Absage wegen Corona: Die Folgen für den Comic-Salon

19.5.2020, 06:00 Uhr
Absage wegen Corona: Die Folgen für den Comic-Salon

Schon seit geraumer Zeit steht fest: Auch der diesjährige Internationale Comic-Salon Erlangen, der vom 11. bis 14. Juni zum 19. Mal hätte stattfinden sollen, fällt der Corona-Pandemie zum Opfer. Bodo Birk, verantwortlicher Festivalleiter im Kulturamt Erlangen, erläutert im Gespräch mit den Erlanger Nachrichten die diversen Folgen dieser Absage und gibt Ausblicke in die Zukunft.



Herr Birk, war die Absage des Internationalen Comic-Salons ab einem bestimmten Zeitpunkt absehbar? Ab wann hat man im Kulturamt selbst nicht mehr mit der Durchführung der Veranstaltung gerechnet? Konnte man bestimmte Dinge im Vorfeld noch stoppen?

Weil der Internationale Comic-Salon für die Comic-Branche ungeheuer wichtig ist und die Verlage ihr gesamtes Jahresprogramm auf Erlangen ausrichten, hatten wir relativ lange an unseren Planungen festgehalten. Wir wollten auf keinen Fall riskieren, zu früh die Planungen einzustellen. Allerdings haben uns die Einschränkungen im Reiseverkehr und die Reduzierung von Kontakten Mitte März zu einem Zeitpunkt getroffen, an dem wir noch mitten in der inhaltlichen Arbeit waren. Treffen mit Kuratorinnen und Kuratoren, Besuche bei Künstlerinnen und Künstlern, um Zeichnungen auszusuchen, Ortstermine mit Ausstellungsdesignern, das sind alles Dinge, die kaum in Form von Videokonferenzen umzusetzen sind. Wir mussten daher schon relativ bald erkennen, dass einzelne Projekte nicht mehr umzusetzen sind.

Hinzu kam auch schon im März die Erkenntnis, dass auch die Verlage in ihren Vorbereitungen erheblich beeinträchtigt sind, weil sie beispielsweise keine internationalen Reisen für Künstlerinnen und Künstler mehr planen konnten. Um den Salon nicht ganz absagen zu müssen, haben wir im April dann versucht, gemeinsam mit den Ausstellern, den Künstlerinnen und Künstlern und den wichtigsten Kooperationspartnern einen Ersatztermin im Herbst zu finden. Erst mit dem Verbot von Großveranstaltungen bis mindestens 31. August war klar, dass es viel zu riskant wäre, einen Ersatztermin im September oder Oktober anzusetzen. Deshalb erfolgte dann die endgültige Absage.

Richtig stoppen – im Sinne von ,ohne Konsequenzen‘ – kann man zwei Monate vor einem Festival natürlich kaum noch etwas. Wir mussten dann vielmehr versuchen, die laufenden Projekte sinnvoll so abzuarbeiten, dass möglichst wenig investierte Arbeitskraft und ausgegebenes Geld umsonst gewesen sind. Diese Phase ist auch noch nicht abgeschlossen.

Absage wegen Corona: Die Folgen für den Comic-Salon

© Foto: Peter Roggenthin

Nun ist die Rückabwicklung in vollem Gange. Was wurde bis dato veranstaltungstechnisch gesehen bereits vertraglich festgezurrt, was muss jetzt alles im Einzelnen getan werden, um die Sache wieder zu ,entzurren‘?

In den letzten zwei Wochen haben wir uns damit befasst, welche Programmbestandteile man sinnvoll-erweise um zwei Jahre verschieben kann, welche in abgewandelter Form trotzdem stattfinden und welche Projekte in anderen Zusammenhängen realisiert werden können. Wir versuchen, einzelne Aktivitäten ins Netz zu verlegen, Ausstellungen, die in zwei Jahren vielleicht nicht mehr aktuell wären, auf Wanderschaft zu schicken, einzelne Aktivitäten beispielsweise im Rahmen eines vielleicht in abgewandelter Form möglichen Poetenfests zu realisieren und so weiter. Den Max und Moritz-Preis zum Beispiel werden wir in diesem Jahr trotzdem vergeben, wenn auch ohne klassische Preisverleihung. Bei allen Umplanungen ist es für uns wichtig, den Künstlerinnen und Künstlern, den freien Kuratorinnen und Kuratoren und anderen Selbstständigen, mit denen wir zusammenarbeiten, nicht die Existenzgrundlage zu entziehen.

