Diesen Typus gibt es heute in der SPD nicht mehr, aber er war lange Zeit durchaus charakteristisch für die Partei: Der Intellektuelle als Politiker und der Politiker als Intellektueller. Freimut Duve verkörperte diese sozialdemokratische Allianz von Geist und Macht geradezu bilderbuchmäßig. Seine Eloquenz war inspirierend, seine Gestik auf vornehme Art wegwerfend. Sein ganzer Habitus hatte diesen hanseatischen Understatement-Snobismus, bei dem man sich nie ganz sicher sein kann: Ist das jetzt jovial oder auf eine Art dünkelhaft, die so raffiniert ist, dass man sie gar nicht bemerkt?

Jedenfalls pflegte Duve einen artikulierten Zungenschlag, der noch bis weit in die Neunzigerjahre in der SPD nicht nur verstanden, sondern als bereichernd empfunden wurde. Von 1980 bis 1998 hielt Freimut Duve das Direktmandat für seinen Hamburger Wahlkreis. Im Bundestag war er der kulturpolitische Sprecher seiner Fraktion. Ins Zentrum der Macht indes hat es Duve nie geschafft, dafür waren seine Urteilskraft und entsprechend seine Positionierungen zu eigensinnig, überraschend und unangepasst.

Freimut Duve war ein früher Kämpfer für eine ökologische Modernisierung der Industriegesellschaft und demonstrierte gegen das Kernkraftwerk in Brokdorf; er stimmte für die Verschärfung des Asylparagrafen, war aber immer ein entschiedener Menschenrechtsaktivist. Im Jahr 1998 wurde er zum Beauftragten der OSZE für die Freiheit der Medien berufen, ein Amt, das er nicht in der Absicht ausübte, sich beliebt zu machen; die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hatte jenes Amt damals gerade erst geschaffen, der Inhaber des Postens soll über die Wahrung der Pressefreiheit in den OSZE-Mitgliedsstaaten wachen.

Die Medien und also die Kraft der Ideen waren Duve ein vertrautes Feld. 1969 hat er kurze Zeit als politischer Redakteur für den Stern gearbeitet, bevor er 1970 für fast zwanzig Jahre als Lektor zum Rowohlt Verlag wechselte, wo er als Herausgeber die Buchreihe rororo-aktuell betreute, ein Format der gesellschaftspolitischen Intervention, bei dem Reflexion und Engagement, Argument und Position möglichst eng geführt wurden. Nun ist Freimut Duve im Alter von 83 Jahren in Hamburg gestorben.