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Prozess in Paris Gericht spricht IWF-Chefin Lagarde schuldig

IWF-Chefin Christine Lagarde ist in einem Strafprozess für schuldig befunden worden, erhält aber wegen ihrer "Persönlichkeit" keine Strafe. Das Urteil könnte eine neue Führungsdebatte beim IWF auslösen.
Christine Lagarde

Christine Lagarde

Foto: CHARLES PLATIAU/ REUTERS

In der Affäre um eine Millionen-Zahlung an den Unternehmer Bernard Tapie ist IWF-Chefin Christine Lagarde von einem französischen Gericht schuldig gesprochen worden.

Der Gerichtshof der Republik sah es als erwiesen an, dass Lagarde als frühere französische Finanzministerin fahrlässig gehandelt hat. Die Richter in Paris verzichteten jedoch darauf, eine Strafe zu verhängen. Sie begründeten dies mit der "Persönlichkeit" Lagardes, ihrem "internationalen Ansehen" und der Tatsache, dass Lagarde 2007 und 2008 mit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu kämpfen hatte.

Lagarde war von 2007 bis 2011 Wirtschafts- und Finanzministerin unter dem damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. In dieser Funktion war sie maßgeblich für Frankreichs Reaktion auf die internationale Finanzkrise verantwortlich, die mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA begonnen hatte. Nach dem Rücktritt ihres Landsmanns Dominique Strauss-Kahnals geschäftsführender Direktor des IWF übernahm Lagarde 2011 dessen Nachfolge.

Lagardes Anwalt Patrick Maisonneuve zeigte sich "ziemlich enttäuscht" über das Urteil. Eine mögliche Revision schloss er nicht aus. Das Gericht hatte sich mit seinem Urteil über die Staatsanwaltschaft hinweggesetzt, die sich gegen eine Verurteilung der Finanzmanagerin ausgesprochen hatte.

Lagarde droht nun womöglich politisches Ungemach: Der Urteilsspruch könnte eine neue Führungsdebatte beim IWF auslösen. Ein Sprecher kündigte nach dem Urteil baldige Beratungen des IWF-Direktoriums über den Ausgang des Prozesses an. Lagarde hatte das Urteil nicht abgewartet und war noch vor der Verkündung aus Frankreich Richtung Washington abgereist.

Ermittlungen wegen Betrugs laufen

Lagarde wurde wegen der sogenannten Tapie-Affäre in ihrer Heimat Frankreich der Prozess gemacht. Die damalige französische Finanz- und Wirtschaftsministerin hatte 2007 den Gang vor ein privates Schiedsgericht gebilligt, um einen jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Staat und dem Geschäftsmann Bernard Tapie zu beenden. Als das Schiedsgericht Tapie im folgenden Jahr mehr als 400 Millionen Euro Schadenersatz zusprach, legte sie keinen Widerspruch ein.

Ermittler warfen ihr vor, voreilig und fahrlässig gehandelt und damit ihre Amtspflichten verletzt zu haben. Der Gerichtshof der Republik sprach Lagarde nun aber nur in einem Punkt der Fahrlässigkeit für schuldig: Er hielt ihr vor, nicht gegen den Schiedsspruch vorgegangen zu sein. Sie habe damit eine Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht.

Die Justiz vermutet mittlerweile, dass es Verbindungen zwischen Tapie und einem der drei Schiedsleute gegeben hat. Der Schiedsspruch wurde von Zivilgerichten deshalb bereits aufgehoben und Tapie zur Rückzahlung des Betrags verurteilt. Zudem laufen Betrugsermittlungen gegen mehrere Beteiligte, darunter Lagardes früheren Büroleiter.

Der Gerichtshof der Republik ist nur für Vergehen französischer Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amtes zuständig. Es wurde 1993 geschaffen und tagt sehr selten; das Verfahren gegen Lagarde ist erst der fünfte Prozess. Auf der Richterbank sitzen neben drei Berufsrichtern auch zwölf Parlamentarier.

msc/dpa/AP/Reuters
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