Bodo Hechelhammer: "Fürst der Füchse - Das Leben des Rolf Kauka":Im Geist des Revanchismus

Bodo Hechelhammer: "Fürst der Füchse - Das Leben des Rolf Kauka": Eher spießiger Onkel als bayerischer Walt Disney: Rolf Kauka.

Eher spießiger Onkel als bayerischer Walt Disney: Rolf Kauka.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Eine Biografie schildert den erfolgreichen "Fix und Foxi"-Verleger Rolf Kauka als politisch zwiespältige Figur.

Von Fritz Göttler

Der Hinkelstein ist ein robustes Stück der europäischen Kultur, seit Jahrzehnten. In den Sechzigern wurde er zusammengebracht mit dem Holocaust, als in der ersten deutschen "Asterix"-Ausgabe über Obelix bemerkt wurde: "Wie andere einen Schuldkomplex so schleppt er stets einen riesigen Findling mit sich herum." Der Schuldkomplex der Deutschen war hier gemeint, der sie nach dem verlorenen Krieg und dem Holocaust belastete.

Der deutsche Comic-Verleger Rolf Kauka, bekannt und erfolgreich mit dem Füchsepaar Fix & Foxi und anderen Comicwesen von Lupo bis Bussi Bär, war für die ziemlich dreiste Neudeutung verantwortlich. Er hatte - eigentlich eine gute Nachricht - früh die franko-belgischen Comics entdeckt und Lizenzverträge abgeschlossen für Lucky Luke, Spirou und Fantasio, Asterix und Obelix; leider aber - eine triste Nachricht - auch das Recht für die Eindeutschung. Kauka war wahrlich nicht der richtige Mann für den lässigen Esprit dieser Comics, das macht nun die Kauka-Biografie von Bodo V. Hechelhammer unmissverständlich klar (anders als etwa Erika Fuchs, die sich des Konkurrenten Micky Maus annahm). Die gallischen Krieger wurden bei Kauka germanisiert zu Siggi und Babarras, das gallische Dorf nannte sich Bonnhalla, der greise weise Druide Miraculix wurde Konradin (wie Adenauer).

Seine Jugend war geprägt von starkem Engagement in Hitlerjugend und Wehrmacht

"Fürst der Füchse" nennt Bodo V. Hechelhammer seine Biografie, aber von fürstlichem Stil und feudaler Großzügigkeit ist in diesem eher verklemmten deutschen Comic-Pionier-Leben nichts zu spüren. Geboren wurde Kauka am 9. April 1917 in Markranstädt in der Nähe von Leipzig, am 13. September 2000 starb er in den USA, wo er in seinen letzten Jahren residierte. Seine Jugend war geprägt von starkem Engagement in Hitlerjugend und Wehrmacht, er war erst im Westen im Einsatz, dann im Osten. Jugendliche Skizzen und Karikaturen zeigen, welch revanchistischen Geistes Kind er war und bleiben sollte.

Nach dem Krieg zog er an den Chiemsee, später nach München, trickste sich durch die Verfahren der Entnazifizierung, konnte endlich seinen Verlag gründen und begann Bildgeschichten zu produzieren, im Geist von Wilhelm Busch und Till Eulenspiegel, mit wachsendem Erfolg. In einem Schloss in Grünwald bezog er Domizil und Büro, in günstiger Nähe zur Filmstadt Geiselgasteig und zum Bundesnachrichtendienst, mit dessen Chef Gerhard Wessel ihn eine lange Bekanntschaft verband.

Ein bayerischer Walt Disney werden, das war sein Traum, sein Ehrgeiz war also, einen langen Zeichenfilm zu produzieren. Es reichte dann doch nur zu einem Schwung erfolgreicher Comic-Magazine, zu Fernsehserien und Werbefilmen (für Salamander und BMW), mehr oder weniger diskret von Disney inspiriert. Und: Dank Gerhard Wessel erhielt Kauka Aufträge für "Ausbildungsfilme für die Bundeswehr bzw. für die Spionageabwehr" - mit Zugang zu klassifiziertem Material und daher obligatorischer Sicherheitsüberprüfung. Der Autor Hechelheimer ist Chef des Historischen Büros des Bundesnachrichtendienstes, sein Buch ist also ungemein detailfreudig, aber er hält sich eisern an die Regeln: "Leider durften nicht alle Details genannt und nur offenes Material verwendet werden."

Bodo Hechelhammer: "Fürst der Füchse - Das Leben des Rolf Kauka": Bodo V. Hechelhammer: Fürst der Füchse - Das Leben des Rolf Kauka. Langen Müller, München 2022. 392 Seiten, 25 Euro.

Bodo V. Hechelhammer: Fürst der Füchse - Das Leben des Rolf Kauka. Langen Müller, München 2022. 392 Seiten, 25 Euro.

Vom Abenteuer, Comics zu entwickeln und mit neuen Formen zu experimentieren, ist im Buch selten die Rede, obwohl es doch sehr interessant gewesen wäre, wie genau das gewesen ist in einem Land, das sich sehr lange sehr schwertat mit Formen populärer Kultur. Der Fürst kommt eher rüber wie ein Salonlöwe und bemühter Selbstdarsteller, mit spießiger Onkelhaftigkeit, Jagdleidenschaft und Pferdesport. Mit unglaublicher Unbefangenheit schreibt Onkel Kauka in der Weihnachtsausgabe 1966 reaktionäre politische Floskeln in sein Editorial: "Was ich mir, Euch und Euren lieben Eltern vom Nikolaus wünsche: Friede in allen Ländern, Freilassung der unschuldig Gefangenen in Spandau und allen anderen Gefängnissen, Freude und Lachen auf der ganzen Welt - und ein ganz besonders fröhliches Weihnachten."

Über einen Text in der Zeitschrift Pardon! erhielten damals die Asterix-Autoren Albert Uderzo und René Goscinny Kenntnis von den germanisierten Galliern - und Kauka verlor die Lizenzen. Ein Lehrstück über einen riesigen finanziellen Verlust, provoziert durch politische Naivität.

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