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UNIFORMEN Gespinst von einst

aus DER SPIEGEL 23/1962

Bundesdeutschlands Soldaten haben ein jahrelanges zähes Lametta -Ringen gegen störrische Staatsoberhäupter glanzvoll für sich entschieden: In der vergangenen Woche kapitulierte Bundespräsident Lübke nach langem, hinhaltendem Widerstand und bewilligte der Bundeswehr neue Uniformen.

Gleich nach Pfingsten wird sich Restdeutschlands schimmernde Wehr dem Verteidigungsausschuß des Bundestages in den neuen Monturen präsentieren, vor denen die Uniformen der einstigen großdeutschen Wehrmacht nahezu verblassen:

- Sämtliche Offiziere des Heeres und

der Luftwaffe bekommen den goldbestickten Mützenrand, der ihre Marine-Kameraden bereits ziert. Dieser Zackenrand ist schmal bis zum Hauptmann und verbreitert sich ab Major. (Die Generalität bei Heer und Luftwaffe war schon vorher goldbeschirmt.)

- Der Uniformstoff aller Bundeswehr -Monturen wird haltbarer und ansehnlicher. Die Hosen werden dunkler und modisch-enger, die Röcke heller und taillierter.

- Kragen und Schulterklappen erhalten

- wie einst bei der Wehrmacht - eine Paspelierung in den Farben der jeweiligen Waffengattung.

- Die sogenannte Gebirgsjägermütze

bei Heer und Luftwaffe wird durch das Schiffchen von einst ersetzt, »weil die jungen Soldaten das Schiffchen kleidsamer finden« (Bundesverteidigungsministerium).

- Alle Soldaten werden mit einem

schwarzen Lederkoppel ausgerüstet, dessen Schloß der Bundesadler und die Inschrift »Einigkeit-Recht-Freiheit« zieren.

- Die Ausgeh-Schirmmütze der Soldaten wird höher und schmaler.

- Vom Unteroffizier aufwärts kann

sich jeder Bundeswehrangehörige auf eigene Rechnung eine Extra-Uniform bauen lassen. Am Ausgeh-Rock fehlen die oberen Taschen, die unteren Taschen sind schräg aufgesetzt.

- Bei feierlichen Anlässen dürfen Offiziere wieder die silberne Fangschnur ("Affenschaukel") anlegen.

Dieser jüngste Schritt im siegreichen Rückmarsch vom eintönigen Grau des Bundeswehr-Kleides zum traditionell bunten Rock des deutschen Soldaten von einst ist die vorerst letzte Frucht der Restaurationsbemühungen vornehmlich jener reaktivierten Offiziere, die sich wehmütig des Glanzes ihrer alten Wehrmacht-Monturen erinnern.

Die deutschen Uniform-Schöpfer, die im Jahre 1952 den Anzug des künftigen deutschen Soldaten entwarfen, hatten absichtlich auf alle Eigenheiten der großdeutschen Wehrmachtsuniform verzichtet: auf den alten Stahlhelm, die berühmten Knobelbecher, das schwarze Lederkoppel und das graugrüne Tuch.

Bei der ersten Uniform-Schau in der Bundesrepublik präsentierten sich die Soldaten-Mannequins in einer amerikanisierten Kampfuniform in Beige -Olive, die allenfalls im Schnitt an die Kluft der einstigen Fallschirmspringer erinnerte. Stoff- statt Lederkoppel und hohe Schnürstiefel statt der Knobelbecher ergänzten das Manövergewand.

Zur Dienstuniform gehörte ein khakifarbenes Oberteil, das der alten deutschen Feldbluse nur im Schnitt entfernt ähnelte. Vergeblich flehten damals bundesrepublikanische Militärs um die altgewohnten Knobelbecher.

1955 wechselten erstmals Farben und Schnitt: Heer und Luftwaffe stellten sich in schiefergrauen, zweireihigen Röcken und mit runder Tellermütze beim Bundespräsidenten Heuss vor. Die Marine zeigte ihr traditionelles Blau.

Weitere Ausrüstungsgegenstände waren: Schnürschuhe mit Ledergamaschen und ein 1450 Gramm schwerer Stahlhelm, der nach belgischen und amerikanischen Vorbildern zusammengeklempnert war.

