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Antifeminismus und die bedrohte Männlichkeit der Rechten

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Synagogentür von Halle.
Synagogentür von Halle. © Jan Woitas/zb/dpa

Der Attentäter von Halle ist Antisemit und gegen Gleichberechtigung. Über diesen Zusammenhang muss gesprochen werden. Der Gastbeitrag.

Was mir nicht aus dem Kopf geht, ist das Attentat in Halle am Versöhnungsfest Jom Kippur und die ideologische Nähe dieser Tat zu den Attentaten in Christchurch, in Dayton, Ohio, in El Paso, Texas und, allen voran, zu der Attacke auf die Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh, Pennsylvania vor knapp einem Jahr.

Dort hieß es, laut eines Tweets des Attentäters, die Juden seien für „die drohende Invasion“ von Migranten an der mexikanischen Grenze verantwortlich. Dabei nahm der Täter Trumps Anti-Migrationsrhetorik auf und die damit einhergehende Angst vor einer Überfremdung Amerikas. Man erinnert sich auch an die Demonstration von rechtsextremen weißen Rassisten („white supremacists“) in Charlottesville, North Carolina 2017, wo die Parole skandiert wurde: „Die Juden werden uns nicht ersetzen.“

Feminismus - Ursache für den „großen Austausch“

In Halle wurde auch ein Zusammenhang zwischen der angeblichen Überfremdung Europas und dem Judentum hergestellt. Was aber an der Rhetorik des Attentäters besonders auffiel, war die angebliche gleichzeitige Schuld des Feminismus. Frei übersetzt hieß es in seinem selbst auf Englisch aufgenommenen Video: „Mein Name ist Anon, und ich glaube, der Holocaust hat nie stattgefunden, der Feminismus ist an der sinkenden Geburtenrate im Westen schuld, die die Ursache für die Massenimmigration ist, und die Wurzel dieser Probleme ist der Jude.“ Nach dieser Logik sind nicht nur die Juden für den „großen Austausch“ der Europäer verantwortlich, sondern auch der Feminismus, weil er direkt zu einem Bevölkerungsschwund führt.

Wer fragt, wie der Komplex aus Antisemitismus, Ressentiments gegen Einwanderer und Antifeminismus entsteht, stößt auf ein Gefühl bedrohter Männlichkeit. Der Attentäter von Halle soll seiner Mutter mehrfach gesagt haben: „Der weiße Mann zählt nicht mehr.“

Attentäter von Halle: Antifeminismus ist nicht mit Frauenhass gleichzusetzen
Greta Olson ist Professorin für Amerikanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Greta Olson ist Professorin für Amerikanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Greta Olson ist Professorin für Amerikanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. © -

Attentäter von Halle: Antifeminismus ist nicht mit Frauenhass gleichzusetzen

Sein Antifeminismus ist nicht mit Frauenhass gleichzusetzen. Frauen, heißt es in ähnlich gearteten Parolen, müssen geschützt werden. Der schreckliche Neologismus „RapeFugees“ drückt das aus und meint damit, dass (weiße) Frauen vor dunklen, fremden Männern gerettet werden müssten. Eben diese Frauen müssten auch davon abgehalten werden, sich durch die sogenannte Gender-Ideologie und das Voranbringen von LGBTQI-Rechten einer ideologischen Entfremdung zu unterziehen. Dieses „Gender Gaga“ führe zu der angeblichen frühen Sexualisierung von Kindern in den Schulen (sehe AfD-Wahlprogramme in Hessen). Es sind nicht individuelle Frauen, die schuld sind, sondern der Gender-Wahn und das Absterben der traditionellen Familie. Und der Verlust der Männlichkeit.

Damit soll nicht ein Anti-Gender-Denken mit der Bereitschaft gleichgesetzt werden, rassistisch und antisemitisch motivierte Attentate zu verüben, sondern es geht darum, ein rhetorisches Muster hervorzuheben: Frauen sind bedroht, die Familie ist bedroht, Kinder werden nicht mehr betreut von ihren biologischen Müttern, und sie werden mit Sexualkunde frühsexualisiert, sprich queer indoktriniert.

Halle: AfD und die heldenhaft kämpfende Männlichkeit

Im AfD-Programm werden „massenmediale Werbung für Empfängnisverhütung, Abtreibung und homosexuelles Verhalten“ gleichgesetzt. Eine unmittelbare Bedrohung steht bevor, durch Überfremdung, sprich ethnische Heterogenität, die aus dem Verlust der traditionellen Familie aufgrund flexiblerer Genderrollen resultiert. Der einzige Ausweg aus diese Misere ist das Wiederaufblühen einer heldenhaften kämpferischen Männlichkeit.

Auffällig ist die Ähnlichkeit zwischen Trump-Anhängern in der MAGA-Bewegung und dem Männlichkeitsgehabe mancher AfD-Politiker. Björn Höcke meinte 2015 dazu: „Nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft.“ Ähnlich der glühende Trump-Fan Mike Cernovich in einem Vlog 2017: „Amerika war einmal ein maskulines Land. Wahre Amerikaner – wie Trump – lieben den Kampf.“

Nicht nur in Halle werden Bilder instrumentalisiert

Diese Muster sind individuell. Aber es gibt Ähnlichkeiten in den Formen, wie in Ungarn, Polen, Brasilien, Österreich und auch in den USA gegen Feminismus, Gender, die Gender Studies und LGBTQI*-Rechte argumentiert wird und vor allem, wie Bilder bedrohter Kinder oder junger Frauen dabei instrumentalisiert werden. Dass Gender in vielen Köpfen mit Elitarismus gleichgesetzt wird und mit einer überhöhten gesellschaftlichen Kontrolle des privaten Verhaltens sind Themen, die ernstgenommen werden müssen.

Darüber sprechen während der Podiumsdiskussion „Autoritäre Populisten gegen Gender - Trump, Bolsonaro und die AfD“ Dinah Leschzyk, Dorothée de Nève, Greta Olson (alle Uni Gießen) und der Journalist Peter Weissenburger am Donnerstag, 24. Oktober, 18.15 Uhr, in der Aula im Hauptgebäudes der Uni Gießen, Ludwigstraße 23, Gießen.

Im Oktober 2019 wollte ein schwer bewaffneter Mann in Halle in eine Synagoge eindringen. Er scheiterte am Schloss, aber erschoss und verletzte mehrere Menschen auf seiner Flucht. Nun beginnt der Prozess gegen Stephan B. in Magdeburg.

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