Als wie hoch beziffern Sie allein den finanziellen Schaden, der durch die Absage entstanden ist? Was bedeutet die Absage für die Stadt und den städtischen Kulturkalender?

Durch die beschriebene Vorgehensweise wird es uns gelingen, den finanziellen Schaden für die Stadt selbst relativ gering zu halten. Den Schaden für die Branche kann ich schwer beziffern. Es werden sicherlich viele Tausend Bücher weniger verkauft werden. Das sind nicht nur die Verkäufe auf dem Salon selbst, sondern vielmehr die Einbußen im Laufe der nächsten Wochen und Monate, weil die Aufmerksamkeit, die der Internationale Comic-Salon für bestimmte Themen und Neuerscheinungen generieren kann, einfach fehlt. Und dann sind da die Einbußen in der Erlanger Gastronomie, in den Hotels und beim Einzelhandel. Natürlich hat die Stadt Erlangen mit dem Comic-Salon die größte Kulturveranstaltung des Jahres absagen müssen. Aber im Vergleich zum Herunterfahren des gesamten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, von den gesundheitlichen Fragen einmal ganz abgesehen, ist der Ausfall eines viertägigen Festivals bestimmt nicht der größte Schaden.

Wie heftig trifft die Absage Ihrer Meinung nach die Comic-Verlage, wie sehr die Comic-Künstler, die von ihrer Kunst leben müssen und für die der Internationale Comic-Salon seit vielen Jahren eine extrem wichtige Präsentationsplattform ist?

Die Absage des Internationalen Comic-Salons ist für die Verlage und die Künstlerinnen und Künstler ein extremer Einschnitt. Dabei mag ich gar nicht darüber spekulieren, ob der langfristige materielle Schaden schlimmer ist, oder der ideelle. Comics sind in Deutschland eine Nische des Literaturbetriebs. Wenn man Geld verdienen möchte, dann beschäftigt man sich besser mit anderen Dingen. Verlegerinnen und Verleger sowie Künstlerinnen und Künstler leben und arbeiten in Deutschland vielfach unter prekären Verhältnissen. In Erlangen treffen sie alle zwei Jahre auf Gleichgesinnte, können sich austauschen, ihren Leserinnen und Lesern begegnen und spüren, dass es Menschen gibt, für die Comics etwas Wichtiges sind. Wahrzunehmen, dass die Comic-Kunst als bedeutend empfunden wird, von den Besucherinnen und Besuchern, den Medien und nicht zuletzt von der Stadt Erlangen, das ist für die Szene vielleicht der wichtigste Aspekt am Internationalen Comic-Salon.

Der letzte Comic-Salon vor zwei Jahren erwies sich als großer Publikumserfolg, nicht zuletzt durch seine Verlegung von der Ladeshalle in die zentrale Innenstadt. Jetzt liegen dann, wegen des zweijährigen Turnus, ganze vier Jahre zwischen den Salons. Wird man den Flow von 2018 beibehalten können?

Der Abstand bis zum nächsten Salon ist natürlich schon groß. Wir sind aber überzeugt davon, dass es gelingt, die Stimmung zu erhalten. Das positive Feedback, das wir aus der Szene bekommen, weil wir miteinander um den Salon gerungen haben und wegen unserer Projekte, die wir gestartet haben, um die Comic-Kunst weiter zu würdigen, wie beispielsweise der Comic-Blog "Zeich(n)en aus dem Homeoffice" oder unser "Kinder lieben Comics: Oster Spezial" auf www.comic-salon.de, all das stimmt uns zuversichtlich. Und wir bekommen viele Mails von Leuten, die schreiben, dass sie sich jetzt ganz besonders auf den Salon in zwei Jahren freuen.

Nur mal so spekuliert: Wäre vor 2022 ein kleineres Comic-Event wünschenswert und/oder denkbar?

Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, ob man den 19. Internationalen Comic-Salon im nächsten Jahr nachholen könnte. Allerdings steht im nächsten Jahr wieder das Internationale Figurentheater-Festival an, an dem ja vier Städte beteiligt sind und das bei der Bewerbung Nürnbergs zur Kulturhauptstadt Europas 2025 eine Rolle spielt. Außerdem findet in den Jahren ohne Comic-Salon das Comicfestival München statt. Das ist zwar erheblich kleiner als der Erlanger Salon, kann aber nicht übergangen werden. Kleinere Formate aber, auch Ausstellungen, Veranstaltungen beim Poetenfest und so weiter wird es sicherlich geben. Das sind wir den Comic-Fans in Erlangen und der Comic-Szene schuldig.


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