Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
Vermischtes

Stille Post wird laut …

Chefkorrespondent Feuilleton
… und bleibt doch hohl. Exklusiver Einblick in die Welt des neuen „Asterix“-Heftes „Die Tochter des Vercingetorix“

In einem Sommer ohne gallischen Hahn bei einer Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaft kann es popkulturell nur einen Trost geben: die gallische Comicbiennale. Seit Längerem erscheinen die neuen „Asterix“-Hefte in den ungeraden Jahren, seit Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnung) die Reihe 2013 übernommen haben, sogar regelmäßig alle zwei Jahre. Dies als kulturindustrielle Feintaktung zu schmähen, werden sich nur sehr klassische Lateiner trauen, also Römer.

Alle anderen freuen sich, dass der „Asterix“-Band Nummer 38 mit dem Titel „Die Tochter des Vercingetorix“ für den 24. Oktober angekündigt ist. WELT-Leser bekommen seit vergangener Woche und insgesamt über einen Zeitraum von sechs Wochen montags einen exklusiven Comicstrip präsentiert, der aus dem neuen „Asterix“-Heft inspiriert ist. Die Übersetzung ins Deutsche besorgte Klaus Jöken. In der ersten Woche sahen wir Majestix, den Häuptling des kleinen gallischen und selten bis nie eroberten Dorfes, wie er den Schmied Automatix anwies, NIEMAND dürfe erfahren, wer gestern Abend angereist sei. Automatix verinnerlichte seine neue Aufgabe als Geheimnisträger derart fix, dass er umstandslos den Chef auf die Probe stellte: „Übrigens… WER ist eigentlich gestern Abend ins Dorf gekommen?“ Majestix konnte gerade noch stammeln: „Na ja, es ist…“ – da krachte schon Automatix’ hammerharter Hammer auf ihn nieder, um den bevorstehenden Geheimnisverrat im Keim zu ersticken. Merke: In dieser utopischen Gesellschaft steht auch der Häuptling nicht über dem Gesetz.

Heute geht es weiter, indem die stille Post ihren Weg durchs Dorf zu machen beginnt. Weil in jeder Brust, auch in der von Comicfiguren, zwei Seelen wohnen, einander bekämpfende Prinzipien von Verantwortungsbewusstsein hier und Sorglosigkeit da, von Disziplin hier und Klatschsucht da, von Zucht hier und Laisser-faire da et cetera, haucht der Schmied schon seinem alten Intimfeind, dem Fischhändler Verleihnix, ins Ohr: „Pscht… Niemand darf erfahren…“ und so weiter. Mit einem Ausspruch, der es verdient hätte, sofort so geflügelt zu werden wie Asterix’ Helm, quittiert Verleihnix den Vertrauensvorschuss: „Wir Einzelhändler können den Mund halten.“ Und beweist es, indem er das eben empfangene Geheimnis sogleich der schönen Frau des Dorfältesten Methusalix zuraunt.

Der Witz ist mittlerweile, dass ein Gerücht kursiert, das innen hohl ist. Außer Majestix kennt niemand den Namen des beschwiegenen Gastes – und wer weiß, ob Majestix selbst einen Schimmer hat; er kam ja nicht mehr zum Weitersprechen. Diese hohle Hülle wird nun wohl kursieren, ein Geheimnis, das alle umso mehr respektieren, es regelrecht ehrfürchtig behandeln, als es seine Würde, seinen Mehrwert und wahren Gehalt nicht preisgibt. Es ist Objekt des Tratsches und zugleich meilenweit darüber erhoben.

In der Dramaturgie seit Alfred Hitchcock nennt man einen solchen gewissermaßen emissionsfreien Motor der Handlung und der Spannung einen McGuffin – das Ding, dem alle hinterherjagen, ohne es je zu erreichen. Der Koffer in „Pulp Fiction“ ist ein berühmter McGuffin. Angeblich soll er die Seele des Gangsterbosses Marcellus Wallace enthalten, aber wer weiß das schon? Weil McGuffins eben gerade dadurch funktionieren, dass man keine Ahnung hat, sind wir selbst sehr gespannt, wie es weitergeht. Um wen könnte es sich beim geheimnisvollen Reisenden handeln? Einen möglichen Hinweis mag der Titel geben: „Die Tochter des Vercingetorix“ – aber vielleicht ist das ja bloß, um mit Fischhändler-Metaphorik zu sprechen, ein roter Hering.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant