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Die Berliner Jobcenter möchten als helfende Partner wahrgenommen werden.

© Imago/Jürgen Ritter

Weg vom Image der „verstaubten Behörde“: Berliner Jobcenter wollen lockerer werden

Eine Umfrage ergab, dass nur sieben Prozent der Berliner die Jobvermittler positiv bewerten. Deswegen gehen die jetzt in die Offensive.

Beim Christopher Street Day am 22. Juli wollen die zwölf Jobcenter (JC) Flagge zeigen und den festlichen Umzug der queeren Community mit einer „Fußgruppe“ bereichern. Bereits seit Anfang Juni haben alle JC-Standorte ihr Logo in Regenbogenfarben umgestaltet. Auch bei den Special Olympic Games der Sportler mit Behinderungen engagieren sich Mitarbeiter der Vermittlungsagenturen.

„Wir sind keine verstaubte Behörde“, sagte Lutz Mania, Geschäftsführer des JC Mitte. Mit der Einführung des Bürgergeldes, das Mania und seine Kollegen überwiegend begrüßen, soll auch ein Imagewechsel zu einer offenen, bürgernahen Institution einhergehen. Das sei weder von oben, also von der Politik angeordnet, noch von einer Werbeagentur begleitet worden, betont Mania. Die Jobcenter selbst möchten nicht mehr als strenge Anstalt zur Förderung der Arbeitsaufnahme wahrgenommen werden.

Bei einer Umfrage aus dem März hätten nur 0,6 Prozent der Berliner die JC als „sehr gut“ bewertet, 6,7 Prozent als „eher positiv“. Dagegen 17,9 Prozent als „eher negativ“ und fast 25 Prozent als „sehr negativ“. Bei den Kunden der JC sah das Ergebnis völlig anders aus: 33,2 Prozent bewerteten die JC als „sehr positiv“, 25 Prozent als „eher positiv“, 8,6 Prozent als „eher negativ“ und 4,5 Prozent als „sehr negativ“.

Zum neuen Auftritt passt, dass die JC-Kunden, also die Empfänger von Bürgergeld, schon seit einiger Zeit eine App nutzen können, um mit ihrem Betreuer zu kommunizieren oder Anträge zu stellen. Die App wurde in der Corona-Zeit entwickelt. Damals veränderte sich bereits das Auftreten der Jobcenter, weil Sanktionen ausgesetzt wurden, das Schonvermögen stieg und viele Selbstständige wegen ausbleibender Aufträge plötzlich auf Leistungen der Jobcenter angewiesen waren.

25 Prozent
der Berliner bewerten die Jobcenter als „sehr negativ“

Mit der Einführung des Bürgergeldes am 1. Januar hat sich laut Mania in der Praxis der Behörde gar nicht viel verändert. „Da sind viele Instrumente drin, die wollten wir selber haben.“ Der „Vermittlungsvorrang“, also die Vermittlung in Arbeit vor einer Qualifizierung, wie sie nach den Harzt-IV-Regeln galt, sei in der konkreten Beratung in seinem Jobcenter häufig nicht mehr angewandt worden. Dieser Vorrang wurde beim Bürgergeld quasi umgedreht: Qualifizierung vor Vermittlung.

Ab Juli tritt die zweite Stufe der Bürgergeldreform in Kraft. Dann werden die „Eingliederungsverträge“, die mit den Kunden geschlossen wurden, durch „Kooperationspläne“ ersetzt, auch das bewerten Mania und seine Kollegin vom JC Tempelhof-Schöneberg, Elena Zavlaris, als Erleichterung ihrer Arbeit. Die Verträge, voll mit Rechtsbelehrungen über Sanktionen, seien von den Kunden oftmals gar nicht verstanden worden.

Hausbesuche möglich

Mit dem Bürgergeld sei auch das Coaching, also die individuelle Betreuung und Aktivierung von Menschen mit psychischen oder familiären Problemen, gesetzlich verankert worden – auch das sei eher eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine bereits laufende Praxis, zumindest in Berlin.

Etwa die Hälfte der Klienten erscheine nicht zu den anberaumten Beratungsterminen, wie Mania erklärt. Da beginnt dann das Coaching, in der Regel mit einem Brief, der den Bürgergeld-Empfängern einen Hausbesuch ankündigt. „Zwei Fünftel melden sich und kommen lieber ins Jobcenter, zwei Fünftel melden sich nicht, da muss man dann nachhaken, ein Fünftel freut sich über den Besuch“, erklärt Zavlaris. Das seien dann oft Menschen mit starken Depressionen, Problemen mit Drogen oder Kriminalität.

Eigentlich seien viele dieser Coaching-Kunden gar nicht erwerbsfähig, müssten also anders eingestuft werden, das sei in der Reform aber ausgespart worden. Mania kritisiert auch, dass viele Aufstocker – oft Selbstständige, die zu wenig verdienen – quasi unbefristet im Bürgergeld-Bezug verharren.

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