber ich hatte meinen Spielstand erst im Oktober begonnen, also schon über zwei Monate nach Release.

        Ich hoffe, dass Gutes hieraus entsteht. Zum Beispiel Projekte, die nicht mit aller Macht verstecken wollen, dass sie noch irgendwo RPGs sind. Und damit meine ich jetzt nicht eine Welle an AAA-Iso-Spielen. Sondern wieder Spiele mit einigermaßen robusten Systemen statt Alibi. Vielleicht auch mal ein Titel, der (erfolgreich) Bloodlines aufgreift. Mehr New Vegas, weniger Fallout 4. Und wie wärs mit einem Modern Take auf die Weltsimulation wie in Ultima (7), einem platonischen Ideal, bis heute?

        Wenn ich das Lieblings-Hüllwort "Streamlining" jedenfalls noch irgendwo aus irgendeiner Presse-Mitteilung einfach übernommen sehe, dann stellt mein innerer Barbar auf "Rage" um. :-D
      • Von DarkSamus666 Spiele-Enthusiast/in
        Das Spiel ist furchtbar verbuggt. Bin in den Schattenirgendwas in Kapitel 2 und obwohl ich ins Gasthaus zurückgekehrt bin, geht der Rundenmodus nicht weg... Dh, eine gute Stunde Spielzeit ist am A... und das ist bei Weitem nicht der erste gröbere Bug im Spiel, der einen Neustart von einem früheren Speicherpunkt notwendig gemacht hat. Dass es kein tufriedenstellendes Autospeichern gibt, verschlimmert die Lage. GotY geht anders.
        Dabei kann ich alles Lob für das eigentliche Spiel verstehen, aber das Teil ist jetzt nicht seit gestern auf dem Markt.
      • Von Svenc Spiele-Novize/Novizin
        Ich bin auch durch (zum Early Access vor drei Jahren direkt gekauft, obwohl ich DOS1 nach der ersten Karte zunehmend so mittel fand). Und hatte gut Spaß.

        Ich finde die Höchstbewertungen einerseits folgerichtig. So viel Bock mir die Kickstarter- und Revivaltitel auch machten, gelegentlich konnten sie nicht ganz raus aus dem Schatten ihrer Vorgänger (und wollten das auch gar nicht) -- oder hatten schlicht sichtbar nicht das Budget, selbst für reines Iso auf durchgehend Klasseniveau. Eine Quest etwa wie die um den Fürsten Raedric ist in Pillars Of Eternity eine absolute Ausnahmeerscheinung -- auch, weil schlicht das Geld dafür nicht da war. Zur Erinnerung: Das ist so eine, die nicht nur bereits mehrere Eingänge hat (buchstäblich). Sondern mehrere Lösungen und sogar Möglichkeiten, noch kurz vor Ende denjenigen zu behumpsen, mit dem man eigentlich vorgab, zusammenzuarbeiten. Früher HÖhepunkt des Spiels. Nie wieder erreicht.

        Andererseits kommt BG3 mir als genre- und plattformübergreifend "bestes Spiel alle Zeiten" etwas zu gepusht vor -- und genau so wird es rezipiert, insgesamt. Zumindest wie ein Spiel, das dafür in der Verlosung ist. Einer der Gründe für mich, ganz klar: Nach zwanzig Jahren Bioware-ization wissen Generationen kaum, was RPGs mal ausgemacht hat. Bzw. auf welchem Weg sie mal waren (Fallout, BG, Arcanum, Bloodlines...) Oder haben das bereits vergessen. Und sind entsprechend geflasht. https://rampantgames.com/... Im Grunde ist BG3 nämlich ein wenig ein Spiel, das einfach die Uhr nochmal zurückdreht. Und dort anknüpft, wo andere den Pfad der RPG-Tugend zunehmend verlassen hatten. Und mit Vorsatz. Ich will mich dabei nicht auf Semantik-Diskussionen einlassen, von wegen: Was ist ein RPG? Unbestreitbar ist: Ohne Bioware und Co. würde es BG3 nicht geben.

        Denn Larian waren ebenfalls zunächst Profiteure einer Marktlücke mit DOS1, wurden genauso mit schwarmfinanziert von denen, die lange von den großen Studios verprellt waren -- selbst der RPG Codex hatte einen große Fundraiser. Spätestens DOS2 überzeugte Wizards Of The Coast, dass Larian die Richtigen seien. Und ohne Bioware, CD Projekt und Co. würden heute von vielen nicht selbst Nullkommanull-RPGs wie Read Dead Redemption oder Assassin's Creed als solche wahrgenommen. Die Grenzen wurden unter dem Deckmantel des Streamlinens* stetig verschoben -- dabei war schon das erste BG1 kaum ein Hardcore-RPG. Und ginge das ungebremst so weiter, wäre Doom 2043 auch im Mix. Wenn jetzt alles richtig läuft, kommts zum Glück nicht mehr ganz so stramm. :-D Alleine schon der Vielfalt wegen zum Glück. Könnten Immersive Sims jetzt bitte auch endlich mal ihren lange verdienten Triple-A-Hit bekommen? ;(

        *Lieblings-Euphemismus der Spieleindustrie dafür, alles sukzessive rauszukürzen, was sperriger als ein Big Mac ist.
      • Von DarkSamus666 Spiele-Enthusiast/in
        Ich spiele es und ja, es ist ein sehr gut gemachtes Spiel aber: es ist verdammt buggy. Klar, die große Entscheidungsfreiheit und die tatsächlichen, die Geschichte verändernden Konsequenzen sind da sicher nicht unschuldig, aber nach 20 Stunden passiert mir da ein wenig zu viel.
        Ich hätte das Würfeln zudem gerne analog steuerbar.
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