Heftige Vorwürfe gegen abgelehnte Asylbewerber: Das ist wirklich dran an Merz’ Zahnarzt-Satz

Der CDU-Chef provoziert

Friedrich Merz: Der CDU-Chef provoziert

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Was hat der CDU-Chef mit diesem Satz gemeint?

Im WELT-Talk sagte Friedrich Merz (67) wörtlich über abgelehnte Asylbewerber: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“

Stimmt das?

Fakt ist zunächst: Asylbewerber und Geduldete bekommen erst nach 18 Monaten Aufenthalt Zahnarzt-Termine – wie fast jedermann.

▶︎ In den ersten 18 Monaten sind Asylbewerber noch nicht krankenversichert (Paragraf 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetzes). Da steht: „Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.“

Klingt nicht nach Luxus-Behandlungen wie „Zähne neu machen lassen“, wie es Friedrich Merz ausdrückte.

▶︎ Dann, nach 18 Monaten, erhalten Asylbewerber und Geduldete eine „Gesundheitskarte für Flüchtlinge“ und damit Zugang zu medizinischer Versorgung, ähnlich zu denen der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kosten trägt das Sozialamt, eine tatsächliche Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung besteht nicht.

▶︎ Erst, wenn Migranten einen Aufenthaltstitel erhalten haben, werden sie auch Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung, da in Deutschland Versicherungspflicht besteht. Sie hätten damit auch Anspruch auf die Versorgungsleistungen der gesetzlichen Krankenkasse.

ABER: Dass „die deutschen Bürger nebendran“ keine Termine kriegen würden, weil auch abgelehnte Asylbewerber unter Umständen eine zahnmedizinische Behandlung bekommen, dafür gibt es keinen Beleg.

Die Unionsfraktion verbreitete die Aussage ihres Chefs auch auf der Plattform X, vormals Twitter. Merz sagte zuvor auch: „Wir müssen über die Pull-Faktoren sprechen, die hier in Deutschland wirken. Wir haben massive Faktoren, die dazu führen, dass über 30 Prozent der Asylbewerber aus ganz Europa nach Deutschland kommen“. Mit Pull-Faktoren meint Merz Anreize für Migranten, nach Deutschland zu kommen.

Ende 2022 lebten in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 304 308 ausreisepflichtige Ausländer, davon waren 248 145 geduldet. Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können – etwa wegen fehlender Ausweispapiere, mangelnder Kooperation des Herkunftsstaates oder einer Krankheit. Duldungen sind immer befristet.

Reaktionen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD-Spitzenkandidatin für die Hessen-Wahl in eineinhalb Wochen, widersprach umgehend. „Das ist erbärmlicher Populismus auf dem Rücken der Schwächsten. Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD“, schrieb sie auf X. „Und es ist falsch: Denn Asylsuchende werden nur behandelt, wenn sie akut erkrankt sind oder unter Schmerzen leiden.“

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang äußerte sich ähnlich wie Faeser. „Friedrich Merz spielt ganz bewusst Gruppen gegeneinander aus, verbreitet dabei Falschinformationen. So wird kein einziges Problem gelöst, aber Hass geschürt“, schrieb sie auf X. Das sei eines „Vorsitzenden einer Volkspartei unwürdig“.

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