George Herrimans „Krazy Kat“: Neues Buch von Alexander Braun

Es geht Schlag auf Schlag beim TASCHEN-Verlag. Nach dem opulenten Band über Stan Lee https://comic-denkblase.de/the-stan-lee-story-eine-verneigung und dem zweiten Band zu Winsor McCays Little Nemo ist innerhalb weniger Wochen das dritte nicht weniger beeindruckende Buch zu Comics erschienen. Dieses Mal über Krazy Kat von George Herriman. Einmal mehr hat Comic-Fachmann Alexander Braun die Latte ziemlich hoch gelegt. Das Buch beeindruckt nicht nur wegen seiner Größe und den sechs Kilogramm Gewicht.

Krazy Kat von George Herriman ©Taschen Verlag 2019

Dass sich Braun mit den frühen Comicstrips bestens auskennt hat er schon mehrfach bewiesen. Vor drei Jahren zeigte die Ausstellungshalle Schirn in Frankfurt eine von ihm betreute Schau. Vorgestellt wurden Comics von Winsor McCay, Lyonel Feininger, Charles Forbell, Cliff Sterrett, George Herriman und Frank King. Der Titel damals: „Pioniere des Comic. Eine andere Avantgarde.“

Schon zuvor hatte Alexander Braun mit dem leider vergriffenen Buch „Jahrhundert der Comics“ ein Ausrufezeichen gesetzt. Für die bei TASCHEN erschienene Gesamtausgabe zu Winsor McCays Little Nemo wurde er 2015 zudem mit dem wichtigsten Comicpreis der Welt ausgezeichnet: dem Eisner-Award. Jetzt also hat Braun sich des nächsten in der Reihe der Pioniere angenommen: George Herriman.

Alle Sonntagsseiten in Farbe

Das Buch zeigt die kompletten Sonntagsseiten in Farbe, von 1935 bis 1944. Braun erklärt im Interview: „Ich habe alle Seiten real aus Sammlungen around the world aufgetrieben, so dass sie neu und in hoher Auflösung gescannt werden konnten. Wir haben das im Maßstab 1:1 gemacht und in Sachen Farbe so nah wie es irgendwie ging am Original abgedruckt. Heißt auch, inklusive einer gewissen Rückführung der Papierfärbung. Unser Maßstab war, dass die Farben so erscheinen sollen, wie sie sich für einen Leser vor ca. 80 Jahren dargestellt haben.“

George Herriman ©Taschen Verlag 2019

Alleine das würde sich schon lohnen. Doch natürlich zeigt das Buch nicht „nur“ die Sonntagseiten. Es besticht zudem durch eine sehr ausführliche Einführung von Braun. In drei reich bebilderten Kapiteln geht der Autor auf Früh-, Haupt- und Spätwerk Herrimans ein. Er beschreibt dessen kreolische Herkunft in New Orleans, zeichnet seine wechselnden Wohnsitze zwischen Los Angeles und New York nach und gibt natürlich einen Überblick über die Entstehungsgeschichte von Krazy Kat.

Worum geht es in Krazy Kat?

Wer die Geschichte nicht kennt: Es geht um die Katze Krazy, die in die Maus Ignatz verliebt ist und von der ständig einen Ziegelstein an den Kopf geworfen bekommt. Was von der einen als Abneigung gedacht ist, wird von der anderen als Zuneigung gedeutet. Und dann gibt es noch den Polizisten Officer Bull Pupp, der offensichtlich Krazy Kat liebt und Ignatz öfters hinter Gittern bringt. Er hat erkannt, dass Krazy in Ignatz verliebt ist, sieht sein Handeln aber als Liebesdienst, um den Ziegelsteinwurf zu verhindern.

Krazy Kat von George Herriman ©Taschen Verlag 2019

Alexander Braun begnügt sich wie so oft bei seinen Büchern nicht damit, zu beschreiben, wann welcher Strip wo erschienen ist. Er ordnet zeitgeschichtlich und kunsthistorisch ein. Und belegt, welchen Einfluss Herriman auf spätere Zeichner hatte. Dass Charles M. Schulz etwa ein großer Fan von Krazy Kat war, zeigt offenbar auch das Zackenmuster auf Charlie Browns Shirt. „Die Inspiration dafür hatte Schulz aus Krazy Kat und von den dort zitierten Navajo-Mustern gewonnen“, so Braun in seinem Text.

Opulent bebildert – hintergründig belegt

Zahllose Fotos, Postkarten und andere Abbildungen belegen seine hergestellten Zusammenhänge. Und so erfährt der Leser nicht nur viel über George Herriman und seine Comics, sondern auch über das Verlagswesen um die Jahrhundertwende des vorvergangenen Jahrhunderts, über die Arbeitsbedingungen der Zeichner, über Erfolge und Misserfolge.

Ungewöhnliche Seitenarchitektur in Krazy Kat von George Herriman
©Taschen Verlag 2019

Die Strips selbst werden von Braun nicht übersetzt. Zugegeben: Herrimans Sprache erfordert schon eine längere Beschäftigung mit ihnen. Er hat die Strips in englischem Slang verfasst. Manches dürfte in der Tat auch nur schwer übersetzbar sein. Offisa – statt Officer ist da noch leicht zu verstehen.

Die fehlende Übersetzung trübt den Genuss in meinen Augen allerdings nicht. Das Buch eignet sich ohnehin weniger zum Lesen im Vorübergehen. Schon seiner Größe wegen sollte man es in Ruhe vor sich legen und die bunten Sonntagsseiten genauestens studieren. Vieles von dem, was Braun in seiner Einleitung beschreibt, wird einem dann vertraut vorkommen.

Beste Ausstattung

Übrigens: Was wir aus heutiger Sicht als gegeben hinnehmen, beschreibt Braun als außergewöhnlich für die damalige Zeit. Eine komplette Zeitungsseite in Farbe – und dann noch für einen Comic! Für viele Leser dürfte das der entscheidende Kaufanreiz für die Zeitung an sich gewesen sein.

Jetzt also liegen die Seiten in ihrer ursprünglichen Größe dem Leser erneut vor. Wunderbar aufbereitet wird das Buch im Pappkarton mit Tragegriff geliefert. Ein Schmuckstück für jede Sammlung, bei der sich wieder einmal nur eine Frage stellt: Wohin damit im Bücherregal?

Autor Alexander Braun, der unlängst auch eine Ausstellung zu Comiclegende Carl Barks und seinen Nachfolgern gemacht hat, sitzt zur Zeit schon am nächsten Ausstellungkatalog: Dieses Mal zum Thema „Zweiter Weltkrieg im Comic“. Nicht auszuschließen allerdings, dass der umtriebige Experte schon längst an einem Buch zu einem weiteren Comic-Pionier arbeitet. Zu wünschen wäre das allemal.

5 von 5 Comic-Denkblasen

Angaben zum Buch: George Herrimans „Krazy Kat“. Die kompletten Sonntagsseiten in Farbe 1935–1944. Gebunden, farbig, 632 Seiten, im Schutzkarton mit Tragegriff. TASCHEN, 150 €

Bei meinem Gang durch Alexander Brauns Ausstellung in der Schirn haben mich die Schirn-Macher damals begleitet: https://www.schirn.de/magazin/kontext/schirn_comic_alex_jakubowski/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert