Normalos bei Bundesversammlung: Wir wählen heute für Deutschland

Sie dürfen den Bundespräsidenten wählen: Rentnerin Karla Spagerer (92), Polizeioberkommissarin Doreen Denstädt (44) und Schwester Maria Hanna Löhlein (55)

Sie dürfen den Bundespräsidenten wählen: Rentnerin Karla Spagerer (92), Polizeioberkommissarin Doreen Denstädt (44) und Schwester Maria Hanna Löhlein (55)

Foto: Sascha Baumann / all4foto.de, Jacob Schröter, Uwe Anspach/dpa
Von: Sascha Baumann, Thomas Block, Michaela Klauer

Es ist die feierlichste Abstimmung unserer Demokratie und der Gewinner steht (diesmal) schon vorher fest: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll am Sonntag unter Corona-Bedingungen für eine zweite Amtszeit gewählt werden.

Alle fünf Jahre kommt die Bundesversammlung im Bundestag zusammen. In diesem Jahr besteht sie aus 1472 Vertretern aus Politik und Gesellschaft: Bundestags­abgeordnete und ehemalige Spitzenpolitiker, Prominente und Normalbürger, Sportler und Wissenschaftler.

Sie haben die Wahl zwischen:

► Amtsinhaber Steinmeier (66). Er hat die Rückendeckung von SPD, Grünen, FDP und Union, dürfte also im ersten Wahlgang locker die erforderliche Mehrheit von 737 Stimmen bekommen.

► Dem von der Linken nominierten Mediziner Gerhard Trabert (65).

► Dem Ökonomen und Ex-Vorsitzenden der Werte Union Max Otte (57), der von der AfD ins Rennen geschickt wurde. Gegen das CDU-Mitglied läuft jetzt ein Parteiausschlussverfahren.

► Der Physikerin Stefanie Gebauer (41), die für die Freien Wähler antritt.

Weil der Plenarsaal im Reichstag wegen Corona zu eng ist, weicht die Bundesversammlung auf das benachbarte Paul-Löbe-Haus (acht Stockwerke, 21 Sitzungssäle, 1000 Büros) aus. Die Wahlleute werden dort auf mehreren Ebenen platziert – viele von ihnen werden daher den bisherigen und voraussichtlich neuen Bundespräsidenten nur auf dem Bildschirm zu sehen bekommen.

Teaser-Bild

Foto: BILD

„Mir blieb die Spucke weg“

Karla Spagerer

Karla Spagerer

Foto: Uwe Anspach/dpa

Karla Spagerer (92) aus Mannheim ist die älteste Teilnehmerin der Bundesversammlung.

Als die SPD ihr die frohe Kunde überbrachte, sei sie wie vom Donner gerührt gewesen. „Da ist mir die Spucke weggeblieben, das passiert mir nicht oft“, sagt sie. Spagerer ist die einzige Zeitzeugin aus der NS-Zeit, die heute mit wählt.

Ihre Stimme gibt sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Das ist ein sehr angenehmer Mann.“

„Ich nehme das Ahrtal mit nach Berlin“

Jörg Meyrer

Jörg Meyrer

Foto: Peter Mueller

Jörg Meyrer (58), katholischer Pfarrer in Bad Neuenahr-Ahrweiler:

„Für mich ist es eine große Ehre, das Ahrtal und all die Menschen, die von der unfassbaren Flutkatastrophe im Sommer betroffen sind, mit nach Berlin in die Bundesversammlung zu nehmen.

Frank-Walter Steinmeier hat dem Amt des Bundespräsidenten als Brückenbauer und mutiger Mahner seine persönliche Note eingeprägt.“

„Ich will mit Scholz reden“

Maria Hanna Löhlein

Maria Hanna Löhlein

Foto: Sascha Baumann / all4foto.de

Generaloberin Schwester Maria Hanna Löhlein (55) aus dem Kloster Reute (Baden-Württemberg):

„Als die CDU mich im Dezember gefragt hat, habe ich sofort freudig ja gesagt. Ich finde es wichtig, dass eine Frau aus der Kirche gefragt worden ist. Da werde ich gern ein neues, weibliches Gesicht von der Kirche zeigen.

