Die polaren Eisschilde schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Wetterextreme werden häufiger. Im neusten Sonderbericht des Weltklimarats IPCC warnen Forscherinnen und Forscher nun sehr deutlich: Verbrennt der Mensch weiterhin nahezu unbeschränkt fossile Brennstoffe und bläst dadurch Kohlendioxid (CO2) und andere Treibhausgase in die Atmosphäre, könnte der begonnene Wandel des Erdklimas schon bald nicht mehr aufzuhalten sein.

"Na und?" fragen diejenigen provokativ, die wirtschaftliche Einschränkungen durch den Klimaschutz fürchten. Aber auch manche Optimisten denken: So schlimm könne es ja alles nicht sein – schließlich hat sich das Klima der Erde schon oft geändert im Verlauf ihrer 4,6 Milliarden Jahre langen Geschichte. Dieser Gedanke erscheint naheliegend, aber er ist in gleich mehrfacher Hinsicht falsch. Und er führt leicht zu folgenden fünf Trugschlüssen:

Trugschluss 1: Zeiten des Klimawandels sind harmlos

Bis jetzt war jeder größere Klimawandel gefährlich für das ihm ausgelieferte Leben auf der Erde (Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology: David P. G. Bond, Stephen E. Grasby, 2017). So starb zum Beispiel vor rund 250 Millionen Jahren ein Großteil aller Arten an Land und im Wasser aus. Die wahrscheinlichste Ursache dieses bislang wohl größten Massenaussterbens der Erdgeschichte: Hitzestress infolge einer immensen Veränderung des Klimas, nachdem Vulkane überdurchschnittlich viel Kohlendioxid und andere Treibhausgase in die Atmosphäre hatten entweichen lassen: Die globalen Durchschnittstemperaturen erhöhten sich damals um fünf bis zehn Grad Celsius.

Trugschluss 2: Klimawandel ist gleich Klimawandel

Der Blick zurück in die Klimageschichte belegt unmissverständlich: Falls aus unserer Zivilisation weiter so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre strömt wie bisher – im vergangenen Jahr sind die globalen Emissionen wieder deutlich gestiegen – werden wir und unsere Nachfahren einen Klimawandel erleben, der alle anderen Klimaveränderungen während der jüngeren Erdvergangenheit übertreffen wird.

Schon heute herrschen andere Klimaverhältnisse als während des gesamten zurückliegenden Quartärs, dem Zeitabschnitt der Erdgeschichte also, in dem sich die Menschheit seit knapp drei Millionen Jahren entwickelt. Die kleineren Schwankungen in diesem Zeitraum wurden dabei vermutlich von geringfügigen Änderungen der Helligkeit der Sonne verursacht. Zum Beispiel während der Kleinen Eiszeit, die je nach Quelle ungefähr im 13. Jahrhundert begann (Geophysical Research Letters: Miller et al., 2012) und spätestens im 19. Jahrhundert endete (Science: Oerlemans, 2005). Während dieser Periode war es durchschnittlich etwas kälter als heute. Den alten Römern dagegen spielte eine wärmere Phase in die Hände: Das römische Klimaoptimum befreite die Alpenpässe von Schnee und Eis und öffnete sie für die Eroberung Galliens und Germaniens.

Während der vergangenen drei Millionen Jahre hat sich das Klima aber immer wieder auch viel globaler, stärker und langanhaltender verändert. Es wechselte zwischen sehr kalten Phasen, sogenannten Glazialen, und milderen, den Interglazialen. Schon vor rund 100 Jahren erkannte der serbische Astronom Milutin Milanković, dass diese regelmäßigen Schwankungen durch zyklische Überlagerungen der veränderlichen geometrischen Eigenschaften der Bahn der Erde um die Sonne und der Lage der Erdachse ausgelöst wurden. Vor rund 15.000 Jahren leitete der nach ihm benannte Milankovic-Mechanismus wieder einmal eine milde Interglazialzeit ein – das Holozän. Trotz der Erwärmung werden beide Polarregionen der Erde auch heute noch ganzjährig von großen Eisschilden bedeckt. Wir befinden uns also weiterhin in einer generellen Eiszeit. Diese begann vor rund drei Millionen Jahren. Doch in jüngster Zeit schmelzen die polaren Eisflächen rasant.

Trugschluss Nummer 3: Die Entwicklung ist jederzeit aufzuhalten

Diese Entwicklung an den Polen ist eines der deutlichsten unter vielen weiteren untrüglichen Warnsignalen: Falls der begonnene, durch den Menschen maßgeblich verursachte Klimawandel nicht jetzt gestoppt werden kann, wird er unumkehrbar Ausmaße annehmen, die nur noch vergleichbar sind mit den größten Wechseln des globalen Klimas der bisherigen Erdgeschichte: Wir sind auf dem Weg aus einer natürlichen Eiszeit direkt in eine eisfreie, menschengemachte Heißzeit!

Zwei Zahlen zeigen unmissverständlich, dass es der durch unsere Industrieemissionen verursachte Treibhauseffekt ist, der die Welt soweit gebracht hat: Während der ganzen aktuellen Eiszeit waren in der Erdatmosphäre von jeweils einer Million Luftmolekülen bis zu Beginn der Industrialisierung höchstens 280 Kohlendioxidmoleküle zu finden, abgekürzt 280 ppm (parts per million). Doch mittlerweile hat sich das Kohlendioxid, das bei jeder Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas entsteht und aus Kaminen, Schornsteinen und Auspuffen strömt, in der Atmosphäre auf rund 410 ppm angereichert. Der dadurch verstärkte Treibhauseffekt hat die globalen Durchschnittstemperaturen während des vergangenen Jahrhunderts um mehr als ein Grad Celsius erhöht.

Und dies ist erst der Anfang. Je höher der atmosphärische Kohlendioxidgehalt steigen wird, desto wärmer wird der Globus – in einer Weise, die uns weit herausführen wird aus dem historischen Muster der Milankovic-Klimaphasen.

Die nächste Station auf diesem Weg wird wohl ein Klimazustand sein wie im mittleren Miozän vor rund 15 Millionen Jahren. Damals lag der atmosphärische Kohlendioxidgehalt bei Werten um 500 ppm. In der Folge war es auf der Erde durchschnittlich bis zu fünf Grad wärmer als heute. Die Arktis war eisfrei, die Antarktis zum großen Teil ebenfalls. Und die Meere brandeten bis zu 60 Meter höher an die Küsten.