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Unterstützt Deutschland nun doch einen Irak-Krieg?

Heuer: Über die Beschlüsse des NATO-Gipfels und die Rolle Deutschlands im Irak-Konflikt, möchte ich jetzt mit Hans-Ulrich Klose sprechen, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Guten Morgen, Herr Klose.

22.11.2002
    Klose: Guten Morgen.

    Heuer: Sie haben gehört, was der Bundeskanzler gestern Abend gesagt hat. Das klingt ganz so, als wolle Deutschland nun doch den Vereinigten Staaten die Überflugrechte und die Nutzung militärischer Einrichtungen in Deutschland ermöglichen. Ist das das, was Wolfgang Schäuble, der Außenpolitiker der Union, als das Umfallen der Regierung in die richtige Richtung bezeichnet hat?

    Klose: Nein, das hat mit Umfallen gar nichts zu tun. Es gibt in der Tat, wie der Kanzler gesagt hat, Vereinbarungen dazu. Das läuft unter der Überschrift Host Nation Support. Wir haben die Amerikaner hier. Wir haben sie eingeladen, nach Rückgewinnung unserer vollen Souveränität bei uns zu bleiben, und natürlich müssen wir ihnen die freien Bewegungsmöglichkeiten in Deutschland und über Deutschland hinweg gestatten. Da gibt es gar keinen Zweifel.

    Heuer: Vor der Bundestagswahl hat sich Gerhard Schröder aber nicht so deutlich zu diesen Vereinbarungen geäußert, und diese Vereinbarung gab es ja auch schon vor dem 22. September?

    Klose: Nun gut, der Kanzler hat ja auch in seiner Erklärung gestern klar gemacht, dass er bei seiner Position keiner aktiven Beteiligung an einem militärischen Unternehmen bleibt. Das andere spielt keine Rolle. Es wurde immer nur nebenbei diskutiert und mehr im Hinblick auf die in Kuwait stehenden Panzer als auf logistische Probleme.

    Heuer: Wissen Sie, ob die Vereinigten Staaten um mehr gebeten haben als um diese logistische Hilfe in der Bundesrepublik?

    Klose: Nein, das weiß ich nicht. Ich habe mitbekommen, dass generell um Unterstützung gebeten worden ist. Sie kann aktiv sein, sie kann so wie im Falle der Bundesrepublik passiv sein, aber ich glaube, dass die Amerikaner es natürlich begrüßen würden, wenn Deutschland sich beteiligen würde. Nur, in diesem Punkt hat die Bundesregierung ganz klar gemacht, dass sie dazu nicht bereit ist.

    Heuer: Herr Klose, im Vorfeld der Bundestagswahl war auch immer davon die Rede, Deutschland werde keine Scheckbuch-Diplomatie mitmachen, das heißt im Klartext: Es gibt kein Geld, keine finanzielle Unterstützung für einen Militäreinsatz im Irak. Ist es denkbar oder halten Sie es für richtig, wenn sich die Bundesregierung nun doch auch finanziell beteiligt?

    Klose: Nein, das sollte sie nicht tun. Da sollte die Bundesregierung bei ihrem Kurs bleiben. Man kann über diesen Kurs insgesamt streiten, aber das wäre eine ganz, ganz ungute Geste, wenn wir uns sozusagen mit Geld von einer Verpflichtung lösen, die wir nicht erfüllen möchten. Das würde, glaube ich, in der Bevölkerung überhaupt nicht verstanden.

    Heuer: Halten Sie es für richtig, die sechs in Kuwait stationierten Spürpanzer dort zu belassen? Halten Sie es für notwendig, dass US-Truppen oder Materialschiffe durch die Schiffe der Bundesmarine am Horn von Afrika bei einem möglichen Irak-Einsatz geschützt werden?

    Klose: Also, ich würde sagen ja, die ABC-Panzer sollten in Kuwait bleiben. Sie sind dort im Zusammenhang mit dem Mandat "Enduring Freedom" stationiert worden, also dem Antiterrorkampf. Sie sind nicht dort, um im Falle einer militärischen Intervention gegen den Irak eingesetzt zu werden. Allerdings weiß ich auch und weiß die Bundesregierung mit Sicherheit, dass eine Situation entstehen kann, wo Nothilfe geleistet werden muss, und die würde man im Zweifelsfall auch nicht verweigern können. Nothilfe, wenn Soldaten oder kuwaitische Bürger in Gefahr geraten. Ich meine, was wäre das für eine Beziehung, wenn man in einem solchen Falle sagen würde: Wir haben da Material, das gut ist, das Beste was es gibt, und wir lassen es stehen und sehen zu, wie Menschen sterben. Das geht nicht. Das andere, würde ich sagen, ist eine schwierigere Frage, weil wir natürlich die Marineeinheiten dort rund um die arabische Halbinsel haben, um terroristische Aktivitäten zu unterbinden und dafür unterstützen. Nun kann es natürlich sein, dass amerikanische Schiffe, wie im Jemen geschehen, von Terroristen angegriffen werden, und wenn sie dabei von deutschen Schiffen geschützt werden, ist das in Ordnung.

    Heuer: Aus deutschen Regierungskreisen, Herr Klose, hieß es gestern, es sei ein Missverständnis anzunehmen, dass wer die UN-Resolution gegen den Irak unterstützt deshalb auch als selbstverständlicher Partner an ihrer Umsetzung beteiligt sein müsse. Was bitte ist selbstverständlicher als Worten auch Taten folgen zu lassen?

    Klose: Da muss man schon sehen, wie die Praxis innerhalb der UNO ist. Es gibt ja viele Länder, die sich aktiv an den Arbeiten der UNO beteiligen, aber es gleichwohl grundsätzlich ablehnen, militärische Beiträge zu leisten. Mexiko gehört zum Beispiel dazu. Das akzeptiert die Weltgemeinschaft und das akzeptiert die Organisation, und weil das so ist und weil es viele Länder gibt, die sich so verhalten, kann man in der Tat nicht sagen, dass aus der Mitgliedschaft in der UNO und der Unterstützung einer Resolution zwangsläufig folgt, es werde auch militärisch ein Beitrag geleistet. Nehmen Sie das Beispiel China als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates: China hat sich noch nie mit irgendwelchen militärischen Einheiten beteiligt, wenn es darum ging, eine UNO-Resolution umzusetzen.

    Heuer: Sie sehen es also nicht so, dass die Bundesregierung, dass die Bundesrepublik mit ihrer Haltung eine aktive Beteiligung auch an der politischen Diskussion über den Irak zumindest schwächt?

    Klose: Nein, also diese Zwangsläufigkeit sehe ich nicht. Sie wissen, dass ich in der Irak-Frage immer eine andere Position vertreten habe, aber das was die Bundesregierung gegenwärtig tut ist eine Position, die möglich ist, die man diskutieren kann, aber sie verpflichtet nicht, wegen UNO-Regeln davon abzuweichen. Das wäre ein Fehler.

    Heuer: Hans-Ulrich Klose war das, Sozialdemokrat und stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Herr Klose, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio