Lehrerin will Verbreitung intimen Schülervideos verhindern – Anklage

Eine Lehrerin wollte verhindern, dass sich ein intimes Handy-Video einer 13-jährigen Schülerin online weiter verbreitet. Nun droht ihr mindestens ein Jahr Haft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1097 Kommentare lesen
 Statue der blinden Justizia mit Waage

(Bild: Wirestock Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Das von der Großen Koalition im Jahr 2021 verschärfte Sexualstrafrecht bei "Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte" schlägt weiter Wellen. Jetzt traf es eine Lehrerin aus dem Westerwald, die verhindern wollte, dass ein intimes Handyvideo einer 13-jährigen Schülerin im Internet weiterverbreitet wird und sich die Aufnahmen auf ihr eigenes Handy laden ließ. Die Staatsanwaltschaft Koblenz sah sich angesichts der Rechtslage gezwungen, Anklage zu erheben. Der Pädagogin droht nun eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr sowie der Verlust ihres Beamtenstatus und ihres Arbeitsplatzes.

Die 13-Jährige habe das Video von sich zunächst ihrem Freund geschickt, berichten der SWR und die Rhein-Zeitung über den Fall. Dieser habe es weitergesendet, sodass die freizügigen Bewegtbilder an der Schule bereits die Runde machten. Die Lehrerin wollte das Material den Berichten zufolge zunächst auf ihrem Smartphone sichten und die Mutter des Mädchens informieren. Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler erklärte, ihm seien die Hände gebunden. Eine Ausnahme, etwa zur Hilfeleistung, sehe der verschärfte Paragraf 184b Strafgesetzbuch (StGB) nicht vor. Juristisch korrekt wäre es gewesen, die Frau hätte sich das Video nicht schicken lassen, sondern direkt die Polizei informiert.

Anliegen von Schwarz-Rot bei der StGB-Reform war es, auch die mittelbare Förderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch die Verbreitung entsprechender Darstellungen härter zu sanktionieren. Der Gesetzgeber stufte dazu nahezu alle in der Vorschrift enthaltenen Varianten zu einer Straftat mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr hoch. Ermittler haben damit im Unterschied zu minderschweren Vergehen keine Wahl mehr: Sie müssen auch jeden noch so kleinen Schulhof-Fall vor Gericht bringen.

Mittlerweile zeigen sich die negativen Auswirkungen der nicht hinreichend differenzierten Gesetzesbestimmung zunehmend in der Praxis. Die brandenburgische Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) etwa verwies daher schon vor einigen Monaten darauf, dass so etwa auch ein nicht rechtzeitiges Löschen eines ungewollt empfangenen Bildes mit einem Missbrauchsinhalt etwa in einer WhatsApp-Gruppe oder das Speichern einer solchen Aufnahme durch Aufsichtspersonen wie Eltern, Lehrern oder Betreuer erfasst würden. Selbst von Strafverfolgern hagelt es seit einiger Zeit Kritik. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) nahm die Lehrerin in Schutz: Sie habe sich so verhalten, wie Eltern es erwarteten.

Die Justizministerkonferenz hat sich daher im November auf Antrag Brandenburgs einstimmig dafür ausgesprochen, Paragraf 184b StGB zu korrigieren. Demnach soll "für den Besitz von Kinderpornographie eine Herabstufung zu einem Vergehen oder für deren Verbreitung zumindest eine Regelung für minder schwere Fälle erfolgen". Das Gesetz sei gut gemeint, aber schlecht gemacht, hat auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hervorgehoben. Aus Kreisen der Bundesregierung erfuhr der SWR, es sei geplant, den umkämpften Paragrafen noch in diesem Jahr anzupassen. Im April hat sich auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dafür ausgesprochen, die Gesetzesverschärfung zu korrigieren. Eine schnelle Novelle des Paragrafen könnte der betroffenen Lehrerin möglicherweise vor Gericht noch aus der Patsche helfen.

(mki)