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Internationales Forscherteam Ohne Klimawandel hätte es die Juli-Hitze nicht gegeben

Im Sommer ist es schon mal heiß, klar. Aber wenn es so oft so heiß ist wie zuletzt - woran liegt das? Ein internationales Forscherteam hat die Juli-Hitzewelle untersucht. Ergebnis: Wir sind schuld.
Vertrocknete Sonnenblume auf einem Feld bei Dresden: Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass sich das Risiko für Hitzewellen im Juli für Westeuropa mindestens verfünffacht hat

Vertrocknete Sonnenblume auf einem Feld bei Dresden: Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass sich das Risiko für Hitzewellen im Juli für Westeuropa mindestens verfünffacht hat

Foto: Sebastian Kahnert/ dpa

Der Temperaturrekord in Geilenkirchen von Ende Juli hielt gerade mal einen Tag. Nur Stunden später legte Lingen im Emsland noch zwei Grad drauf: 42,5 Grad Celsius, gemessen am 25. Juli 2019, ist seitdem der neue Hitzerekord in Deutschland. Viele andere Orte in Deutschland knackten ebenfalls die 40-Grad-Grenze.

Im Sommer ist es eben heiß, könnte man meinen - aber so heiß?

Ein internationales Forscherteam des "World Weather Attribution Projekt" hat nun untersucht, welchen Anteil der Klimawandel an der Hitzewelle Ende Juli trägt. Demnach hat sich das Risiko für Hitzewellen im Juli für Westeuropa mindestens verfünffacht, einige Berechnungen gehen sogar vom Faktor 100 aus.

"Ohne den Menschen extrem unwahrscheinlich"

Die Analyse basiert auf Daten von mehreren Orten in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien. In diesen Ländern wurden im Juli gleich mehrere Hitzerekorde gebrochen. Die Daten für Deutschland kommen von der Wetterstation in Weilerswist-Lommersum in Nordrhein-Westfalen.

Berücksichtigt wurde jeweils die höchste Durchschnittstemperatur, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Juli gemessen wurden. Erst wenn drei Tage lang hintereinander hohe Temperaturen erreicht werden, kann man laut den Forschern von einer Hitzewelle sprechen. Außerdem seien diese deutlich bedenklicher für die Gesundheit als einzelne heiße Tage.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

  • Ohne den Klimawandel wäre es 1,5 bis 3 Grad Celsius kühler gewesen - den Hitzerekord von Lingen hätte es also wahrscheinlich nicht gegeben.
  • Die Hitzewelle in Europa war kurz, aber heftig. Besonders in der letzten Juliwoche war es in Westeuropa sehr heiß. In Belgien und den Niederlanden wurden erstmals Temperaturen jenseits der 40 Grad Celsius gemessen.
  • Im Gegensatz zu vorherigen Hitzewellen waren die Temperaturen auch für Frankreich und die Niederlande außergewöhnlich. "Solche Temperaturen wären ohne den Einfluss des Menschen auf das Klima extrem unwahrscheinlich", schlussfolgern die Forscher. Wäre das Klima heute so wie vor der Industrialisierung, würden solche Hitzewellen höchstens alle 1000 Jahre auftreten. Auf dem heutigen Temperaturniveau treten sie dagegen statistisch alle 50 bis 150 Jahre auf, warnen die Forscher.
  • In Großbritannien und Deutschland war die Hitzewelle weniger außergewöhnlich als in Frankreich und den Niederlanden. Statistisch gesehen würde Deutschland unter heutigen Bedingungen in zehn Jahren eine ähnliche Juli-Hitzewelle treffen. Ohne den Einfluss des Klimawandels dagegen erst in 50 bis 100 Jahren.

Wie haben die Forscher gerechnet?

Generell ist es problematisch, einzelne Wettereignisse direkt auf den Klimawandel zurückzuführen. Hitzewellen hat es schließlich schon gegeben, bevor der Mensch begonnen hat, massenhaft CO2 in die Atmosphäre zu blasen. Durch den Klimawandel steigt das Risiko für solche extremen Wetterlagen allerdings und sie werden intensiver, warnen Klimaforscher.

Man kann sich das in etwa so vorstellen: Wenn man auf einem Spielwürfel die Augenzahlen zwei und drei gegen Sechsen tauscht, steigt die Wahrscheinlichkeit, eine sechs zu würfeln. Im Nachhinein lässt sich jedoch nicht mehr sagen, welche gewürfelte sechs auf die Manipulation zurückgeht.

Dieses Problem versucht die sogenannte Attributionsforschung zu lösen, die auch die Forscher in der aktuellen Studie genutzt haben. Die Idee: Sie berechnen, wie wahrscheinlich das Wetterextrem war. Dafür simulieren sie am Computer Tausende Male, wie oft es genau diese Wetterlage zu vorindustrieller Zeit gegeben hätte und heute. Der Vergleich der Ergebnisse offenbart den Einfluss des Klimawandels.

Mit diesem Prinzip haben die Forscher auch die Hitzewellen aus den Jahren 2003, 2010, 2015, 2017, 2018 und Juni 2019 untersucht. Alle Analysen kamen zu demselben Ergebnis: Die extreme Hitze ist unter heutigen Bedingungen deutlich wahrscheinlicher. Der Faktor, den die aktuelle Auswertung für Deutschland ausspuckte, liegt etwa bei acht. Das heißt, die Chance, dass die Hitzewelle ohne den Klimawandel aufgetreten wäre, liegt grob gesagt bei eins zu acht, mindestens aber bei eins zu fünf.

Die Methode hat Grenzen

Allerdings liefern die einzelnen Modelle noch sehr unterschiedliche Ergebnisse, räumen die Forscher ein und die aktuelle Studie ist bisher noch nicht von unabhängigen Experten geprüft worden.

Einige Analysen ergaben beispielsweise, dass der Klimawandel Hitzewellen im Juli um den Faktor 100 wahrscheinlicher macht. Zudem hat die Methode eine entscheidende Einschränkung: Sie kann zwar realistisch einschätzen, welchen Einfluss der Klimawandel auf das aktuelle Wettergeschehen hatte. Die Modelle kommen jedoch an ihre Grenzen, wenn sie vorhersagen sollen, wie sich Wetterlagen ändern werden.

"Die Fähigkeit von Klimamodellen, solche Ereignisse korrekt abzubilden, hat seine Grenzen", sagt Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der nicht an der aktuellen Analyse beteiligt war. Zwar hätten Hitzewellen und andere Wetterextreme in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Das bedeute aber nicht , dass es jedes Jahr nun mehr heiße Tage geben werde. Allerdings entspräche die aktuelle Zunahme der Hitzeextreme genau dem, dass von Wissenschaftlern als Folge der globalen Klimakrise vorhergesagt wurde.

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Für Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes steht indes fest: Das Juli-Wetter geht "in meteorologische Geschichtsbücher" ein. In den vergangenen 138 Jahren wurde nur zehn Mal die 40-Grad-Grenze geknackt, im Juli dagegen gleich 25 Mal - in nur drei Tagen.


Zusammengefasst: Laut einer aktuellen Analyse hat sich das Risiko für Hitzewellen im Juli für Westeuropa seit der Industrialisierung mindestens verfünffacht. "Solche Temperaturen wären ohne den Einfluss des Menschen auf das Klima extrem unwahrscheinlich", urteilt das internationale Forscherteam des "World Weather Attribution Projekt". Das Modell hat jedoch Grenzen, besonders wenn es um Prognosen für künftige Wetterlagen geht.

Mit Material von dpa