Betont schlicht nahm sich allerdings noch der Zierat aus. Eine schwarzrotgoldene Kokarde schmückte die Mützen, darunter blinkten blechern die Abzeichen des jeweiligen Bundeswehrteils: Zwei gekreuzte Säbel bezeichneten das Heer, eine Schwinge die Luftwaffe und ein Anker die Marine.

Am Revers des Uniformrockes trugen die Soldaten das Abzeichen ihrer Truppengattung in altgoldfarbenem Metall: Zwei gekreuzte Gewehre, einen Panzer oder einen Schild mit Fernmeldeblitzen.

Ähnlich zurückhaltend war man mit den Rangabzeichen. Streifen bestimmten die Mannschaftsdienstgrade, Winkel gehörten zu den Unteroffizieren, und das Offizierkorps bekam Sterne auf die wollenen Schulterklappen.

Mäkelte die »Deutsche Soldaten-Zeitung": »Diese Uniformen haben nichts mit der ruhmreichen deutschen soldatischen Tradition zu tun.« Die für den Zauber militärischer Prachtentfaltung von jeher empfänglichen Deutschen nannten ihre aschgrauen Verteidiger »Luftschutzwarte« oder »Liftboys«.

Die Offiziere dachten nicht viel anders. Im Hause des damals amtierenden ersten Verteidigungsministers Theo Blank drängten sie im Januar 1956 auf Verschönerungen. Aus der Ermekeil -Kaserne kam jedoch ein vorschnelles Dementi: Eine Revision der Bundeswehr-Uniformen sei keineswegs geplant.

Indes, innerhalb kurzer Zeit gab das Ministerium Blank nacheinander mehrere »kleinere Änderungen« bekannt: Zunächst wurden die Mützen höher, oval und somit - nach Meinung der Offiziere - flotter. Gleichzeitig glänzten wieder Schultersterne der Offiziere, allerdings noch nicht auf den alten Schulterstücken.

Wenig später wurde aus dem zweireihigen grauen Rock ein modischer Einreiher. Freilich: Die größte Freude machte es den Montur-Fans der Bundeswehr, als die metallenen Waffenabzeichen am Revers durch die gewohnten farbigen Kragenspiegel ersetzt wurden.

Sie waren überwiegend in den Traditionsfarben der alten Wehrmacht gehalten. Knallrot prunkte die Artillerie, schwarz gaben sich die Pioniere, hellgrün leuchteten die Kragen der Panzergrenadiere, und jägergrün schimmerte es von den Hälsen der Infanterie. Das traditionelle Gespinst in Kolbenstickerei für Generalsoffiziere erregte die damals noch straff antimilitaristische SPD: Die Änderungen seien ein Symbol dafür, »daß in die Bundeswehr immer mehr vom alten Geist der großdeutschen Wehrmacht einzieht«.

In der Tat machte man wieder

feine Unterschiede: Die Spiegel der Offiziere wurden bestickt, die der Unteroffiziere und Mannschaften nur gewebt.

Als Theo Blank von Franz-Josef Strauß aus München abgelöst wurde, wußte der neue Bundesmarschall sehr bald, wie er sich die Zuneigung der anfangs zurückhaltenden Bundeswehr -Chargen erobern konnte: Ihre Lametta -Lamentos fanden seine wohlwollende Aufmerksamkeit.

Prompt erhielt die Truppe neue Stahlhelme mit geschwungenem Rand, die an die alten wehrmachtdeutschen Fallschirmjäger-Helme erinnerten. Wenig später, im Frühjahr 1957, wurden die Knobelbecher, ein wenig modernisiert, in den Kleiderkammern der Bundeswehr gestapelt. Franz-Josef Strauß führte den gummibesohlten »demokratischen Kampfstiefel mit Lasche« ein.

Auch sonst bedachte Franz-Josef Strauß seine Waffenträger mit Schmuck: Das Edelweiß zierte die Gebirgstruppe, die silberne Doppelschwinge die Fallschirmjäger, und ein Fallschirm zeichnete die Luftlandetruppen aus.

Ende 1957 schließlich begann der rollende Einsatz aller Waffenträger im Kampf um die alten Kommiß-Klamotten: Die Generalstabsoffiziere wollten ihre roten Striemen an den Büxen wiederhaben, andere Offiziere gelüstete es nach Reithosen und Reitstiefeln. Landesvater Heuss, dem die Lametta -Wünsche der Staatsbürger in Offiziers -Uniform ohnehin ein Greuel waren, lehnte entsetzt ab.