Mit Olaf Scholz würde ich gern darüber sprechen, was für Möglichkeiten es gibt, wieder Brücken zueinander zu schlagen.“

„Vergesst uns nicht!“

Anna Elbert

Anna Elbert

Foto: Thomas Wieck

Anna Elbert (31), Intensivpflegerin an der Uniklinik Homburg:

„Für mich ist der Besuch der Bundesversammlung eine große Ehre und ich finde es sehr gut, dass dort so viele aus unserer Berufsgruppe vertreten sein werden.

Ich hoffe nur, dass die Politik das Gesundheitswesen auch im Nachgang nicht aus den Augen verliert und nach zwei Jahren Pandemie endlich erkennt, dass sich hier gravierende Dinge verändern müssen und das schnell.“

„Der Bundespräsident sollte präsenter sein“

Doreen Denstädt

Doreen Denstädt

Foto: Jacob Schröter

Polizeioberkommissarin Doreen Denstädt (44) aus Erfurt:

„Für mich fühlt es sich überwältigend an, Teil der Bundesversammlung sein zu dürfen. Sie ist nicht nur das größte, sondern auch das wohl vielseitigste politische Organ in Deutschland.

Vom künftigen Bundespräsidenten wünsche ich mir mehr Präsenz. Die Pandemie hat uns allen unsere Verletzlichkeit aufgezeigt. Ein Staatsoberhaupt sollte da Sicherheit vermitteln.“

„Überzeugte Provinzlerin“

Claudia Theobald

Claudia Theobald

Foto: Reinhard Roskaritz

Claudia Theobald (53), Erzieherin aus Haßloch (Rheinland-Pfalz):

„Als die CDU bei mir anrief und fragte, ob ich mir vorstellen kann, an der Wahl teilzunehmen, habe ich sofort zugesagt. Ich bin überzeugte Provinzlerin und freue mich sehr auf die Begegnungen und darauf, unsere Arbeit dort zu repräsentieren.

Ich wähle Steinmeier – weil er sich bewährt hat. Und: weil er staatsmännisch auftritt.“

„Freue mich auf Top-Politiker“

Dominik Eggert

Dominik Eggert

Foto: Andreas Costanzo

Dominik Eggert (18) aus Seedorf (Schleswig-Holstein), Azubi zum Speditionskaufmann:

„Bei uns in der Jugend-feuerwehr Schaalsee wurde von der Initiative ,Jugend im Landtag‘ gefragt, wer Lust auf die Bundesversammlung hätte. Wir sind rund 30 Jugendliche, aber davon sind nicht viele über 18, deshalb landete die Anfrage schnell bei mir.

Ich freue mich, auf all die Spitzenpolitiker zu treffen.“

„Anerkennung für meinen Job“

Bianca Hoff

Bianca Hoff

Foto: Thomas Spikermann

Bianca Hoff (47), leitende Hygienefachkraft in den Ruppiner Kliniken (Neuruppin):

„Als die Linke in Brandenburg mich gefragt hat, ob ich nicht Lust hätte, den Bundespräsidenten zu wählen, war ich natürlich erst mal baff. Das ist eine große Ehre und eine tolle Anerkennung für meinen ganzen Berufsstand.

Frank-Walter Steinmeier hat seinen Job als Bundespräsident wirklich gut gemacht. Ich finde es aber auch gut, dass es mehrere Kandidaten gibt.“

„Steinmeier ist ein Vorbild“

Wiebke Exner

Wiebke Exner

Foto: Andreas Costanzo

Wiebke Exner (48) aus Glinde (Schleswig-Holstein), seit 32 Jahren Friseurin im Salon „Mebrius“:

„Meine Chefin hat mich vorgeschlagen, als die SPD nach normalen Leuten gesucht hat, die im Berufsleben stehen und von Corona beeinträchtigt waren. Als Normalo in so eine Sache reinzukommen, ist wie ein Sechser im Lotto, das ist etwas ganz Besonderes.

Herr Steinmeier ist ein Vorbild für mich, den wähle ich guten Gewissens.“

„Mit der Familie nach Berlin“

Lynn Boysen

Lynn Boysen

Foto: Andreas Costanzo

Lynn Boysen (20) aus Kiel, Azubi zur Krankenschwester:

„So eine Chance bekommt man nicht oft im Leben, vielleicht nie mehr. Deswegen habe ich zugesagt, als die SPD-Fraktion aus Kiel auf mich zugekommen ist. Ich bin in keiner Partei. Ich freue mich sehr auf den Tag.

Das wird bestimmt sehr aufregend, da sind so viele bekannte Leute. Meine Familie begleitet mich, wir machen ein Berlin-Wochenende draus.“

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