Trump und Kim Jong-un in Hanoi

Veröffentlicht am

von Bernd Hoenig

‚Hanoi, shit‘ – denke ich in Anlehnung an ein Filmzitat, während wir vom Flughafen in eine neblige Dunstglocke hineinfahren. Diese Großstadt empfängt uns diesig-kühl und chaotisch-verschmutzt, wenn man vom sonnigen Süden des Landes hier ankommt. Ein Moloch voll dösigen Smogs, der den Kopf bald dröhnen lässt, mit seinem den vielen Städten Asiens vergleichbaren, unvermeidlichen Verkehrschaos, in welchem hierzulande Motorräder dominieren.
Wer trifft sich schon freiwillig in einer solch schmuddeligen Metropole, die mich in manchen Ecken und mit seiner Fülle an Baustellen an Berlin erinnert? Donald Trump hat sich hier auf seiner Asienrundreise zu einem Treffen mit Kim Jong-un verabredet und diese Stadt erwartet den avisierten Gipfel mit flaggengeschmückten Straßen (die drei Flaggen der USA., Nordkoreas und Vietnams flattern über zwei auch aus der sozialistischen DDR-Symbolik bekannten, einander freundschaftlich schüttelnden Händen) und ernennt sich dazu stolz zur „Stadt des Friedens“. In unserem Lê Văn Hưu Hotel in Laufentfernung des Gipfelhotels Metropole – andere Quellen berichten von einem Treffen im Gästehaus der vietnamesischen Regierung – werden unsere Pässe (Deutsch und Japanisch) nicht nur vom Manager, sondern auch von einem häufig telefonierenden, uniformierten Offizier längere Zeit geprüft.

Für Trump und die zukunftsausgerichteten USA ist Asien perspektivisch weitaus interessanter als ein zerstrittener europäischer Kontinent, dessen für zentrale Brüsseler Belange wichtigste Politiker die Europäische Union mit Experimenten in Finanz-, Energie- und Immigrationspolitik zu ruinieren drohen. Asiatische Staaten sind seit Jahren in Wissenschaft und Technologie in galoppierendem Vormarsch und ihr Nachwuchs glänzt im internationalen Vergleich auf den hierfür notwendigen Fachgebieten (siehe dazu TIMSS o. ä. Erhebungen zum Bildungsstand). Bald 45 Jahre nach dem Ende eines verheerenden Krieges und nahezu 75 Jahre nach der Ausrufung seiner Unabhängigkeit in eben dieser Stadt Hanoi bietet Vietnam vielleicht eine verlockende Kulisse für Zukunftsprojektionen, die man sich für Nordkorea vorstellen mag. Beide Politiker haben etwas zu gewinnen und sei es nur gestärktes politisches Ansehen für die eine Seite und ökonomische Hilfe für die andere.
Sollte Nordkorea auf eine strategische Richtung einschwenken, welche die Abkehr nuklear-militärischer Bedrohung zum Ziele hat, kann das sowohl für Asien wie für Amerika nur gut sein, wenn auch in meiner Wahlheimat geargwöhnt wird, dass Japan einen Großteil der Kosten dieses Trumpschen Deals zu übernehmen hat.

Vietnam ist offiziell zwar ein sozialistischer Staat, man erblickt überall Uniformen und die beliebten sozialistischen Symbole, wie rote Flaggen mit Sternen, strahlende Soldaten, überhaupt viel Militärpomp, Reisähren, lachende Mütter mit Kindern usw., doch die Leute folgen offensichtlich den Annehmlichkeiten, die das westliche Lebens- und Wirtschaftsmodell zu bieten hat. Und genau das könnte ein ebensolcher Lockruf für Kim und die Nordkoreaner sein. Das vietnamesische Land und seine Bevölkerung erscheinen zwar noch in mancher Hinsicht zerrissen. Die Südvietnamesen, meine Gesprächspartner sagen gern Saigon statt Ho Chi Minh Stadt, weisen mich darauf hin, dass der Vietnamkrieg von Nordvietnam oder genauer gesagt, von den nordvietnamesischen Kommunisten ausging und erläutern, dass Vietnam eigentlich viergeteilt ist – der Norden, der langgestreckte Mittelteil, der Süden und das Mekongdelta extra mit seiner ganz eigenen Kultur und religiösen Mischung aus Buddhismus und Animismus. Dass der asiatische Buddhismus mit seiner im Westen so gern beschworenen Friedfertigkeit ungefähr so viel zu tun hat, wie der Taoismus mit chinesischem Kommunismus, erkennt man an offiziell buddhistischen Staaten wie Thailand, Myanmar oder Sri Lanka, deren Politik Jahrzehnte von Militärs geprägt war und zum Teil noch immer ist.
In ganz Asien werden im Übrigen in Bezug auf Ökonomie völlig andere Prioritäten gesetzt, als sie vergleichsweise zur deutschen Politik in den Medien als wichtig erscheinen (besonders wie oben erwähnt Energie-, Klima-, Immigrationspolitik). Viele asiatische Staaten und die USA können von einer engeren Kooperation und der Abkehr von Konfrontation nur gewinnen, denn der sozialistische Weg erscheint auch hier in Vietnam, wo zwei so ungleichgewichtige politische Spieler aufeinandertreffen, nur noch als Scharade.



Unabhängiger Journalismus ist zeitaufwendig

Dieser Blog ist ein Ein-Frau-Unternehmen. Wenn Sie meine Arbeit unterstützen wollen, nutzen Sie dazu meine Kontoverbindung oder PayPal:
Vera Lengsfeld
IBAN: DE55 3101 0833 3114 0722 20
Bic: SCFBDE33XXX

oder per PayPal:
Vera Lengsfeld unterstützen