Die Luftwaffe legte sich darauf eigenmächtig die alten gelben Kragenspiegel zu, die Heuss nachträglich murrend genehmigte.

Die Marine, nicht gewillt, sich ausstechen zu lassen, erbat im Dezember 1957 den alten Dolch und den goldenen Schirmrand für die dunkelblaue Mütze. Begründung der Küstenbewacher: Der Helmschmuck der anderen Nato-Offiziere sei wesentlich attraktiver. Die Marine bekam ihren Rand, den Dolch aber bislang nicht.

Kaum ein Jahr später wärmten Baskenmützen wieder die Häupter der Panzermänner. Der Stahlhelm wurde noch einmal umgebogen, und die Gebirgsjäger kraxelten wie einst in zünftigen Keilhosen.

Die meisten Änderungen waren zuvor vom Strauß-Ministerium energisch dementiert und dann auf Vorschlag des Strauß-Ministeriums im Bundespräsidialamt vom widerstrebenden Bundespräsidenten Heuss genehmigt worden.

1959 wurde auch der Kampfanzug der Bundeswehr umgemodelt. Statt der grünbraun gefleckten Montur trug man jetzt einen jägergrünen Schlachtenkittel. Das Schiffchen wurde durch eine Arbeitsmütze mit weichem Schirm ersetzt. Im Juni desselben Jahres kamen die Unteroffiziere auch wieder zu ihren Tressen. Von nun an konnte kein Offizier mehr von einem uniformunkundigen Zivilisten für einen Subalternen gehalten werden.

Triumphierte die »Deutsche Soldaten -Zeitung": »Schritt für Schritt findet die Bundeswehr den Weg zur alten deutschen Uniform zurück.«

Tatsächlich fehlte zu den sechs deutschen Militärtrachten - Dienst-, Ausgeh-, Kampf-, Arbeits-, Sommer- und Sportanzug - nur noch die siebte Montur, das Glanzstück des Offiziers: der militärische Gesellschaftsanzug.

Die Offiziere der Bundeswehr mochten die Gala-Kluft im Kleiderschrank nicht missen, stießen im Bundesverteidigungsministerium jedoch auf Widerstand. Strauß sagte zunächst nein. Und Referent Dr. Schröder vom Führungsstab der Bundeswehr erklärte noch im Sommer 1960, »Ausgehfräcke« seien nicht vorgesehen.

Zu Beginn des Wahljahres 1961 nahmen die höheren Waffenträger ihre Frack-Offensive wieder auf; diesmal mit einem Teilerfolg. Im Bundespräsidialamt landete ein Antrag aus, dem Strauß-Ministerium: Die Gala-Uniform sei schlechthin unerläßlich.

Der Leutnant des Ersten Weltkrieges Heinrich Lübke zeigte für diese gesellschaftliche Ambition noch immer keine Sympathie. Minister Strauß jedoch ließ nicht locker, bis es ihm in der vergangenen Woche gelang, den Aschenbrödel -Komplex seiner Truppe - zumindest für die nächste Zeit - auszuräumen.

Noch bevor das neue Straußsche Gala -Paket in den Kleiderkammern der Bundeswehr vorrätig sein wird, dürfte eine andere Uniform-Zier bereits verteilt sein, die allerdings weniger die Galasucht befriedigen, sondern angeblich der Kampfmoral dienen soll.

In wenigen Wochen werden alle Soldaten des Bundesheeres ein Ärmelabzeichen tragen, das die militärische Heimat des Trägers auf den ersten Blick erkennen läßt. Die Abzeichen (Herstellungskosten: 500 000 Mark) zeigen Motive, die jeweils der bodenständigen Heraldik entnommen sind.

Schon dieser vergleichsweise unauffällige Farbtupfen auf dem Ärmel hatte die Truppe dankbar und glücklich gestimmt. Die neuen Abzeichen, rühmte Generalmajor Hansen, Befehlshaber im Wehrbereich IV, seien Sinnbild der Verwurzelung in der Heimat und »eines der stärksten Elemente im Kalten Krieg«.

Offiziers-Gala 1962 (Heer)

Zur Soiree die Affenschaukel

Heeres-Ausgehuniform 1962

Die Bundeswehr siegte ...

... in der Lametta-Schlacht: Heeres-Ausgehuniformen 1955, Frühjahr 1957, Herbst 1957

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