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Partnerschaft Peter Lindbergh

Er umarmte die Welt

Chefredakteurin ICON
Peter Lindbergh mit 74 Jahren gestorben

Lindbergh gilt als einer der bedeutendsten Fotografen seiner Zeit. Ihm wird heute zugerechnet, dass er wegen seines anderen Blickwinkels Models zu Superstars machte. Unter anderem gilt er als „Vater“ von Claudia Schiffer, Naomi Campbell und Kate Moss.

Quelle: WELT

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Peter Lindbergh hat die schönsten Frauen der Welt noch schöner gemacht, weil er sie so zeigte, wie sie waren. Ein Nachruf auf einen Mann mit großem Herz, der die Mode und die Fotografie veränderte.

Peter Lindbergh, der Fotograf, der liebevollste unter den berühmten Männern, ist gestorben. Man weiß bisher noch nicht viel, Dienstagnacht ist er eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht. Ein freundlicher Abgang für einen guten Menschen. Aber warum jetzt schon?

Alltägliches Durchscrollen auf Instagram, wie das so ist heutzutage. Bei „Therealpeterlindbergh“ steht ein ungewöhnliches Foto. In diesem ganz speziellen, melancholischen, dabei so klaren, nicht deprimierenden Schwarz-Weiß: ein kleiner, leerer Tisch auf kuscheligem Boden in einem schwarzen Studio vor einer großen Leinwand, auf der ein Foto mit einer leeren Leinwand am Meer zu sehen ist.

Der Text ist seine Todesanzeige: „It is with great Sadness that we announce the passing of Peter Lindbergh on Sept 3rd 2019, at the age of 74. He is survived by his wife Petra, his first wife Astrid, his four sons Benjamin, Érémy, Simon, Joseph and seven grand children. He leaves a big void.“

Peter Lindbergh hinterlässt nicht nur ein große Familie – auch eine riesige, ehrliche Fangemeinde. Weil seine Bildsprache so einzigartig war, er einen ganz neuen Stil in die Modefotografie gebracht hat, weil er ein so netter Kerl war, so lustig auch, oft jedenfalls. Und wie kein anderer Fotograf hat er das Selbstverständnis von Frauen befördert. Ganz ohne besondere Frauenversteher-Attitüde. Seine Zugewandtheit war kein Trick, keine Masche. Er war Umarmer, ohne zu grapschen, im direkten wie im übertragenen Sinn.

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Wenn wir uns heute in unserer Selbstverwirklichung ernst genommen fühlen können, dann hat das auch mit seinem Dogma zu tun, das er nicht müde wurde zu predigen: „Ich will Frauen in aller Ehrlichkeit zeigen.“ Geradezu wuschig machte ihn Künstlichkeit. Das Echte war ihm immer wichtig. Als Fotograf und als Mensch. Und weiß der Himmel, wie er es machte: Auf seinen Fotos sind nicht nur die schönen Frauen schön. Er gilt – galt als einer der größten Modefotografen überhaupt, dicke Bildbände erzählen von seinem Œuvre, aber nie verschwand der Mensch in der Mode oder hinter der Mode. Vielleicht sind deswegen seine Bilder von andauernder Gültigkeit, oft gesehen, nie langweilig.

Wie ist es mit den attraktivsten Frauen zu arbeiten?

Legendär, auch außerhalb der Szene, ist die Schwarz-Weiß-Aufnahme mit den sechs späteren Supermodels in schlichten weißen Oberhemden, die in den hyperbunten 80ern in der britischen „Vogue“ erschien. Die Modelstars im Ego-Zeitalter Cindy Crawford, Naomi Campbell, Linda Evangelista, Tatjana Patitz, Christy Turlington, Claudia Schiffer, Eva Herzigová, Nadja Auermann und Helena Christensen standen alle für die Art von Persönlichkeit, die er suchte. Schon damals sagte er: „Mich interessieren Frauen, die selbst etwas zu sagen haben und Selbstbestimmung ausstrahlen.“ Das bleibt – wie all diese Sätze, die man in die Kühlschranktür gravieren möchte. „Ich will das Wesen sehen, es ist doch dumm, Frauen zu fabrizieren.“

Vor drei Jahren trommelte er im Auftrag von Giorgio Armani noch einmal Yasmin Le Bon, Eva Herzigová, Nadja Auermann und Stella Tennant zusammen. Ein bisschen Make-up, richtige Ausleuchtung, aber ansonsten: sie selbst. „Ein bisschen Make-up ist okay, aber es muss unsichtbar sein. Ich könnte nie mit einer Frau leben, die 45 Minuten im Badezimmer verschwindet, um sich zurechtzumachen. Mich würde das traurig machen.“

Petra, nun seine Witwe, ist wie der Beweis aller Sätze, eine schöne, klare, interessante, unaufdringliche Frau. Im Dezember 2000 hatten sie sich auf Goa kennengelernt. Bei Aufnahmen, Lindbergh arbeitete eigentlich immer. Er verliebte sich umgehend. Er hatte all die schönen Frauen vor der Linse, doch diese war anders.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, lag neben ihr ein kleines Fotobuch, mit Aufnahmen, die er von ihr unauffällig gemacht hatte. Das war seine Liebeserklärung. In dem Dokumentarfilm „Women’s Stories“ sagt Petra über ihn: „Ich lernte, ihm zu vertrauen. Und dass Peter dieselbe Person beim Arbeiten und privat ist.“

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Lindbergh wurde im November 1944 in Lissa im heutigen Polen geboren. Als er sechs Wochen klein war, flüchtete die Mutter, als sie im Allgäu bei Verwandten ankam, hielten ihn alle für tot, erfroren. Er wurde dann ein Wonneproppen, wuchs mit zwei Geschwistern in Duisburg auf. Die Kinder spielten viel auf der Kohlenhalde, die Mutter rief dann: „Du wirst schmutzig!“, und er, vielleicht drei Jahre, antwortete: „Aber es ist unsere Kohle!“

1961 begann die Wanderschaft. Er fühlte sich fremd in seiner Familie, der er immer verbunden blieb, fühlte sich fremd in seinem Land. Zog kurzzeitig nach Luzern, dann nach Berlin und belegte Abendkurse an der Kunstakademie. In Krefeld studierte er Malerei, ab 1971 konzentrierte er sich ganz auf die Fotografie. Ende der 70er-Jahre nahm die Karriere Fahrt auf, die sie nie wieder verlor. Und er sich nie darin.

Erst eine Umarmung. Mit Nachdrücken. Dann was Frotzeliges sagen. So war das, wenn man Peter Lindbergh traf. Jedenfalls, wenn es so viele Jahre waren, wie wir uns kannten. Ich bin noch nicht so weit, mir vorzustellen, dass auch das vorbei ist. „Take it easy“, sagte er gern, lebensklug und lebensdankbar, wie er war. Doch wie sollte man das jetzt?

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Die Bilder zu diesem Artikel sind den Bildbänden „A Different Vision on Fashion Photography“ (Taschen) und „Images of Women II“ (Schirmer/Mosel) entnommen. Beide sind unbedingt empfehlenswert:

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