
Präsenzpflicht auf dem Rückzug – Homeoffice bleibt gefragt
Fünf Jahre nach dem Corona-Lockdown zeigt die neue Erhebung der Konstanzer Homeoffice Studie: Der Trend geht nicht zurück ins Büro – sondern hin zu flexiblen Arbeitsmodellen. Unternehmen, die dennoch auf eine starre Präsenzpflicht setzen, riskieren dabei Erschöpfung und Unzufriedenheit unter ihren Mitarbeitenden – ohne nachweisbaren Produktivitätsgewinn.
Trotz öffentlicher Debatten und prominenter Beispiele bleibt eine generelle Rückkehr zur Präsenzpflicht in Deutschland aus. Das zeigt die aktuelle Konstanzer Homeoffice Studie, die nun im fünften Jahr in Folge zentrale Entwicklungen rund um das mobile Arbeiten untersucht. Nur noch 19 Prozent der Beschäftigten berichten von einer verschärften Präsenzpflicht in ihrem Unternehmen – ein Rückgang gegenüber 22 Prozent im Jahr 2024. Eine komplette Rückkehr ins Büro an allen fünf Wochentagen ist sogar nur bei acht Prozent der Befragten Realität.
Gleichzeitig machen die Studienergebnisse deutlich: Wer zu mehr Präsenz im Büro verpflichtet wird, fühlt sich emotional deutlich erschöpfter – und das ohne einen messbaren Produktivitätsgewinn. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass Präsenzpflicht oft mehr schadet als nützt“, erklärt Florian Kunze, Leiter der Studie und Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz. Kilian Hampel, Senior Research Fellow am Future of Work Lab und Ko-Autor der Studie, ergänzt: „Vor allem in krisenanfälligen Unternehmen wird Büropräsenz offenbar gezielt als Strategie eingesetzt, um Personal zu reduzieren – nach dem Motto: Wer nicht ins Büro will, geht eben.“
Homeoffice bleibt Standard – für Beschäftigte und BewerberInnen
Der Wunsch nach mobilem Arbeiten bleibt auch fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie hoch: Im Durchschnitt möchten Beschäftigte an knapp drei Tagen pro Woche im Homeoffice arbeiten – bei Führungskräften liegt der Wert nur leicht darunter. Drei Viertel aller Befragten bevorzugen hybride Arbeitsmodelle. Ein eindeutiger Trend auch für die Personalgewinnung: Für 71 Prozent der Befragten ist die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten ein zentrales Kriterium bei der Jobsuche – ein Rekordwert.
„Mobiles Arbeiten ist längst kein Nice-to-have mehr, sondern ein wichtiger Faktor zur Arbeitszufriedenheit“, betont Kunze. „Unternehmen, die das nicht anbieten, verlieren im Wettberwerb um die Rekrutierung und Bindung von Fachkräften.“
Führungskräfte im Wandel: Präsenzpflicht verliert Rückhalt
Bemerkenswert ist auch der Wandel in der Haltung von Führungskräften: Nur noch 24 Prozent befürchten Kommunikationsprobleme durch mobiles Arbeiten – halb so viele wie noch im Vorjahr. Selbst der Wunsch nach mehr Präsenzpflicht ist unter Führungskräften um acht Prozentpunkte gesunken. „Die Führungskultur in Deutschland verändert sich sichtbar und die Skepsis gegenüber mobilem Arbeiten sinkt“, so Kunze. „Hybride Arbeitsmodelle werden professioneller gestaltet und zunehmend akzeptiert.“
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: Kunze, F. und Hampel, K. (2025). Zwischen Präsenzpflicht und Homeoffice-Euphorie. Stand des mobilen Arbeitens fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie. Konstanzer Homeoffice Studie Ergebnisreport April 2025, Universität Konstanz.
- Autoren:
- Florian Kunze ist Professor für Organizational Behavior und Leiter des Future of Work Lab Konstanz am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz sowie Mitglied des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Er forscht zu Digitalisierung und neuen Formen der Arbeit, zum demographischen Wandel in öffentlichen und privaten Organisationen und effektivem Führungsverhalten.
- Kilian Hampel ist Senior Research Fellow an der Professur für Organizational Behavior und arbeitet am Future of Work Lab Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der digitalen Transformation der Arbeitswelt und Altersunterschieden am Arbeitsplatz.
- Die Online-Befragung wurde über das Online-Umfrageinstitut Bilendi/Respondi durchgeführt und umfasste bisher 18 Befragungszeitpunkte. An der jüngsten Befragungswelle (14.-20.03.2025) nahmen 1.007 Personen teil. Diese bilden die Erwerbsbevölkerung mit Bürotätigkeiten repräsentativ nach Alter und Geschlecht ab.
- Die Umfrage ging aus dem Projekt „Digitalisierung, Automatisierung und die Zukunft der Arbeit in postindustriellen Wohlfahrtsstaaten“ am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz hervor.
- Der Exzellenzcluster „The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz erforscht aus interdisziplinärer Perspektive die politischen Ursachen und Folgen von Ungleichheit. Die Forschung widmet sich einigen der drängendsten Themen unserer Zeit: Zugang zu und Verteilung von (ökonomischen) Ressourcen, der weltweite Aufstieg von PopulistInnen, Klimawandel und ungerecht verteilte Bildungschancen.


