Nordhausen. Den Worten folgen Taten. Nordhäuser Historiker sehen mit Sorge, wie rechtsextreme Positionen ihren Weg in die Normalität finden.
Erst sind es Worte. Dann folgen Taten. Der gesellschaftliche Rechtsruck im Land hat auch die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Nordhausen erreicht. Diese politische Entwicklung sei schon seit Jahren auf vielen Ebenen spürbar, berichtet Gedenkstättenleiter Andreas Froese, aber in den vergangenen Monaten habe sie eine neue Dimension erreicht.
Allein für das vorige Jahr stehen so viele Fälle von Vandalismus zu Buche wie nie zuvor. Auf dem Außengelände im Schatten des Kohnsteins werden immer wieder Schilder zerstört, mit rassistischen Parolen beschmiert oder mit Abzeichen rechtsextremer Organisationen beklebt. Auch die Stelen zum Gedenken an die Todesmärsche der KZ-Häftlinge vor 80 Jahren werden besudelt. Inzwischen muss die Stiftung der Gedenkstätte schon zehn Prozent ihres Jahresetats für Sicherheitsdienstleistungen ausgeben.

„Besonders erschreckend“ sei, betont Andreas Froese, das „Ausmaß der schleichenden Normalisierung rechtsextremistischer Positionen“. Es bereite ihm Sorge, dass auch demokratische Akteure zunehmend Begriffe und Themen von der extremen Rechten unreflektiert aufgreifen. Wer das macht, trage zur „schrittweisen Verharmlosung und Gewöhnung“ bei.
Sebastian Hammer, Leiter der Dokumentationsstelle von Mittelbau-Dora und Froeses Stellvertreter, unterstreicht: „Es ist nicht unsere Absicht, uns in politische Debatten zu stürzen. Aber wir wollen unsere Werte vermitteln und verteidigen.“ Froese bekräftigt: „Eine Werte-Neutralität darf es in einer KZ-Gedenkstätte nicht geben.“ Das sei man auch allen Opfern und deren Nachkommen schuldig.

Um dem Rechtsruck entgegenzutreten, will die Gedenkstätte ihre Bildungsarbeit erweitern. Die Angebote sollen auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sein. Es gibt mehrere Bildungsformate für Schulklassen, ebenso berufsbezogene Formate für Bundeswehrgruppen, Polizisten und seit dem vergangenen Jahr auch für Menschen in Pflegeberufen.
Den Historikern geht es dabei auch um einen „geschichtsbewussten Rückblick auf die Anfänge und den Aufstieg des Nationalsozialismus“. Zudem soll zugleich der eigene Blick für die gegenwärtige Entwicklung geschärft werden.
„Eine Werte-Neutralität darf es in einer KZ-Gedenkstätte nicht geben.“
Erfreulich ist der konstant hohe Zuspruch in der Gedenkstätte. Im vergangenen Jahr sind rund 60.000 Besucher gezählt worden. Darunter sind viele Familienangehörige ehemaliger Häftlinge. Es gebe bei diesen Nachkommen ein großes Bedürfnis nach Informationen zum Leidensweg ihrer Vorfahren. Manche suchen auch einen Ort des Gedenkens. „Das zeigt uns, dass die Folgen der KZ-Haft in den Familien noch Generationen später präsent sind“, sagt Sebastian Hammer.

Die Überlebenden sterben aus. Diesen Abschied bedauern die Historiker sehr. Nach ihrem Kenntnisstand gibt es nur noch 20 Zeitzeugen für die Zwangsarbeit im KZ Mittelbau-Dora.
Um die Geschichte des Konzentrationslagers auch in Zukunft angemessen vermitteln zu können, ist die historische Stollenanlage im Kohnstein neu gestaltet worden. Das veränderte Informationssystem habe sich im Rundgangbetrieb bewährt, berichtet Froese.
Ein besonderer Jahrestag der Befreiung steht im April bevor
2025 steht ganz im Zeichen des 80. Jahrestages der Befreiung des KZ-Komplexes im Südharz. Ab April sind zahlreiche Veranstaltungen geplant. Vorbereitet wird auch eine Sonderschau unter dem Titel „Bilder der Befreiung“. Vorgesehen sind Informationsstelen auf dem Gelände am Kohnstein sowie an ausgewählten Orten in der Stadt (wie Ehrenfriedhof oder Boelcke-Kaserne). In Ellrich soll ebenso eine errichtet werden. „Wir tragen diese Outdoor-Ausstellung bewusst in die Fläche“, betont Froese. Bei 40 Außenlagern hält er dies für angebracht. Die Sonderschau soll vom April bis Mitte August zu sehen sein.
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Zur Gedenkfeier am Jahrestag sind ausdrücklich sämtliche AfD-Politiker unerwünscht. „Wir müssen unseren Gedenkort schützen“, sagt Froese. Die Anwesenheit von Rechtsextremen sei den Nachfahren der KZ-Häftlinge nicht zuzumuten.
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